Predigt vom Sonntag Sexagesimae, 7. Februar 2021

Predigt zu Lukas 8, 4-8+9-15; Sonntag Sexagesimae, 7. Februar 2021, 9.30 Uhr, St. Laurentius, Neuendettelsau; Pfarrer Oliver Georg Hartmann

P Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus.

G Amen.

Lasst uns in der Stille um den Segen aus Gottes Wort bitten. Amen.

Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder,

mein Großvater pflegte immer zu sagen: „Die dümmsten Bauern haben die größten Kartoffeln.“ Mein Großvater wusste, wovon er sprach, denn er stammte aus einer sehr alten thüringischen Bauernfamilie und war reich mit Erfahrungen gesegnet, die das Landleben nun einmal mit sich bringen.

Es ist kein Zufall, dass das Landleben und der Glaube eine tiefe Verbundenheit eingegangen sind, und bis heute weite Teile der ländlichen Gebiete stärker im Glauben verbunden sind, als die urbanen Regionen.

Jesu Verkündigung wurzelt in der Erfahrung des Landlebens, und unser Gleichnis zeigt dies auf hervorragende Weise. Darin liegt freilich auch eine Tragik. Denn wie soll ich verstehen, was da vor sich geht; bei diesem Sämann aus Galiläa oder Judäa?

Lasst uns noch einmal auf die ersten Verse hören:

5 Es ging ein Sämann aus zu säen seinen Samen. Und indem er säte, fiel einiges an den Weg und wurde zertreten, und die Vögel unter dem Himmel fraßen’s auf. 6 Und anderes fiel auf den Fels; und als es aufging, verdorrte es, weil es keine Feuchtigkeit hatte. 7 Und anderes fiel mitten unter die Dornen; und die Dornen gingen mit auf und erstickten’s. 8 Und anderes fiel auf das gute Land; und es ging auf und trug hundertfach Frucht.

„Die dümmsten Bauern haben die größten Kartoffeln“ – dieser Spruch kam mir in den Sinn, als ich das eigentliche Gleichnis unseres heutigen Predigttextes erneut las. Was um alles in der Welt macht der Bauer da?

Auf den ersten Blick wirkt es, als ob der Sämann nicht so richtig weiß, was er tut. Schaut man sich jedoch die alte Praxis der Feldarbeit genauer an, so kommt man zu einem ganz anderen Schluss. Der Sämann sät absichtlich auf den Trampelpfad, weil er nachher mit umgepflügt werden soll. Der Sämann sät absichtlich zwischen die Dornen, weil sie nach dem Säen eingepflügt werden. Der Sämann sät auch auf die dünne Bodenschicht über felsigem Grund.

Was Jesus hier schildert, ist kein nachlässiges oder ungeschicktes Säen des Bauern, bei dem Saatgut vergeudet wird, sondern ein für Palästina ganz normaler Vorgang.

Ja, so geht es zu in Gottes Reich. Das Wort wird verschwenderisch ausgesät, und der Erfolg selbst ist zunächst überhaupt nicht wichtig. Ein Bauer, der sich vom Blick auf die Vögel, die gleich hinter ihm die Samen wegfressen und vom Blick auf das Vertrocknete und das von Dornen Erstickte die Hoffnung nehmen ließe, wäre ein dummer Bauer.

„Die dümmsten Bauern haben die größten Kartoffeln?“ – Dieser Spruch trifft nicht den Sinn unseres Bibelwortes. Hier geht es nicht um klugen Einsatz und eine unverdiente Belohnung. Vielmehr kommt Gottes Sein und Wirken selbst in den Blick. Im Bauern erkennt der Hörer keinen geringeren als Jesus selbst. Ja, so ist Gott. Er wirft mit dem Samen um sich und nimmt den Misserfolg billigend in Kauf. Und doch steht am Ende die reiche Ernte. Dem, der sich umschaut und – völlig zu Recht – verzweifeln möchte, wird gesagt: Auch wenn von der Ernte nichts zu sehen und die Gefährdungen noch so groß sind - die Ernte wird kommen!

Das finde ich ein tröstliches Wort. Manches gerät unter die Dornen wird aber später eingepflügt werden und doch da sein. Manches scheint überflüssig auf den Weg geworfen, aber wird der Weg nicht nachher ganz anders aussehen?

