Wie ist Seelsorge in Zeiten der Corona–Pandemie möglich?
„Wir müssen nah bei den Menschen sein“: Seelsorge für Patienten in den Kliniken und Menschen mit Behinderung
Seelsorge in Zeiten von Corona
- Was kann Seelsorge in Zeiten der Corona –Pandemie leisten?
- Was sind die Aufgaben und Herausforderungen speziell in den Kliniken und in Einrichtungen für Menschen mit Behinderung?
- Welche Hilfen bietet der Glaube, um die derzeitige Situation gut zu meistern?
Pastoralreferentin Heike Sohr, Pfarrer Peter Zeitz und Pfarrer Dr. Lucian Bolos können diese Fragen aus erster Hand beantworten. Sie arbeiten bei Diakoneo im Diakonisch-theologischen Dienst mit Menschen mit Behinderungen und Senioren beziehungsweise in der Klinikseelsorge.
Von Maria Mohr
„Wie geht es Dir?“ – Für einen Androiden wie Lieutenant Commander Data, zweiter Offizier auf dem Raumschiff Enterprise, ist die Frage leicht zu beantworten: “Ich funktioniere innerhalb normaler Parameter“, so seine Antwort in fast jeder Lebenslage.
Übersetzt in die Zeiten einer Corona-Pandemie hieße das: Eine stetig fallende 7-Tage-Inzidenz, eine Reproduktionszahl von unter 0.75, sinkende Auslastungszahlen auf den Intensivstationen – und alles ist gut?
So einfach ist es natürlich nicht. Menschen sind keine Androiden und in Pandemie-Zeiten braucht es sehr viel mehr, damit man sagen kann: „Es geht mir gut.“
Pastoralreferentin Heike Sohr, Pfarrer Peter Zeitz und Pfarrer Dr. Lucian Bolos erleben das jeden Tag. Sie arbeiten in der Seelsorge für Senioren, Menschen mit Behinderung und kranke Menschen.
Direkte Begegnungen mit dem Pfarrer sind trotz Corona noch möglich
Pfarrer Lucian Bolos arbeitet im Diakonisch-theologischen oder auch Pastoralen Dienst mit Menschen mit Behinderung und mit Senioren.
Wenn der 47-Jährige seelsorgerliche Gespräche in den Beschäftigten in den Werkstätten für Menschen mit Behinderung in der Region Polsingen / Oettingen / Gunzenhausen führt, muss er viele Fragen beantworten:
- „Herr Pfarrer, was ist Corona?“
- „Wie lange dauert das?“
- „Wann dürfen wir wieder in unsere alten Arbeitsgruppen?“
- "Wann dürfen wir wieder ohne viele Einschränkungen mit Menschen treffen?“
Durch ein strenges Hygienekonzept und mit viel Unterstützung durch die Mitarbeitenden kann Pfarrer Bolos trotz Corona direkt bei den Menschen mit Behinderung sein. „Menschen mit Behinderung erleben ihren Glauben oft sehr direkt und intensiv. Sie sind mit dem Glauben aufgewachsen“, sagt er.
„Viele Menschen mit Behinderung haben eine sehr offene Beziehung zu Gott.“
In den Werkstätten gelten strenge Hygienevorschriften
Die Werk- und Förderstätten sowie einige der Seniorentagesstätten sind derzeit nicht geschlossen. Allerdings mussten sich die Menschen mit einer Behinderung an einige Veränderungen gewöhnen: Die Bewohner einer Wohngruppe sind derzeit aus Sicherheitsgründen auch in einer Arbeitsgruppe in der Werk- oder Förderstätte zusammengefasst. Und es gelten strenge Hygienevorschriften.
Keine leichte Situation für Menschen mit Behinderung. Die Mitarbeitenden vor Ort, die Leitungen der Einrichtungen und die Pfarrerinnen und Pfarrer, die in der Seelsorge aktiv sind, haben intensiv nach guten Lösungen gesucht, um nach wie vor bei den Menschen zu sein.
In „normalen Zeiten“ hält Lucian Bolos regelmäßige Andachten in der Kirche „Zum guten Hirten“ in Polsingen. Außerdem ist er regelmäßig in den beiden Werkstätten in Polsingen und Laubenzedel sowie in den Förderstätten und Seniorentagesstätten präsent.
