Predigt vom Sonntag Miserikordias Domini, 26. April 2020

Predigt zu 1. Petrus 2, 21b-25; Sonntag Miserikordias Domini, 26.04.2020, 9.30 Uhr; St. Laurentius, Neuendettelsau; Pfarrerin Karin Goetz

♫ Lied: 391 Jesu geh voran

Liebe Gemeinde,

Jesu geh voran.

Das bekannte Lied von Zinzendorf stimmt uns mit seinen Themen auf den Predigttext ein:

- Jesus als Vorbild, dessen Fußstapfen wir folgen sollen

- die Erfahrung von Unrecht, Leiden und Schmerzen auf unserem Lebensweg

- das Ertragen von Lasten und Trübsal mit Geduld

- und die Hoffnung auf Christus

Worüber uns Zinzendorf singen lässt, davon handelt der Predigttext aus dem 2. Kapitel des 1. Petrusbriefes. Bei der Revision der Predigttexte sind viele Texte verlängert worden. Dieser hier ist gekürzt worden. Gepredigt werden soll das, was Christus getan und unterlassen hat. Gepredigt werden soll die Heilsgeschichte der Karwoche.

Weggestrichen sind die dreieinhalb Verse davor, die erhellen, an wen sich der Briefeschreiber wendet und was er seinen Lesern rät.

Das Ganze ist nämlich eine Mahnung an die Christen, die ihr Dasein als Sklaven fristen müssen. Sie sollen sich ihren Herren unterordnen. Sie sollen das Unrecht geduldig tragen – das sei Gnade bei Gott. Dazu seien sie berufen. Das begründet der Briefautor folgendermaßen:

21 Auch Christus hat für euch gelitten und euch ein Vorbild hinterlassen, dass ihr sollt nachfolgen seinen Fußstapfen; 22 er, der keine Sünde getan hat und in dessen Mund sich kein Betrug fand; 23 der, als er geschmäht wurde, die Schmähung nicht erwiderte, nicht drohte, als er litt, es aber dem anheimstellte, der gerecht richtet; 24 der unsre Sünden selbst hinaufgetragen hat an seinem Leibe auf das Holz, damit wir, den Sünden abgestorben, der Gerechtigkeit leben. Durch seine Wunden seid ihr heil geworden. 25 Denn ihr wart wie irrende Schafe; aber ihr seid nun umgekehrt zu dem Hirten und Bischof eurer Seelen.

Herr, segne dein Wort an uns allen. Amen

Liebe Gemeinde,

zwei Wochen nach Ostern befinden wir uns noch mitten in der österlichen Freudenzeit. Da will ich meinen Ehrgeiz als Predigerin eigentlich darin setzen, den Osterjubel am Klingen zu halten – ganz besonders in diesem Jahr mit seinen großen Einschränkungen und Belastungen.

Aber dieser Abschnitt aus dem Petrusbrief stößt unsere Nase schon wieder mitten ins leidige Thema Leiden: Ungeschminkt spricht er von dem Unrecht, das rechtlose Menschen erdulden sollen. Unüberhörbar stellt er uns Jesu Leiden vor Augen.

Für den Autor des 1. Petrusbriefes ist Leiden die Grundsituation des Christseins schlechthin. Angesichts der prekären Lage der Christen in seiner Zeit ist Leiden der normale Alltag. Er will zeigen, wie die Christen im Leiden Trost und Hoffnung finden und überleben können. Er erklärt Leiden zur Berufung, ja, zur Gnade Gottes.

Zwei Wochen nach Ostern werden wir also wieder in die Passionszeit zurückversetzt – und das nur deshalb, weil im letzten Vers von Schafen und vom Hirten die Rede ist und heute der Hirtensonntag ist.

Dass das Thema Leiden zwei Wochen nach Ostern zur Unzeit wiederkommt, mag ärgerlich sein.

Wirklich schwierig wird es, wenn man die Mahnung zur Kenntnis nimmt, die nun weggestrichen worden ist: Alle Christen sollen sich unterordnen – ganz besonders die Sklaven. Unrecht geduldig ertragen. Respekt und Demut an den Tag legen, egal, wie bösartig und gemein das Gegenüber ist. Bloß nicht aufmucken.

Wenn man diese und andere Mahnungen im 1. Petrusbrief liest, dann versteht man, wie Friedrich Nietzsche christliche Moral für eine Sklavenmoral halten konnte.

Unrecht geduldig ertragen. Begründet ist diese Mahnung mit dem Vorbild, das Jesus am Gründonnerstag und Karfreitag gegeben hat. Er hat das Unrecht, das ihm widerfuhr, geduldig ertragen. Er hat die, die ihn beleidigt haben, nicht beschimpft oder bedroht. Jesus hat das, was er gepredigt hat, gelebt: Er hat auch die linke Wange hingehalten. Er hat seine Feinde so weit geliebt, dass er Gott um Vergebung für ihr Tun gebeten hat und sie Gottes gerechtem Urteil anvertraut hat.

