Predigt vom Palmsonntag, 5. April 2020

Predigt zu Markus 14, 1-9; Palmsonntag, 5. April 2020, 9.30 Uhr; St. Laurentius, Neuendettelsau; Pfarrerin Karin Lefèvre

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Hl. Geistes sei mit euch allen.

Liebe Gemeinde,

haben Sie schon einmal etwas geschenkt bekommen, was extrem wertvoll war, also mindestens einige zigtausend Euro gekostet hat? Also zum Beispiel ein nagelneues Mittelklasseauto?

Wer träumt nicht davon, im Lotto oder bei Aktion Mensch mal eine größere Summe zu gewinnen! Und viele von uns wären dann sicher auch bereit, einen Teil des Gewinns an andere, die es brauchen können, weiter zu geben.

Doch, in einer Lotterie etwas zu gewinnen, ist etwas ganz anderes, als eine vergleichbare Summe von Familienmitgliedern oder Freundinnen geschenkt zu bekommen! Ersteres ist einfach Glück im Spiel, aber das Zweite fordert uns echt heraus und verunsichert fast immer.

Stellen wir uns eine kleine Szene vor: Janina hatte im Garten der Eltern, in dem auch eine beheizbare Hütte steht, ein Frühlingsfestfest feiern wollen. Nun hat sie es leider absagen müssen. Sie ist traurig. Da klingelt es und die Post bringt ein Päckchen. Es ist von ihrer Freundin Fritzi. Es enthält eine Flasche Wein, und auf der beigefügten Karte steht: Liebe Janni, du bist bestimmt traurig und enttäuscht, dass wir nicht miteinander feiern dürfen. Die Flasche Wein soll dich trösten. Stoß mit deiner Familie auf uns alle an. Liebe Grüße, deine Fritzi.

Ben, Jannis Bruder, nimmt die Flasche in die Hand und schaut sich das Etikett genauer an. Dann ruft er aus: „Das ist ja ein Abbotts Prayer! Mensch Janni, der hat doch mindestens 600,- Euro gekostet!“ - Janni schaut ihren Bruder entgeistert an: „Quatsch, Fritzi würde mir doch keine Flasche Wein für 600,- Euro schicken.“ Ben zückt sein Handy und ruft die entsprechende Seite auf. Triumphierend hält er es Janina unter die Nase: „Da, schau selbst und vergleiche die Etiketten. Das ist ein Abbotts Prayer für 626,- Euro.“ Und nach kurzem Schweigen: „Die Fritzi spinnt. Die hat schon immer einen Hau weg! Mensch, in dieser Krise verlieren so viele Menschen ihre Existenzgrundlage, und die schmeißt das Geld für eine Flasche Wein zum Fenster raus! Das hätte sie besser mal spenden sollen!“

Und wissen Sie was, liebe Gemeinde, so würde ich wahrscheinlich auch reagieren! Ich fühle und ticke ähnlich wie dieser Ben. Und viele von Ihnen an den Übertragungsanlagen würden mir sicherlich bestätigend zunicken. Darum ist für uns alle der heutige Predigtabschnitt eine echte Zumutung. Er setzt zwei Tage vor dem Pessach- oder Passafest ein. Jesus allein weiß, was ihn erwartet. Die Jünger könnten es wissen, wollen es aber nicht wahrhaben. Es wurde bereits mehrfach betont, wie unglaublich verständnislos die Freunde auf Jesu Ankündigung seines bevorstehenden Leidens reagiert haben.

Wir alle wissen aus bitterer Erfahrung, wie einsam es macht, nicht verstanden zu werden. Leiden vervielfacht sich, wenn es auf Unverständnis stößt. Und die damit verbundene Einsamkeit auch. Da geschieht Folgendes - ich lese aus dem Markus-Evangelium im 14. Kapitel:

Die Hohenpriester und Toragelehrten suchten Wege, wie sie Jesus mit List festnehmen und töten lassen könnten. 2 Denn sie sagten: „Nicht beim Fest, sonst gibt es im Volk Aufruhr.“ 3 Als Jesus sich in Bethanien im Haus Simons des Aussätzigen aufhielt und zu Tisch lag, da kam eine Frau, die ein Salbgefäß mit reinem und kostbarem Öl zum Salben bei sich hatte. Sie zerbrach das Gefäß und goss das Öl auf sein Haupt. 4 Da waren einige verärgert und sagten zueinander: „Was soll diese Vergeudung des Salböls? Dieses Öl hätten wir für mehr als 300 Denare verkaufen und das Geld den Bettelarmen geben können.“ 5 Und sie herrschten die Frau an. 6 Jesus aber erwiderte: „Lasst sie in Frieden! Warum quält ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. 7 Die Bettelarmen habt ihr immer bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun; mich aber habt ihr nicht immer bei euch. 8 Sie hat getan, was sie konnte. Sie hat meinen Leib im Voraus für mein Begräbnis gesalbt. 9 Ja, ich sage euch: Überall auf der Erde, wo das Evangelium verkündigt wird, da werden Menschen auch davon erzählen, was diese Frau heute getan hat. Um an sie zu erinnern, werden Frauen, Männer und Kinder davon sprechen.“

So heftig und aggressiv hätten die Jünger die Frau nicht anmachen sollen. Aber in der Sache kann ich sie gut verstehen. Doch Jesus gibt die Kritik an seine Jünger zurück, allerdings in einem anderen Ton und mit Begründung. Darum will ich noch einmal genau hinhören! Oder besser, ich möchte in ein Zwiegespräch mit Jesus treten. Ich würde gerne zu ihm sagen:

„Jesus, du verblüffst mich immer wieder. Du bist doch ohne festen Wohnsitz durch die Gegend gezogen; du hast doch von der Hand in den Mund gelebt. Und jetzt sagst du sowas? Du hattest doch deinen Jüngern verboten, irgendetwas mitzunehmen, als du sie auf Reisen geschickt hast: Kein Brot, keine Tasche, kein Geld – nur ein Hemd und einen Stab – so hast du sie damals ausgesandt!“

Was würde mir Jesus wohl antworten? - Vielleicht:

„Du hast Recht, so habe ich meine Freunde auf die Reise geschickt. Und als sie zurückkamen, waren sie total begeistert. Es hatte ihnen an nichts gefehlt. Im Gegenteil, sie strahlten und erzählten überglücklich von der Macht Gottes, die sie unmittelbar erlebt hatten.

Aber merkst du, ja spürst du denn gar nicht, wie anders die Situation zwei Tage vor dem Passafest war?

Es ist schon traurig, wie dieses beeindruckende Erleben von Gottes Nähe und Kraft so gar keine echte Veränderung in meinen besten Freunden bewirkt hat. Alles ist oberflächlich geblieben, nichts in die Tiefe gegangen. Unsere enge Gemeinschaft, die Wunder, die Vertrautheit, das gemeinsame Gebet, die vielen Gespräche … und nichts davon hat ihre Herzen verändert. DAS TUT WEH! So soll ich nach Jerusalem gehen und dort mein Schicksal auf mich nehmen! Ich habe meinen himmlischen Vater angefleht, mir ein Zeichen seiner Nähe und neue Kraft zu schenken.

Da kommt diese Frau.

Sie ist mir noch nie näher begegnet. Kennt mich nur vom Hörensagen. Nichts von all dem, was mich mit meinen Freunden verbindet, ist ihr vertraut. Und doch, in dem Moment, in dem sie den Raum betritt, spüre ich: Da ist jemand, der mich versteht. Da ist so viel Wärme und Vertrauen in ihrem Blick. All das, was ich mir von meinen Freunden vergeblich ersehne. Und als sie das Gefäß zerbricht und mich mit dem Öl salbt, da erkenne ich es am Geruch.

Ich könnte dir jetzt einen langen Vortrag über die unglaubliche Wirkung von Düften halten und darüber, wie wenig eure Forschung über die Bedeutung des Geruchssinnes weiß. Aber das lasse ich jetzt bleiben. Ich sage dir nur: Auf einmal ist mit dem Duft des Öls alles wieder da, was ich an Glück und Trost und Halt in meinem Leben erfahren habe. Mein himmlischer Vater hat meine Bitte erhört, auf ganz ungewöhnliche und unerwartete Weise. Es ist, als würde er mich in seine Arme nehmen und mir neue Kraft einhauchen. So stark ist diese ermutigende und tröstende Kraft, dass ich ruhig bleiben und den Freunden die Situation erklären kann.

Na ja, unterschwellig habe ich ihnen schon einiges gesteckt. Zum Beispiel, dass sie sich ja selbst bislang kein Bein ausgerissen haben, um den zahllosen Armen zu helfen. Was soll dann der theoretische Verweis auf die Armen, wenn du vor einem Menschen stehst, der gerade jetzt deine Unterstützung braucht!

Da hat die Frau mir ein nie dagewesenes Zeichen ihrer Liebe geschenkt - in einem Moment großer innerer Einsamkeit. Ich weiß nicht einmal, ob sie von den bösen Plänen gegen mein Leben gewusst hat? Wohl eher nicht. Aber sie hat mir ein beispielloses Zeichen ihrer tiefen Liebe geschenkt. Mir, den sie nicht näher kannte. Und zu einem Zeitpunkt, an dem ich das so brauchte.

Könnt ihr, kannst du nicht davon lernen?

Die Angst in diesen Tagen ist groß. So groß wie seit sehr langer Zeit nicht mehr. Kein Mensch kann sagen, was genau auf euch zukommt. Aber alle kennt ihr jemanden, der oder die jetzt auf ein Zeichen der Zuwendung, des Trostes und der Ermutigung wartet. Ruft jemanden an, schreibt eine Karte – und denkt dabei nicht nur an Menschen, die euch lieb und wert sind. Denkt auch an die, die wenige oder (fast) niemanden haben.“

Und dann sehe ich Jesus ein wenig verschmitzt lächeln, und mir ist, als würde er mich auffordern, meine letzte Großpackung Klopapier mit anderen zu teilen, die wegen der Hamsterkäufe leer ausgegangen sind. Und ich beginne zu verstehen ….

Amen

Und der Friede Gottes, welcher höher ist, als alles, was unsere Vernunft denken und sagen kann, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

Mehr lesen aus dem Magazin zum Thema Spiritualität

Diesen Artikel teilen

Haben Sie Fragen? Wir helfen Ihnen gerne.

Wenn Sie sich näher über unser Angebot informieren möchten, können Sie gerne Ihre
bevorzugte Kontaktmöglichkeit hinterlassen.

Oder rufen Sie uns an unter unserer Service-Nummer:

+49 180 2823456 (6 Cent pro Gespräch)