Predigt von Neujahr, 1. Januar 2020

Predigt zu Galater 4, 4-7; Neujahr, 1. Januar 2020, 9.30 Uhr; St. Laurentius, Neuendettelsau; Pfarrer Oliver Georg Hartmann

„Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt.“

Amen.

Lasst uns in der Stille um den Segen aus Gottes Wort beten. Amen.

Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder,

diese eine IKEA-Werbung stört mich wahnsinnig: Kurz nach Weihnachten fliegen wahllos Christbäume aus den Fenstern und ein Sprecher verweist auf das skandinavische Knuts-Fest. Die Schweden verabschieden sich von Weihnachten und machen – so die Logik des Möbelhauses – Platz für neue Möbel.

Das alles kurz nach dem 27. Dezember.

Ich kann das gar nicht verstehen. Ich mag die Weihnachtszeit: Die stille Zeit zwischen den Jahren: Die Wohnung verändert sich. Das Essen und die Naschereien sind besonders.Alte Texte, traditionelle Verhaltensweisen bekommen plötzlich eine unmittelbare Bedeutung: Diese Stimmung – singen, staunen, betrachten - möchte ich noch etwas erhalten.

Das haben auch unsere Mütter und Väter im Glauben gesehen. Nach dem kirchlichen Kalender dauert die Weihnachtszeit bis zum 2. Februar. Die Tage nach Weihnachten laden uns ein, die heilige und stille Zeit zu bedenken.

So auch unser heutiger Predigttext. Diese wenigen Verse enthalten die Weihnachtsgeschichte, wie Paulus sie seinen Gemeinden mitteilen will. Es gibt viele Weihnachtsgeschichten im Neuen Testament, nicht nur die beiden bekannten. Paulus erzählt die Weihnachtsgeschichte auf seine Weise, mit den ein wenig trockenen Worten eines Theologen, der sich angewöhnt hat, Wesentliches möglichst knapp zusammenzufassen.

Lasst uns noch einmal auf unsere heutige Epistel hören:

So steht geschrieben im Brief des Paulus an die Galater im 4. Kapitel:

4 Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und unter das Gesetz getan, 5 auf dass er die, die unter dem Gesetz waren, loskaufte, damit wir die Kindschaft empfingen. 6 Weil ihr nun Kinder seid, hat Gott den Geist seines Sohnes gesandt in unsre Herzen, der da ruft: Abba, lieber Vater! 7 So bist du nun nicht mehr Knecht, sondern Kind; wenn aber Kind, dann auch Erbe durch Gott.

Der Herr segne sein Wort an uns allen. Amen.

Liebe Gemeinde,

es ist Januar. In einer Stadt hat das Winterdorf den Weihnachtsmarkt abgelöst.

Die scheinbar vergangene Weihnachtszeit soll scheinbar noch etwas anhalten.

Das Winterdorf – eine Art Weihnachtsmarkt im Januar - funktioniert nach denselben Prinzipien: der typische Duftmix aus gebrannten Mandeln, Rostbratwurst, Glühwein und Pilzpfanne.

Am Abend baut sich die gemütlich-anheimelnde Atmosphäre auf. Es muss richtig dunkel sein, damit die unzähligen Lampen und Lämpchen, die Glitzersterne und der Laternenschmuck, das kleine Lichterdorf inmitten der Stadt seine Wirkung so richtig entfalten kann. Besondere Orte und besondere Zeiten verzaubern unsere Sinne.

Das Wechselspiel von Licht und Finsternis zaubert den gewünschten Schwebezustand. Der Alltag vergeht im Glanz der Lichter. Die Menschen haben auch im Januar eine tiefe Sehnsucht nach einer bleibenden, heiligen Zeit.

Weihnachten hat Konjunktur. Und doch wird Weihnachten immer wieder mit Kindheit verwechselt.

4 Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und unter das Gesetz getan, 5 auf dass er die, die unter dem Gesetz waren, loskaufte, damit wir die Kindschaft empfingen.

Auf dem Winterdorf kommen Menschen ins Gespräch. Ein Vater erzählt von seinem Heiligabend. Er berichtet:

Weihnachten ohne meine Kinder kann ich mir gar nicht mehr vorstellen. Ohne Kinder würde das ganze Weihnachtsfest keinen Sinn machen. Die strahlenden Augen, das gemeinsame Backen, die Lieder und alten Geschichten.

Weihnachten und Kindschaft gehören zusammen. Nur zur leicht jedoch wird aber aus der Weihnachtsgeschichte eine Kindergeschichte, aus der Weihnachtszeit Kinderzeit. Am Christabend dreht sich dann alles um den Nachwuchs, und wo keine Kinder im Hause sind, wird wehmütig an die schöne Kinderzeit gedacht: Da konnte ich mich noch überraschen lassen … da leuchteten noch die Augen.

Aber stimmt das wirklich? Und stimmt das überall?

Indem ich Weihnachten zu einem Kinderfest mache, baue ich nur allzu leicht Erinnerungen und Erwartungen auf, die dann bitter enttäuscht werden können.