Die Menschen mit Behinderung freuen sich dann über die Möglichkeit, mit ihm ins Gespräch zu kommen. Freudige und weniger schöne Erlebnisse sind es, die sie dann mit ihm besprechen. Verliebtheit, Glück, Streit, Trauer und Tod – all das kommt zur Sprache. Pfarrer Bolos weiß:
„Ihre Sorgen sind die gleichen wie die Sorgen aller Menschen.“
Bewohner der Wohngruppen arbeiten derzeit auch zusammen
Durch das besondere Hygienekonzept und das große Engagement aller Mitarbeitenden kann Lucian Bolos nach wie vor einzelne Andachten und Gottesdienste in der Kirche abhalten und mit den Menschen ins Gespräch kommen.
Dies ist natürlich abhängig vom Pandemiegeschehen und wird jeweils der aktuellen Lage angepasst.
Die Bewohner der Wohngruppen bilden jetzt auch Arbeitsgruppen in den Werkstätten. Analog zum sonst gebräuchlichen Begriff des „Hausstandes“ bilden sie eine „Kohorte“. Und maximal zwei dieser geschlossenen Kohorten können auch in der Kirche zu Gottesdiensten zusammenkommen, mit viel Anstand und sofern es die Pandemielage zulässt. Öffentliche Gottesdienste mit externen Gästen sind derzeit aber nicht möglich.
Gesungen werden darf derzeit auch nicht. Pfarrer Bolos behilft sich mit Musik über die Bluetooth-Box. „Ohne Lieder geht es nicht, aber zur Zeit hören wir nur zu.“
Musik, Geschichten und Bilder spielen in den Gottesdiensten für Menschen mit Behinderung ohnehin eine große Rolle. Sie machen den Glauben erlebbar.
Um möglichst viele Menschen zu erreichen, werden die Gottesdienste in Polsingen oft gefilmt und in die Wohngruppen übertragen.
„Was wir machen können, ist zuhören, trösten, erklären, ermutigen, zusammen beten.“, fasst Lucian Bolos seine Möglichkeiten zusammen. „Es ist wichtig, dass wir in dieser schweren Zeit bei den Menschen sein können.“
Auch er selbst profitiert von den Begegnungen:
Hier fühle ich intensiv, wie wichtig mein Dienst als Pfarrer ist.
Seelsorger in der Klinik haben noch Zugang zu den Patienten
Auch für Pastoralreferentin Heike Sohr und Pfarrer Peter Zeitz ist die Nähe zu den Menschen sehr wichtig. Beide arbeiten als Klinikseelsorger in der Klinik Hallerwiese – Cnopfsche Kinderklinik in Nürnberg.
Ihre Aufgabe ist, auch in der Pandemie die Mitarbeitenden, Patienten und Angehörigen zu begleiten. „Das ist allen hier im Haus und Diakoneo wichtig“, so Pfarrer Zeitz. „Als Seelsorger haben wir auch nach wie vor Zugang zu den Patienten.“
Beispiel Begleitung im Sterben
Die Möglichkeiten der Begleitung von Covid-19-Patienten sind durch die Hygienemaßnahmen natürlich eingeschränkt. Aber im Sterbeprozess bitten die Angehörigen bisweilen darum, dass ein Seelsorger bei dem Patienten ist. „Oft sind die Patienten selbst zu diesem Zeitpunkt nicht mehr ansprechbar“, sagt Peter Zeitz. „Wir gehen aber davon aus, dass die Patienten trotzdem spüren, das jemand für sie da ist.“
Für die Angehörigen ist das ganz sicher eine Beruhigung. Derzeit können sich die Angehörigen von einem Sterbenden in der Klinik zwar verabschieden, sie sollten aber nicht über längere Zeit bei ihm wachen.
Beispiel Covid-Quarantäne
Bei Covid-19-Patienten sind die engsten Angehörigen wie Ehefrau oder Ehemann oft selbst in Quarantäne. Bei Patienten, die im Sterben liegen, kommen manchmal Enkel oder andere nahe Angehörige und stellen einen Kontakt zur Familie über das Handy her. Über längere Zeit soll kein Angehöriger bei einem Covid-19-Patienten im Zimmer bleiben, da die Ansteckungsgefahr mit der Verweildauer steigt.
Heike Sohr und Peter Zeitz können nur einen kleinen Teil der durch die Besuchseinschränkungen entstehenden Lücken füllen, zumal ihre Arbeit derzeit durch die Schutzkleidung erschwert wird. „Durch Masken und Gesichtsschilde sind wir als Seelsorgende gar nicht wirklich erkennbar“, bedauert Heike Sohr.
Was bewegt die Angehörigen und die Patienten derzeit am meisten?
Auch außerhalb der Covid-Station ist der fehlende Kontakt derzeit eine der größten Belastungen für Patienten und Angehörige.
