Predigt vom 13. Sonntag nach Trinitatis, 06. September 2020

Predigt zu Apostelgeschichte 6, 1-7; 13. Sonntag nach Trinitatis, 6. September 2020, 9.30 Uhr; St. Laurentius, Neuendettelsau; Pfarrerin Susanne Munzert

Liebe Gemeinde,

als Studierendenpfarrerin an der Augustana-Hochschule verbinden mich mit der St.-Laurentius-Kirche viele schöne Erinnerungen an gemeinsam gefeierte Gottesdienste.

Doch heute, zum ersten Mal als Pfarrerin an St. Laurentius hier zu stehen – das ist für mich etwas ganz Besonderes. Und ich freue mich, dass Sie so zahlreich gekommen sind! Aus Neuendettelsau, aber auch aus meiner „alten“ Gemeinde in Schwarzenbruck, aus Freising, Bamberg, Erlangen usw.

Einen Gast möchte ich ganz besonders begrüßen und Ihnen auch persönlich vorstellen: Liebe Lydia, herzlich willkommen. [„Lydia“ steht auf und kommt nach vorne]

Lydia, du hast den weiten Weg von Jerusalem auf dich genommen. Du bist nicht nur weit gereist, sondern auch durch die Zeit. Du kommst aus dem Jahr 50 nach Christi Geburt. Du bist Mitglied der ersten christlichen Gemeinde in Jerusalem, die „Urzelle“ der christlichen Kirche/n.

L:

Vielen Dank! Ich grüße euch, liebe Schwestern und Brüder im Herrn, hier in Neuendettelsau. Der Friede unseres Gottes sei mit euch! Ich überbringe euch die besten Grüße der Gemeinde in Jerusalem.

Dass Ihr euch nach 2000 Jahren hier in Neuendettelsau immer noch an uns in Jerusalem erinnert, das ehrt uns.

P:

Die Ehre liegt ganz auf unserer Seite: Natürlich lesen wir immer mit großem Interesse die Berichte in der Apostelgeschichte und in den Briefen von Paulus und den anderen, wie es euch ergangen ist, damals, kurz nach Jesu Tod und Auferstehung.

Wir sind beeindruckt, wenn wir über euch lesen: 32Die ganze Gemeinde war ein Herz und eine Seele. Keiner betrachtete etwas von seinem Besitz als sein persönliches Eigentum. Sondern alles, was sie hatten, gehörte ihnen gemeinsam.33 Mit großer Kraft traten die Apostel als Zeugen dafür auf, dass Jesus, der Herr, auferstanden war. Die ganze Gnade Gottes ruhte auf der Gemeinde. 34Keiner von ihnen musste Not leiden. Wer Grundstücke oder Gebäude besaß, verkaufte diese und stellte den Erlös zur Verfügung. 35 Er legte das Geld den Aposteln zu Füßen. Davon erhielt jeder Bedürftige so viel, wie er brauchte.[1]

In unseren Ohren klingt das wie das „goldene Zeitalter“. Das muss das wahre Christentum sein: wahrhaftig und lebendig!

L:

Die Anfangszeit war wirklich eine besondere Zeit für uns. Es fühlt sich an, als wäre es gestern gewesen, dass Jesus mitten unter uns saß.

P:

Ihr lebt offensichtlich nicht nur als geistliche Gemeinschaft: „Alles, was sie hatten, gehörte ihnen gemeinsam.“ - Wir nennen das heute „Gütergemeinschaft“.

L:

So hat es uns Jesus vorgelebt. Wer Hilfe braucht, dem oder der wird geholfen.

Wir machen in unserer Gemeinde keinen Unterschied zwischen geistlicher und materieller Not.

P:

Beeindruckend! Wir wissen bei uns häufig gar nicht viel voneinander. Wie es den anderen geht …

L:

Wir sind auch nur ein kleiner Kreis. So eine große Kirche wie bei euch heute gibt es bei uns noch nicht. Da ist das viel einfacher.

Und steht eure schöne Laurentius-Kirche nicht mitten zwischen Häusern, in denen Menschen leben, denen Ihr helft? „Weil wir das Leben lieben“ – das ist doch euer Motto, mit dem ihr werbt und nach dem ihr lebt? Das meint doch: „Wir helfen, damit alle gut leben können“. Oder?

P:

Es gibt kritische Stimmen, die darauf hinweisen, dass Anspruch und Wirklichkeit nicht immer übereinstimmen…

L:

Die Stimmen kennen wir auch. Auch wenn unsere Gemeinde nicht sehr groß ist, der Alltag ist oft nicht einfach. Da gibt es die Alteingesessenen aus der jüdischen Gemeinde direkt in Jerusalem. Sie sprechen hebräisch und sind gut vernetzt über ihre Familien und Freunde in der ganzen Stadt. Ein anderer Teil von uns ist zugereist. Diese Menschen sprechen in der Mehrzahl griechisch und werden deshalb Hellenisten genannt. Letztere haben sich kürzlich massiv beschwert: Witwen aus ihrem Kreis wären von der Gemeinde nicht ausreichend unterstützt, ja eigentlich komplett übergangen worden.

Du musst wissen, bei uns gibt es kein Rentensystem. Die Witwen der zugereisten Hellenisten haben keine Familie vor Ort, die sie unterstützt. Sie brauchen die Hilfe der Gemeinde, sonst müssen sie betteln gehen.