Hoffnung wider aller Hoffnung. Das klingt nicht leicht. Und doch steht es für einen wichtigen Teil allen menschlichen Lebens. Sind nicht Eltern und Lehrer von dieser Hoffnung wider alle Hoffnung zutiefst beseelt? Auch sie werfen das Saatgut verschwenderisch auf ihre Kinder und in ihre Klasse. Auch sie sehen sich ständig der Situation gegenüber, dass sie nicht wissen, auf welchen Boden ihre Worte fallen.

Die Pädagogik versucht seit Jahrzehnten, diese Unsicherheiten zu minimieren und mit den richtigen Maßnahmen den Ertrag zu erhöhen. Aber ist sie wirklich erfolgreicher? Nein, viel zu oft geht die Saat da auf, wo man es nicht erwartet hätte. Und doch ist die Freude gerade dort zu spüren, wo die Saat aufgeht, obwohl man es nicht erwartet hätte. Die Kinder, eine Klasse, das Leben: Es bleibt ein unübersichtliches Feld.

Misserfolg erleiden und ertragen. Ertragen, dass der scheinbar dumme Bauer doch zu Erfolg kommt. Vielleicht macht das dieses Gleichnis so schwer verständlich.

So geht es zumindest denen, die Jesus damals zuhören. So fragen seine Jünger Jesus, was es denn mit diesem Gleichnis auf sich habe. Und Jesus erklärt ihnen, dass das mit dem Glauben gar nicht so einfach ist. Glaube ist nicht per se einleuchtend. Mancher lässt sich anstecken, ein anderer tut es einfach ab. Vielleicht gibt das Jesus darum an seine Jünger weiter, um ihnen Entmutigung und Frust zu ersparen. Denn gewiss werden sie die Erfahrung machen, dass die Worte Jesu auf verschlossene Ohren und Herzen treffen. Die Jünger werden die Ablehnung der Botschaft Jesu erleben. Vielleicht will sie Jesus vorwarnen: Nur, weil sie seine Botschaft so begeistert hat, wird das nicht allen anderen genauso gehen.

Enttäuschung und Misserfolg gehört zu Jesu Botschaft dazu. Ja, in ihrem Kern ist Enttäuschung zu finden. Das ist das Geheimnis der Botschaft Jesu, dass man etwas anderes finden wird, als man erwartet hat. Jesu Jüngerinnen und Freunde werden seinen Tod erleben. Sie werden denken, dass nun alles vorbei ist. Und sie werden etwas anderes finden als sie erwartet haben: Sie werden den Gekreuzigten als den Gegenwärtigen erfahren.

Doch das ist nicht alles, was sich über Jesu Gleichnis sagen lässt. Deshalb finden wir noch mehr zum Verständnis. Und deswegen wurde diese Erklärung später auch in die Evangelien aufgenommen. Dieses Gleichnis ist nämlich das einzige im Neuen Testament, zu dem es auch eine Auslegung gibt. Vielleicht ist gerade hier eine Auslegung beigegeben worden, weil das Gleichnis von den Mühen der Predigt und des Glaubens erzählt. Vielleicht war es dem Evangelisten Lukas wichtig, diese Auslegung aufzuschreiben, weil er selbst erfahren hatte, dass der Glaube an die Botschaft Jesu oft eine mühsame Ackerwirtschaft war.

Und so hören wir auch:

11 Das ist aber das Gleichnis: Der Same ist das Wort Gottes. 12 Die aber an dem Weg, das sind die, die es hören; danach kommt der Teufel und nimmt das Wort von ihrem Herzen, damit sie nicht glauben und selig werden. 13 Die aber auf dem Fels sind die: Wenn sie es hören, nehmen sie das Wort mit Freuden an. Sie haben aber keine Wurzel; eine Zeit lang glauben sie, und zu der Zeit der Anfechtung fallen sie ab. 14 Was aber unter die Dornen fiel, sind die, die es hören und gehen hin und ersticken unter den Sorgen, dem Reichtum und den Freuden des Lebens und bringen keine Frucht zur Reife. 15 Das aber auf dem guten Land sind die, die das Wort hören und behalten in einem feinen, guten Herzen und bringen Frucht in Geduld.

