Predigt von Epiphanias, 06.01.2020

Liedpredigt über „Es ist ein Ros‘ entsprungen“, EG 30, Strophen 1-3; Epiphanias, 06.01.2020, 9.30 Uhr; St. Laurentius, Neuendettelsau; Pfarrerin Dr. Gabriele Hoerschelmann

Liebe Gemeinde,

Ein Spaziergang im Park. Obwohl am frühen Nachmittag, ist der Gedanke vom „helllichten Tag“ weit entfernt. Der Tag kommt kaum aus der zwielichtigen Dämmerung heraus. Wir gehen an dem stillgelegten Springbrunnen vorbei und bleiben am Rosenbeet stehen. Inzwischen sind auch die letzten standfesten Rosen verblüht. Alles ist kahl, und nur die dornigen Rosenzweige strecken ihre Arme in den Himmel. Der Frost hat die Spitzen schon braun gefärbt. Man kann sich nur schwer vorstellen, wie leuchtend hier alles im Sommer geblüht hat. Ein Meer von Farben in Rot und Pink, in Gelb und Weiß. Ein Potpourri von blumigen Düften. Alles ein Ausdruck von Leben in Fülle. Ein Überschwang an Lebenslust und Freude. Aber jetzt? Jetzt ist alles kahl, dunkel und sieht aus wie abgestorben. Die Phantasie hat Mühe, diesen Kontrast zusammenzubringen.

Wir singen gemeinsam den ersten Vers des Liedes Es ist ein Ros entsprungen:

Es ist ein Ros entsprungen, aus einer Wurzel zart, wie uns die Alten sungen, von Jesse kam die Art und hat ein Blümlein bracht mitten im kalten Winter wohl zu der halben Nacht.

Mitten im kalten Winter blüht eine Rose auf. Dieses Symbol des Neuanfangs und der Hoffnung fühlt sich geradezu wie ein Wunder an. Und weil es eben so unerwartet und schwer vorstellbar ist, ist seine Strahlkraft nur umso stärker.

Im 16. Jahrhundert wurden die Worte dieses Liedes zum ersten Mal im Raum Trier formuliert. Seitdem hat dieses Lied seinen Eingang in das kirchliche Liedgut vieler Länder und Kirchen gefunden. Es wird in England genauso gesungen wie in Frankreich oder in unseren Partnerkirchen in Brasilien, in Hongkong und in Tansania. Das Bild der hoffnungsverheißenden Rose ist überall auf der Welt nachvollziehbar und ist somit international geworden.

Eine blühende Rose mitten in Zeiten der Kälte wurde zu einem Symbol für das Leben mitten in Zeiten des Todes und der Hoffnungslosigkeit. Dies sind die Bilder, die wir Menschen brauchen, egal, in welcher Epoche wir leben und egal, mit welcher Art von Hoffnungslosigkeit wir uns herumschlagen. Ob dies eine Hoffnungslosigkeit ist, die familiär begründet ist oder die in einer Krankheit Gestalt angenommen hat. Ob es eine Hoffnungslosigkeit ist, die ein ganzes Land aufgrund einer schwierigen politischen Situation erfasst hat oder ob sie eine ganze Generation betrifft, die mit gesellschaftlichen Problemen hadert.

Symbole der Hoffnung geben uns den Mut, den Blick über das Dunkel hinaus zu wagen. Sie begründen in uns das Wissen, dass es ein Licht am Ende der Nacht gibt und einen Sommer nach jedem Winter.

Die zweite Strophe verrät dann aber auch schon, woher diese Kraft kommt.

Wir singen die zweite Strophe:

Das Blümlein das ich meine, davon Jesaja sagt, hat uns gebracht alleine Marie, die reine Magd; aus Gottes ew‘gem Rat hat sie ein Kind geboren, welches uns selig macht.

Eine noch viel ältere Tradition wird hier verkündet. Schon der Prophet Jesaja hat von der Hoffnung auf Erlösung in Zeiten der Hoffnungslosigkeit gesprochen. In den Erzählungen der Bibel wandert das Gottesvolk immer wieder durch Rhythmen der Hoffnungslosigkeit und sucht nach Erlösung aus seiner gegenwärtig ausweglosen Situation. Ob dies der Auszug aus einem unterdrückerischen Ägypten ist, die Verschleppung der Israeliten nach Babylon oder die Besetzung durch die fremden Herrscher aus Rom. Die Verheißung in den Worten Jesajas wurde von Generation zu Generation weitergegeben, um die Hoffnung als Antriebskraft für das Gute nicht zu verlieren.