P:

Altersarmut ist auch bei uns ein Thema. Was habt Ihr gemacht?

L:

Unsere Gemeindeleiter haben die Beschwerden Gott sei Dank nicht unter den Teppich gekehrt. Sie haben eine Gemeindeversammlung einberufen und die Lage erklärt: „Wir schaffen das nicht! Wir werden für die Verkündigung der Botschaft Jesu gebraucht. Wir können uns nicht auch noch angemessen um die Armenfürsorge kümmern. Deshalb unser Vorschlag: Wählt aus eurer Mitte sieben Männer aus. Sie sollen einen guten Ruf haben und vom Geist Gottes und von Weisheit erfüllt sein. Ihnen werden wir diese Aufgabe übertragen. Wir dagegen werden uns ganz dem Gebet und der Verkündigung widmen.“[2]

P:

Der Tag hat für alle nur 24 Stunden…

L:

Ich fand´s gut, dass sie zugegeben haben: „Wir können nicht alles machen.“ Lasst uns die vielen Aufgaben auf viele Schultern verteilen.

P:

… leider nur männliche Schultern …

L:

Das hat mich auch geärgert. Jesus hätte das anders gemacht. Er hätte uns Frauen nicht übergangen. Aber da sind die Apostel leider viel zu sehr Kinder ihrer Zeit. Ist das bei euch heute anders?

P:

Unsere Diakonie hier in Neuendettelsau ist schon von je her durch die Diakonissen weiblich geprägt.

Aber grundsätzlich war es ein sehr guter Vorschlag, den eure Gemeindeleitung euch gemacht hat: Arbeitsteilung, damit alle wichtigen Aufgaben gut erledigt werden können und niemand in Zukunft übersehen wird.

L:

Anfangs war ich ein wenig skeptisch. Trennt unsere Gemeinde etwas, was nicht getrennt werden darf? Wortverkündigung gegen tätige Nächstenliebe?

Es gibt auch Gemeindemitglieder, die unseren Gemeindeleitern eine gewisse Arroganz unterstellt haben: Die wollen sich doch nur die Hände nicht schmutzig machen. Die armen Witwen sind unter ihrem Niveau!, so grummeln sie.

P:

Diese Geschichte hat im Lauf der Kirchengeschichte dazu geführt, dass Kirchen eine Hierarchie der verschiedenen Ämter eingeführt haben: Priester – Diakone – Gemeinde.

L:

Schade! - Bei euch auch?

P:

Im Grundsatz: Nein. Aber Diakonie und Kirche ringen immer wieder darum, ihr Verhältnis zueinander zu klären.

L:

Es geht doch beiden um die Menschen. Jesus hat gewusst: Wir Menschen brauchen täglich unser Brot. Satt werden an Leib und Seele.

P:

Ihr habt in Jerusalem damit begonnen: Ihr habt Menschen beauftragt, sich ganz konkret um eure Witwen zu kümmern. Daraus hat sich heute die Diakonie entwickelt.

Professionell und breit aufgestellt.

L:

Ich bin beeindruckt. Ihr lebt in glücklichen Zeiten! Niemand muss Angst haben, übersehen zu werden wie damals unsere Witwen!

P:

Das passiert bei uns dennoch. Aber wie ihr damals bemühen wir uns, denen, die Hilfe brauchen, zu helfen.

L:

So viele Menschen, die aus ihrem Glauben heraus anderen helfen!

P:

Nicht mehr alle, die in den vielen diakonischen Einrichtungen arbeiten, gehören zu unseren Gemeinden.

L:

Ach, das ist interessant. Dann arbeiten sie wahrscheinlich dort, weil ihnen die Menschen wichtig sind, oder? Das erinnert mich an das Gleichnis vom barmherzigen Samariter, das Jesus erzählt hat. Der vermeintlich „Ungläubige“ hat im Sinne Gottes gehandelt: Er hat im Verletzten seinen Nächsten erkannt und ihm geholfen. Gott geht auch solche Wege, um seine Liebe in die Welt zu bringen.

P:

Noch einmal zu euch in Jerusalem:

Berührt hat mich, dass ihr die sieben Männer zuerst gesegnet habt, bevor ihr sie zu ihren neuen Aufgaben geschickt habt. Ich glaube, für euch war klar: Beides - den Menschen von Gott zu erzählen und sich um sie zu kümmern - steht unter Gottes Segen und braucht diesen auch.

Gottes Liebe ist wie eine tiefe, unergründliche Quelle: überströmend, niemals versiegend, Leben schenkend. Daraus schöpfen alle, egal ob sie andere von Gottes Liebe erzählen oder sie mit ihrem Tun Gottes Liebe spüren lassen. Untrennbar miteinander durch die Quelle verbunden.

L:

Füreinander und für andere da sein, das steht unter dem Segen Gottes. Das möchte Jesus von uns: Diakonie. Er versteht sie im Vollsinn des Wortes: Dem Wort Gottes und dem Nächsten dienen.

Dafür wünsche ich euch in Neuendettelsau Gottes Segen. Friede sei mit euch! Danke, dass ich bei euch sein durfte!

P:

Wir danken dir! Grüße die Gemeinde in Jerusalem herzlich von uns.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen



[1] Apg 5,32-34

[2] Apg 6,2-4

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