Ja, es ist wahrlich einfach mit dem Glauben und Gottes Wort. Haben nur die dümmsten Bauern die größten Kartoffeln?

Ja: „Die dümmsten Bauern haben die größten Kartoffeln“ – so seufzt der, der auf dem Wege steht und vor lauter Last nicht mehr kann. Hier geht es nicht um Oberflächlichkeit, sondern um die tiefe Erfahrung, es hat keinen Sinn. All mein Tun vergeht. Alles was ich tue, wird von wilden Vögeln aufgefressen, und des Teufels Hand greift nach mir. Destruktivität und Depression nennt es die Psychologie heute. Eine ernsthafte Gefahr, nicht erst seit Corona.

Ja: „Die dümmsten Bauern haben die größten Kartoffeln“ – so spricht auch der, der auf dem Felsen steht. Hier steht der kurzfristige Erfolg an erster Stelle. Die Kraft der schnellen Faszination. Aber so ist das Leben nicht. Faszination ist von kurzer Dauer und hat keine Basis. Sie hält dem Leben nicht stand, sie geht nicht tief genug und vergeht in der Glut der Sonne. Und wenn der Erfolg ausbleibt, wird neidisch auf des Nachbarn Fels gestiert.

Ja: „Die dümmsten Bauern haben die größten Kartoffeln“ – so klagt der, der von Dornen umgeben ist und sein Leben im Griff haben möchte. Verständlich, und doch haben wir es nicht in der Hand. Hier tritt die Sorge an die erste Stelle. Eine Sorge, was morgen kommen mag. Wird es schlechter oder besser? Eine Sorge, die sich nach Sicherheiten sehnt und nach Garantien greift. Ja, es gibt ein falsches Sorgen. Und dieses erstickt letztlich alles, was zur Reife kommen könnte.

Ja: „Die dümmsten Bauern haben die größten Kartoffeln“ – so kann einer jedoch auch sprechen, der um den Wahnsinn des Lebens weiß. Und vielleicht wird es gar mit einem Schmunzeln gesagt. Dann wird weder beschönigt noch billig abgestritten, weder ängstlich bedacht noch kritiklos alles angenommen.

Ja, so ist das Leben. Ja, so ist mein Leben. Mit manch guter Frucht und dann doch wieder vergebens. Ständig von Scheitern umgeben. Aber ein Leben, das sich geborgen weiß in der Fülle Gottes, ein Leben, das das eine tut, ohne das andere zu lassen, geduldig und beharrlich wissend, dass Gott selbst im Übermaß schenkt, und es nicht zu schade findet, manches unter die Dornen zu geben. Ein Leben, das weiß: Gottes Ernte kommt irgendwie zum Schluss. Auch wenn wir es jetzt nicht sehen. Das schenke Gott uns allen.

P Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

G Amen.

Verwandte und zitierte Literatur:

Bienert, David C.: Bibelkunde des Neuen Testaments, Gütersloh 2010.

Dalman, Gustaf: Arbeit und Sitte in Palästina. Band II. Der Ackerbau, Hildesheim/Zürich/New York, 1987 [= Nachdruck von 1932].

Dettmar, Volker: 2. Sonntag vor der Passionszeit (Sexagesimae). Lukas 8, 4-8(9-15), in: Denkskizzen 3. Zu den Predigttexten der sechs Perikopenreihen, hg. v. Kristian Fechtner, Stuttgart 2020, 93-96.

Doerne, Martin: Er kommt auch noch heute. Homiletische Auslegung der alten Evangelien, Göttingen 61972.

Feisel, Kurt Gerhard: Sexagesimae. Lukas 8,4-8 (9-15), in: Hören und Fragen. Eine Predigthilfe. Band 1, hg. von Arnold Falkenroth und Heinz Joachim Held, Neukirchen-Vluyn 1978, 99-105.

Fendt, Leonhard: Die alten Perikopen (HNT 22), Tübingen 1931.

Röser-Israel, Lars: 2. Sonntag vor der Passionszeit (Sexagesimae). Lukas 8, 4-15, in: Die Lesepredigt 2020/2021, hg. v. Klaus Raschzok, Gütersloh 2020, 147-153.

Wolter, Michael: Das Lukasevangelium (HNT 5), Tübingen 2008. 

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