Das ist wahr.

Aber wir wissen auch: Es ist nur die halbe Wahrheit. Es ist nur der halbe Jesus.

Jesus hat nicht immer nur still geduldet und Unrecht ertragen. Wie die alttestamentlichen Propheten hat er mit seinen Gegnern hart gestritten. Er hat lautstark und wirkungsvoll seine Stimme erhoben für die Armen und Kranken, für die Ausgegrenzten und Sünder. Entschlossen und kraftvoll hat er die Händler aus dem Tempel gefegt. Jesus fand deutliche Worte für Schriftgelehrte, Priester und für die Herrschenden, die ihre Völker niederhalten. Warum sonst hätte Jesus den Kreuzestod für politische Aufrührer sterben müssen?

Jesus hat beides getan: Er ist gegen Unrecht angegangen, und er hat Unrecht geduldig ertragen.

Beide Möglichkeiten liegen auch in uns. Beide Möglichkeiten sind schwierig.

Es kostet viel Kraft, Nerven und Durchhaltevermögen, sich gegen Unrecht zu wehren. Wer mit einem anderen im Streit liegt, wer gar einen Prozess führt, der weiß, wie sehr einen das belastet und beschäftigt. Tag und Nacht.

Genauso schwierig ist es, still zu halten und Unrecht geduldig zu erleiden.

Wir alle haben unsere Erfahrungen damit, wie sich das anfühlt,

- wenn uns andere klein machen und innerlich verletzen,

- wenn uns Falsches unterstellt wird,

- wenn Zugesagtes nicht eingehalten wird und wir betrogen werden,

- wenn andere mit ihrer Macht unser Leben in eine bestimmte Richtung zwingen.

Das ist schwer zu ertragen. Das lässt uns nicht zur Ruhe kommen. Unzählige Male wiederholen wir in unserem Innern, was uns widerfahren ist. Es nimmt unsere Gedanken in Haft, es entfesselt unsere Gefühle, es bindet all unsere Energie, es verletzt unsere Seele. Manchmal so sehr, dass wir den Rest unseres Lebens – bis zum Sterbebett - schwer an diesen Wunden tragen.

Wie kommen wir da halbwegs wohlbehalten wieder heraus? Wie können wir die sich im Kreis drehenden Gedanken anhalten? Wie können wir das erlittene Unrecht hinter uns lassen?

Unser Predigttext verweist uns ganz auf Jesus.

Unser Predigttext beginnt, indem er Jesus zum Vorbild erklärt, dessen Fußstapfen wir folgen sollen. Ein Vorbild ist einer, den ich bewundere, dem ich gerne nacheifern möchte.

Ein Vorbild zu haben, ist eine Kraft, die mich bewegen kann. Aber das bleibt meist doch eher im Gedanklichen und Theoretischen. Vor allem, weil es ganz auf mich und meine Kraft ankommt, ob ich meinem Vorbild wirklich folgen kann.

Lässt sich einer bis ins Mark erschütterte Seele durch ein Vorbild helfen? Daran zweifle ich.Ich glaube auch nicht, dass wir es wirklich oft schaffen, Jesu Fußstapfen zu folgen. Dafür sind sie zu groß. Dafür sind wir zu sehr Mensch. Und zu wenig Gott.

Unser Predigttext endet mit einem weiteren Verweis auf Jesus:

Jesus als der Hirte und Bischof unserer Seelen.

Das überzeugt mich mehr. Das klingt wärmer, kraftvoller und dringt tiefer, bis in mein Innerstes hinein, bis zu meinen aufgewühlten Gefühlen. Ein Hirte und Bischof meiner Seele kann das Hamsterrad meiner sich wiederholenden Selbstgespräche anhalten. Er kann meine Seele befreien, er kann Heilung bringen.

Jesus hat dazu die Fähigkeit, weil er weiß, was in mir vorgeht. Er weiß es, weil er es selbst in seinem Leben und in seinem Sterben erfahren hat. Weil er es selbst erlitten und überwunden hat.

Das ist eine Grunderfahrung im Leben: Wirklich verstanden werden wir nur von denen, die ein ähnliches Schicksal erlitten und überwunden haben. Sie können uns hilfreich begleiten und leiten. Sie können uns helfen, Trost und Hoffnung im Leiden zu finden und zu überleben.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft,

wird unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus bewahren.

♫ Lied: 274, 1-3 Der Herr ist mein getreuer Hirt

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