11-Uhr-Andacht am 19. März 2020

Ansprache zu Psalm 145,15; 11-Uhr-Andacht am Donnerstag, 19. März 2020; St. Laurentius, Neuendettelsau, Pfarrer Oliver Georg Hartmann

Aller Augen warten auf dich, und du gibst ihnen ihre Speise zur rechten Zeit.

Wir werden in diesen Tagen gezwungen, zu warten. Vieles Schöne, uns Vertraute und Liebe, können wir nicht durchführen. Warten – das kann furchtbar sein. Warten, das ist nicht nur täglich ein Türchen am Adventskalender öffnen und sich gedulden bis zu den Geschenken am Heiligen Abend. Warten - das wissen Kinder wie Erwachsene - warten, das kann gerade in diesen Tagen große Schmerzen bereiten.

Aller Augen warten auf dich, und du gibst ihnen ihre Speise zur rechten Zeit. Die Bibel ist voller Geschichten vom Warten. Kinderlose warten darauf, endlich schwanger zu werden. Menschen werden getrennt durch List, Flucht, Deportation und Krieg. Sie vermissen einander. Liebenden werden lange Wartezeiten auferlegt, bis sie zusammenkommen können. Und alle warten auf den Messias. Den Retter der Welt, den Gott versprochen hat. Mit ihm soll alles anders, alles gut werden. Warten ist Christ-Sein. So gesehen ist Warten christliches Leben durch und durch.

Warten kann jedoch auch etwas anderes bedeuten: Warten kann auch heißen, auf etwas Acht zu haben, etwas zu pflegen. Und vielleicht kann gerade in einer Zeit des Wartens das Warten wieder ganz neu entdeckt und ganz neu gepflegt werden: Die Freude, wenn Mama und Papa endlich wieder zu Hause sind, wenn der Schichtwechsel gut funktioniert, wenn das Telefon klingelt oder wenn ich endlich einen lange aufgeschobenen Anruf in Angriff nehme.

Aller Augen warten auf dich, und du gibst ihnen ihre Speise zur rechten Zeit. Das Warten kann richtig nerven. Die Warterei kann uns aber auch sensibel machen. Vielleicht entdecke ich, wenn das Warten in unserm Land wieder vorbei ist, etwas, das ich auch weiterhin oder auch ganz neu pflegen möchte.

Amen.