In der Cnopfschen Kinderklinik werden zum Beispiel krebskranke Kinder über einen längeren Zeitraum hinweg stationär behandelt. Derzeit kann nur ein Elternteil bei dem Kind sein. Der andere Elternteil darf nur in genehmigten Ausnahmefällen zu Besuch kommen.
„Es ist eine schwere Aufgabe, die Krebstherapie eines Kindes ohne persönlichen Kontakt zum Rest der Familie durchstehen zu müssen,“ sagt Heike Sohr. Auch der sonst oft hilfreiche Austausch mit anderen Eltern auf der Station ist zurzeit nur sehr eingeschränkt möglich.
Gottesdienste oder Andachten mit mehreren Personen sind derzeit in der Klinik nicht möglich. „Hier mussten wir uns neue Formen überlegen, um mit den Menschen in Kontakt zu bleiben“, sagt Pfarrer Peter Zeitz. So wurden zum Beispiel statt öffentlicher Gedenkveranstaltungen Karten für die Eltern früh- oder an Krebs verstorbener Kinder gestaltet. Die in der Kapelle gefeierte Andacht blieb so auf den kleinen Kreis des Vorbereitungsteams beschränkt. Die Angehörigen waren eingeladen, zeitgleich zu Hause eine Kerze zu entzünden.
Auch wenn Veranstaltungen derzeit kaum möglich sind, ist die Kapelle der Klinik als Raum der Stille jederzeit geöffnet. Dort finden Mitarbeitende ein Glasgefäß, in dem sie symbolisch kleine Gegenstände für belastende, aber auch für erfreuliche Erlebnisse hinterlassen können. Dieses Angebot wird gut angenommen.
Außerdem bieten die Psychologinnen der Klinik Begleitung in unterschiedlichen Formen für das Klinikpersonal an. Auch die Seelsorger sind für dieses immer ansprechbar. „Das ist auch wichtig, denn die Mitarbeitenden sind durch die aktuelle Situation stark belastet. Ein Großteil der Zuwendung zu den Patienten erfolgt ja durch das Pflegepersonal und die Ärzte“, weiß Peter Zeitz.
Diese müssen sich täglich mit der Frage auseinandersetzen, wie sie trotz der knappen Zeit und der ungünstigen Umstände gut mit den Menschen umgehen und deren individuellen Bedürfnissen gerecht werden können.
Heike Sohr: „Ich empfinde das Pflegepersonal und die Ärzte in diesem Zusammenhang als sehr sensibel.“ Und Peter Zeitz ergänzt: „Unser Vorteil als Seelsorge ist es natürlich, dass wir in die medizinischen und pflegerischen Abläufe nicht unmittelbar eingebunden sind. Das gibt uns oft die Möglichkeit, flexibel und kurzfristig auf Notlagen zu reagieren und dann auch längere Zeit für die Menschen da zu sein.“
Beide betonen: „Was wir im Augenblick sehr stark erfahren ist, dass wir Menschen vor Gott letzten Endes alle gleich sind. Wir verstehen jeden Menschen als Geschöpf Gottes und versuchen, ihn in seiner Situation individuell zu begleiten. Unser Glaube gibt uns die nötige Kraft und Hoffnung dazu.“
Seelsorge in Zeiten von Corona
Seelsorgenotruf St. Laurentius
Für besondere seelsorgerliche Anliegen wenden Sie sich bitte telefonisch an das Kirchenbüro St. Laurentius +49 9874 8-2291 oder an die Pforte des Mutterhauses +49 9874 8-2215.
Am Wochenende steht Ihnen der Seelsorgenotruf St. Laurentius zu Verfügung: +49 151 73 00 77 24.
Alternativ auch an Telefonseelsorge +49 800 111 01 11.
In Zeiten des Corona-Virus bietet das evangelische Dekanat Windsbach eine zusätzliche Telefonseelsorge an:
Ansprechpartnerin:
Pfarrerin Dörte Knoch
Telefon: 09872/ 7504
Handy: 0176/ 410 875 79
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Warum für Diakoneo arbeiten: Spiritualität
Wir geben Ihnen Freiraum zur persönlichen Entfaltung.
Bei uns bekommen Sie die Möglichkeit zum Austausch bei spirituellen Seminarangeboten, im Rahmen von Andachten, Gottesdiensten oder Gesprächskreisen und durch die Möglichkeit zur Mitgliedschaft in unseren Diakonischen Gemeinschaften.
Alle Mitarbeitenden im Pastoralen Dienst bei Diakoneo bieten gerne Gespräche und seelsorgerliche Begleitung an.
Mehr: Warum für Diakoneo arbeiten?
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