Predigt vom Dienstag, 21.01.2020, Gebetswoche Einheit der Christen

Predigt zu Apostelgeschichte 27,18 - 28,10; Dienstag, 21.01.2020, 18.00 Uhr; St. Laurentius, Neuendettelsau; Pfarrer Dr. Peter Munzert

Gebetswoche Einheit der Christen 2020

„Sie waren uns gegenüber ungewöhnlich freundlich“ (Apg 27,18 – 28,10)

Liebe Schwestern und Brüder,

liebe Freunde der Ökumene,

die Geschichte, die wir als Lesung gehört haben, beginnt damit, dass Paulus als Gefangener nach Rom gebracht wird (Apg 27,1ff). Paulus liegt in Ketten, aber selbst auf einer Reise, auf der noch viele Gefahren drohen sollten, geht das Werk Gottes durch ihn weiter.

Die Passagiere auf dem Schiff sind den Mächten des Meeres und des starken Sturms, der um sie herum tobt, ausgeliefert. Diese Mächte tragen sie in ein unbekanntes Land, in dem sie verloren und ohne Hoffnung sind.

Die 276 Menschen an Bord des Schiffs lassen sich verschiedenen Gruppen zuordnen. Der Hauptmann und seine Soldaten haben Macht und Autorität, sind aber auf das Können und die Erfahrung der Matrosen angewiesen. Obwohl alle Angst haben und in Gefahr schweben, sind doch die angeketteten Gefangenen diejenigen, die das größte Problem haben. Ihr Leben zählt nichts. Sie laufen Gefahr, allesamt umgebracht zu werden. Im weiteren Verlauf der Geschichte führen der Druck und die Angst um das eigene Leben dazu, dass Misstrauen und Argwohn zwischen den verschiedenen Gruppen wachsen und die Kluft zwischen ihnen tiefer wird.

Paulus wirkt in diesem Aufruhr wie ein Ruhepol. Er weiß, dass ein Leben nicht durch Mächte gesteuert wird, denen sein Schicksal gleichgültig ist, sondern dass es in Gottes Hand liegt, dem er gehört und dem er dient (vgl. 27,23). Sein Glaube bestärkt ihn in der Zuversicht, dass er vor dem Kaiser in Rom stehen wird, und in der Kraft dieses Glaubens kann er vor seinen Reisegefährten stehen und Gott danken. Alle werden dadurch ermutigt. Paulus wird ihnen zum Vorbild, sie vertrauen seinen Worten.

Der Hauptmann hatte entschieden, bei schlechtem Wetter in See zu stechen. Während des Sturms trafen die Matrosen Entscheidungen, wie das Schiff zu steuern sei. Am Ende werden ihre Pläne jedoch durchkreuzt, und nur weil sie zusammenbleiben und den Schiffbruch zulassen, werden sie schließlich aufgrund der göttlichen Vorsehung gerettet. Das Schiff und die ganze wertvolle Ladung sind verloren, aber das Leben aller an Bord wird gerettet werden, denn „keinem von euch wird auch nur ein Haar von seinem Kopf verloren gehen“, verheißt ihnen Paulus (Apg 27,34; vgl. Lk 21,18).

Die komplette Schiffsbesatzung strandet „auf einer Insel“ (27,26). Die 276 sind nun nicht mehr den Naturgewalten ausgeliefert, sondern sie sind in Gottes Hand. Das fremde Volk kümmert sich liebevoll um sie. Sie frieren, sind durchnässt und können sich nun am Feuer wärmen und trocknen. Sie sind hungrig und bekommen nun etwas zu essen. Sie sind geschützt, bis sie ihre Reise sicher fortsetzen können.

WAS FOLGT DARAUS FÜR UNS UND DIE ÖKUMENE HEUTE?

1. Auch wir müssen Last/Ballast über Bord werfen

Als Christen aus verschiedenen Kirchen und Traditionen haben wir im Lauf der Jahrhunderte viel Ballast angesammelt, der aus gegenseitiger Missgunst, Bitterkeit und Argwohn besteht. Wir danken dem Herrn für die Entstehung und das Wachstum der Ökumenischen Bewegung im vorigen Jahrhundert. Unsere Begegnungen mit Christen aus anderen Traditionen und unser gemeinsames Gebet für die Einheit der Christen ermutigen uns, einander um Vergebung zu bitten, Versöhnung zu suchen und einander anzunehmen. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Lasten der Vergangenheit uns daran hindern, einander näherzukommen. Gott will, dass wir um seinetwillen loslassen, was uns gegenseitig belastet.

2. Wir müssen das Licht Christi suchen und leuchten lassen

Christus ist unser Licht und weist uns den Weg. Ohne das Licht und die Führung Christi verlieren wir die Orientierung. Wenn wir Jesus Christus und seine Botschaft aus dem Blick verlieren, wachsen Angst und Spannungen unter uns. Darüber hinaus können viele Menschen guten Willens außerhalb der Kirche das Licht Christi nicht sehen, weil wir Christen mit unseren Spaltungen das Licht Christi verdunkeln oder zuweilen sogar ganz auslöschen. Wenn wir das Licht Christi suchen, wenn wir radikal ihn und seine Botschaft in die Mitte stellen, kommen wir einander näher und spiegeln dieses Licht dadurch deutlicher wider. So werden wir wahrhaft ein Zeichen Christi, der das Licht der Welt ist.