Angesichts der Geburt Jesu wird diese Verheißung nun tatsächlich wahr und nimmt Gestalt an. Zunächst einmal wird sie wahr in der Gestalt der Maria, einer jungen Frau in der Blüte ihres Lebens. Über Maria ist schon viel in der kirchlichen Tradition nachgedacht worden: Sie war eine sehr junge Frau, noch nicht verheiratet, aber verlobt, und bringt die ungeheure Kraft auf, ein Kind zur Welt zu bringen und aufzuziehen, von dem ein Engel ihr sagt: „Fürchte dich nicht Maria, du hast Gnade bei Gott gefunden. Siehe du wirst einen Sohn gebären, und du sollst ihm den Namen Jesu geben. Der wird groß sein und ein Sohn des Höchsten genannt werden; und Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben, und er wird König sein über das Haus Jakob in Ewigkeit, und sein Reich wird kein Ende haben.“ (Lukas 1, 30-32)

Maria selbst erschrickt in der Erzählung des Lukas über diese Worte und fragt sich vor allem eines: „Wie soll das zugehen?“ Aber der Engel verheißt ihr die Kraft und den heiligen Geist Gottes, der mit ihr sein wird. Das Unglaubliche wird Wirklichkeit werden, fast wie eine Rose im Winter. Und es geschieht alleine aus der Kraft Gottes.

Später wird dieses Kind der Erlöser sein und man wird sagen, dass schon viele Generationen vorher der Prophet Jesaja von seinem Kommen gesprochen habe.

Wir singen die dritte Strophe:

Das Blümelein so kleine, das duftet uns so süß; mit seinem hellen Scheine vertreibt’s die Finsternis. Wahr‘ Mensch und wahrer Gott, hilft uns aus allem Leide, rettet von Sünd und Tod.

Ein kleines Kind am Anfang einer großen Geschichte. Ein Reis, der hervorgeht aus einem Stamm, ein Zweig aus einer Wurzel. „Alles muss klein beginnen“, heißt es in einem Kinderlied, „und später wird es groß“. Kleinen Anfängen trauen wir jedoch oft wenig zu. Ein Baby löst bei uns zunächst einmal eher den Beschützerinstinkt aus, als dass wir ihm Großes in seinem Leben zutrauen würden.

Aber was kommt da nicht noch alles: Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst. Es wird um die ganz großen Themen der Welt im Leben dieses kleinen Kindes gehen, das da noch schutzlos und verletzlich in einer Krippe in irgendeinem Stall irgendwo draußen auf den Feldern von Bethlehem liegt. Von ihm wird erwartet, dass es den Frieden bringt, nach dem sich Menschen in allen Generationen so sehr sehnen. Im vergangenen Jahr 2019 war die Suche nach Frieden der Kern unserer Jahreslosung „Suchet den Frieden und jaget ihm nach!“ - Wir sind wieder daran erinnert worden, dass sich Frieden nicht automatisch von alleine einstellt, sondern dass er ein wertvolles und zerbrechliches Gut ist. Es gehört viel Anstrengung und Geschick dazu, den Frieden zu erhalten oder in einer verstrickten Situation den Frieden herzustellen.

Zum Frieden gehören jedoch uneingeschränkt Recht und Gerechtigkeit. Auch für Jesaja war das klar. In seiner Verheißung heißt es: „(…) auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich, dass er’s stärke und stütze durch Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit.“

Recht und Gerechtigkeit sind die Garanten für den Frieden. Nur auf einer Rechtsgrundlage, die Gerechtigkeit gewährleistet, kann dauerhaft Friede herrschen.

Im zurückliegenden Jahr 2019 haben wir uns an das Ende des Ersten Weltkrieges erinnert. Die Welt lag damals in Trümmern und sollte sich so schnell nicht davon erholen. Es hat noch fast ein Jahrhundert gedauert, um das umzusetzen, wovon die Menschen damals geträumt haben. Wir haben im Blick auf die Geschichte auch gelernt, dass Frieden einem nicht in den Schoß fällt. Frieden zu bekommen und zu erhalten ist harte Arbeit und braucht Recht und Gerechtigkeit als Stützen.

Politische Führungsfiguren bieten sich hier immer wieder als Gewährleister an, mal mehr, mal weniger erfolgreich. An Weihnachten werden wir jedoch daran erinnert, dass es nur das Kind in der Krippe sein kann, das uns die Finsternis vertreibt. Nur Jesus, von Maria geboren und aufgezogen, kann uns mit Hoffnung und der Sehnsucht auf den Frieden ausstatten, den alleine Gott gibt. Und so werden wir an Weihnachten immer wieder an die Krippe gerufen, um das Kind darin zu betrachten. Es gibt uns die Botschaft von der Zuversicht mit, dass aus kleinen Anfängen Großes werden kann, dass eine Rose entspringt, mitten im kalten Winter, und von der Hoffnung auf Frieden und Gerechtigkeit kündet.

Amen.

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