Was tun, wenn sich keine rechte Freude einstellt, wenn das gute Porzellan zerbrochen und die Kinder doch nicht vorbeigekommen sind?

Zu leicht wird selbst das Weihnachtsfest zu einem Arbeitslager und ein mancher zum Sklave und Knecht seiner eigenen Wünsche nach Entspannung, Freude und Liebe.

Die Weihnachtsgeschichte belehrt uns nicht über den Zauber der Kinderzeit. Sie redet auch nicht von Eltern und Kindern, nicht von Vater- oder Mutterschaft, oder der Heiligen Familie als Vorbild einer geordneten Welt. Die Weihnachtsgeschichte gibt auch keinen Anlass, sich darüber zu ärgern, das Gott nun ausgerechnet „Vater“ heißt und nicht etwa „Mutter“ oder wie auch immer.

An Weihnachten geht es nicht um die besten Rezepte und die schönsten Lieder … all das gehört zu Weihnachten und macht unser Fest so reich. Den Kern des Weihnachtsfestes, das Geheimnis der Menschwerdung Gottes, trifft das nicht. Das entscheidende bleibt der Ruf, den uns Jesus vorgesprochen hat und in den wir einstimmen dürfen: Abba, lieber Vater!

Zwei Worte, die dasselbe bedeuten. Das erste stammt aus der Muttersprache Jesu, das zweite aus unserer Sprache. Dieser Ausruf gilt nicht jemandem, der fern ist und herbeigerufen werden müsste – nein: Gott wird angerufen, weil er da ist, weil er zu uns gekommen ist, als Kind in der Krippe.

Abba, Vater: Das ist der Ausruf des Staunens, der Überraschung über eine unerwartete Ankunft.

Das Winterdorf füllt sich. Die Lichter strahlen. Die Ahnung bleibt. Die Lichter allein können die Sehnsucht nicht stillen. Vielleicht räumen auch daher die schwedischen Möbelbauer ihren Christbaum so schnell wieder aus den Wohnungen. Sie haben vergessen, warum er da ist.

Glaube lebt von der Besinnung. Und vielleicht brauchen wir gerade in der Gegenwart die lange Weihnachtszeit, um immer wieder einmal an die Krippe in unserer Stube zu gehen, den Stern an der Decke zu betrachten oder mitten im Januar die schönen Weihnachtslieder zu singen.

Die Weihnachtsgeschichte ist die Vor- und Endgeschichte. Es ist kein Zufall, dass sie uns am Ende und Anfang unseres bürgerlichen Jahres begleitet. Sie erzählt vom Anfang und wie es dereinst werden soll, wenn wir selbst beim ewigen Vater stehen.

Für den christlichen Glauben und unser Leben reicht Weihnachten freilich nicht. Wie Gott wirkt, welche Erfahrungen das kleine Kind in der Krippe noch macht - dass alles wird erst noch passieren: von den Predigten am See Genezareth bis zum Tod am Kreuz.

Dass aber Gott vom Himmel zu Erde gekommen ist, im Kind in der Krippe, und für uns da ist, das ist der Kern der Weihnachtsbotschaft. Und diese Botschaft dürfen und sollten wir lange feiern.

Unsere Kindschaft dürfen wir uns alle Tage des Jahres ins Gedächtnis rufen, davon erzählen und uns vergewissern: Abba, lieber Vater! - selbst dann, wenn der Weihnachtsbaum schon auf der Straße liegt.

P Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

G Amen.

Verwandte und zitierte Literatur:

  • Vouga, François: An die Galater (HNT 10), Tübingen 1998. 
  • Lührmann, Dieter: Der Brief an die Galater (ZBK.NT 7), 2Zürich 1988.
  • Bezzel, Hermann: Dienst und Opfer. Ein Jahrgang Epistelpredigten (Alte Perikopen). 1. Teil: Die festliche Hälfte  des Kirchenjahres, Leipzig 1917, 65-74.
  • Sauter, Gerhard: 1. Weihnachtstag. Galater 4,4-7, in: Hören und Fragen. Eine Predigthilfe, hg. von Arnold  Falkenroth und Heinz Joachim Held, Neukirchen-Vluyn 1983, 257-264.
  • Fechtner, Kristian: Im Rhythmus des Kirchenjahres. Vom Sinn der Feste und Zeiten, Gütersloh 2007.
  • „Ja, war denn schon Weihnachten? Das Fest ist vorbei, aber es riecht allerorts weiter nach Glühwein. Kein Wunder: Der Trend geht zum ganzjährigen Christkindlmarkt.“, zu finden auf: www.sueddeutsche.de-/reise/ende-der-reise-ja-war-denn-schon-weihnachten-1.3801773.
  • Kumlehn, Martina: Weihnachtsmärkte. Ewigkeitsglanz in grauer Zeit als Inszenierung der Sehnsucht, in: Valentin, Halloween & Co. Zivilreligiöse Feste in der Gemeindepraxis, hg. von Thomas Klie, Leipzig 2006, 207-223.

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