3. Die Hoffnung nicht verlieren

Wir gehören christlichen Kirchen und Traditionen an, die noch nicht ganz miteinander versöhnt sind. Oft sind wir entmutigt, weil es auf dem Weg zur sichtbaren Einheit keine Fortschritte zu geben scheint. Manche haben die Hoffnung ganz aufgegeben und meinen, es sei unmöglich, dieses Ziel zu erreichen. Andere vertreten sogar die Auffassung, dass sichtbare Einheit nicht notwendig zum christlichen Glauben gehöre.

Wir beten heute auch für das Geschenk der „Sichtbaren Einheit in versöhnter Verschiedenheit“ mit festem Glauben, mit ausdauernder Geduld und mit erwartungsvoller Hoffnung und vertrauen dabei auf die liebende Fürsorge Gottes. Der Herr selbst betet für die Einheit der Kirche, und er begleitet uns auf diesem Weg. Wir werden nicht in die Irre gehen. Der Heilige Geist wird uns diese Einheit eines Tages schenken.

4. Vertrauen auf Gott

Während des Sturmes strahlte Paulus Zuversicht und Hoffnung aus. Er widersprach damit der Angst und Verzweiflung seiner Mitreisenden. Unsere gemeinsame Berufung, Jüngerinnen und Jünger Jesu Christi zu sein, birgt ebenfalls ein Zeichen des Widerspruchs in sich. In einer von Ängsten zerrissenen Welt sind wir berufen, Zeugen der Hoffnung zu sein, indem wir unser Vertrauen auf Gottes liebende Fürsorge setzen. Die christliche Glaubenserfahrung lehrt uns, dass Gott auch auf krummen Zeilen gerade schreibt. Wir wissen, dass wir allen Widrigkeiten zum Trotz nicht ertrinken oder in die Irre gehen werden, denn Gottes Liebe ist unverbrüchlich und bleibt für immer.

5. Kraft tanken – Brot für die Reise brechen

Paulus fordert die Passagiere des Schiffes auf, zu essen und ermahnt sie damit zugleich, sich für die kommenden Ereignisse zu stärken. Dass sie das Brot nehmen, deutet auf einen Wandel ihrer Haltung hin: Mut tritt an die Stelle von Verzweiflung. Ähnlich ist es mit der Eucharistie oder dem Abendmahl. Hier empfangen wir Nahrung für unseren Weg und können uns neu orientieren auf ein Leben in Gott. Die Eucharistie gibt uns Kraft. Durch das Brechen des Brotes werden wir gestärkt, so dass wir unseren Glauben leben und unseren christlichen Dienst ausüben können. Wir warten sehnsüchtig auf den Tag, an dem alle Christinnen und Christen sich gemeinsam um den einen Tisch des Herrn versammeln und durch das eine Brot und den einen Wein gestärkt werden.

6. Die Gastfreundschaft – „ungewöhnlich freundlich sein“

Die Reisenden, die nach den Schrecken und den Konflikten während des Sturms auf dem Meer an der Küste gestrandet sind, erfahren die konkrete Hilfe der Inselbewohner als ungewöhnliche Freundlichkeit.

Das Evangelium lehrt uns, dass die Liebe Christi selbst sichtbar wird, wenn wir denen helfen, die in Not sind (vgl. Mt 25,40). Wenn wir den Schwachen und Entrechteten mit Liebe und Freundlichkeit begegnen, gleichen wir unser Herz dem Herzen Gottes an, dessen Herz für die Armen schlägt. Fremde willkommen zu heißen, unabhängig davon, ob sie einer anderen Kultur oder Religion angehören, Migranten oder Flüchtlinge sind, heißt, Christus selbst zu lieben und so zu lieben, wie Gott liebt. Als er als Kleinkind vor Herodes nach Ägypten fliehen musste, teilte Jesus ein Flüchtlings- und Asylantenschicksal.

Als Christen sind wir berufen, in der Kraft des Glaubens hinauszugehen und mit Gottes alles umfassender Liebe auf andere zuzugehen, auch auf die, die zu lieben uns schwerfällt.

7. Unsere Herzen und Gedanken verändern lassen

Als die Einheimischen erkannten, das ihr erster Eindruck, Paulus sei ein Mörder, falsch war, änderten sie ihre Meinung über ihn. Sie sehen die Dinge in einem neuen Licht. In unserer Suche nach Einheit und Versöhnung sind wir oft herausgefordert, unser Urteil über andere Traditionen und Kulturen zu überdenken. Dies erfordert eine dauernde Umkehr zu Christus, durch die die Kirchen lernen, die anderen nicht mehr als Bedrohung wahrzunehmen. Dann werden wir unsere abschätzige Sicht der anderen hinter uns lassen, und wir werden der Einheit näherkommen.

Liebe Schwestern und Brüder,

lasst uns alles in unserer Macht stehende tun, die Gräben der vergangenen 500 Jahre (mit Blick auf unsere orthodoxen Geschwister der vergangenen 1000 Jahre), zuzuschütten und Brücken des Glaubens und der Liebe zueinander zu bauen.

Beten wir, dass Gott uns die „Sichtbare Einheit in versöhnter Verschiedenheit“ schenken kann und durch den Heiligen Geist auch schenken wird. Amen.

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