Ein Auslandspraktikum während der Ausbildung zum Heilerziehungspfleger: Die Fachschule Himmelkron macht es möglich

Zwei Schülerinnen und ein Absolvent berichten von ihren Erfahrungen

Die Fachschule für Heilerziehungspflege Himmelkron ermöglicht seit 2009 ihren Schülerinnen und Schülern im Rahmen des Projektes Erasmus+ die Teilnahme an einem dreiwöchigen Praktikum im europäischen Ausland. Ziel ist es, einen Blick über den Tellerrand zu werfen und die Arbeitsweise von Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen im Ausland kennenzulernen.
Die Auslandspraktika erfolgten bisher in der Schweiz und in Österreich, aber auch in europäischen Ländern, deren Sprache man nicht unbedingt spricht: in Irland, Finnland, Zypern, Ungarn, Polen, Spanien und in der Türkei.

Die Gesprächspartner:

  • Carolin Bätz und Kristin Schott waren im Juni 2019 gemeinsam für drei Wochen im irischen Sligo, der Hauptstadt der Grafschaft County Sligo.
  • Der Aufenthalt von Niklas Büchel im finnischen Järvenpää liegt drei Jahre zurück. Er arbeitet mittlerweile als Heilerziehungspfleger.
  • Projektkoordinatorin an der Fachschule ist Anja Winkler.

Ulrike Englmann hat die drei Fachschüler gefragt, wie es ihnen während ihrer jeweiligen Auslandsaufenthalte ergangen ist und welche Erfahrungen sie gesammelt haben.


Auszubildende Heilerziehungspflege Bayreuth
Niklas, Carolin und Kristin (v.li.) von der Fachschule für Himmelkron haben ein Auslandspraktikum absolviert. Sie berichten von ihren Erfahrungen. © Englmann

Carolin Bätz / Kristin Schott: Unser Aufenthalt wurde von ARBEIT und LEBEN in Bayern organisiert. Die Gastfamilie zu der wir kamen, erwartete uns schon und mit uns im Haus lebte noch eine weitere Auslandspraktikantin aus Deutschland, so dass wir gleich Anschluss hatten und gut zurechtkamen.

Niklas Büchel: Bei mir war das damals viel abenteuerlicher. Ich wusste zwar, in welcher Einrichtung in Järvenpää ich arbeiten würde, aber ich konnte vorab gar keine Unterkunft buchen. Ich hatte von der Einrichtung die Auskunft bekommen, ich sollte einfach kommen, der Rest würde dann schon organisiert werden, also buchte ich nur den Flug. Am Flughafen holte mich dann eine Mitarbeiterin ab und die ersten Tage übernachtete ich bei ihr zuhause, bis ich ein Zimmer in einem Wohnheim für verhaltensauffällige Jugendliche bekam. Im Grund war es dann ganz unkompliziert. Die Leute machen dort nicht so viele Umstände.


Wie werden die Schülerinnen und Schüler ausgewählt?

Anja Winkler: In jedem Schuljahr findet ein Auswahlverfahren statt, im Rahmen dessen die Bewerberinnen und Bewerber ein Motivationsschreiben verfassen und nach ihrer Eignung ausgewählt werden. Unsere Schülerinnen und Schüler sind sich dessen schon bewusst, dass so ein Praktikum auch ein Repräsentationsauftrag für unsere Fachschule ist und dementsprechend vertreten sie uns im Ausland auch - was uns immer sehr freut.


Wer übernimmt die Kosten für die Aufenthalte und wer kümmert sich um die Organisation?

Anja Winkler: Die Kosten für den Aufenthalt werden von der Europäischen Union übernommen. Von der Schule aus haben wir viele der Einrichtungen inzwischen vor Ort besucht, so dass wir die Lage dort einschätzen können. Die Fachschüler und Fachschülerinnen sind aber selbst für die Organisation ihres Aufenthalts, die Unterkunft und den Flug verantwortlich. Natürlich unterstützen wir sie von der Schule aus soweit wir können.

Auslandspraktikum Heilerziehungspflege Erfahrungen
Carolin und Kristin nutzen ihre Freizeit für Ausflüge in Irland. © privat


Was hat Sie dazu bewogen, sich für das Praktikum zu bewerben?

Carolin Bätz: Ganz grundsätzlich reise ich gerne und bin offen für Neues. So interessiert es mich natürlich auch, wie die Arbeit mit Menschen mit Behinderungen in anderen Ländern aussieht.

Kristin Schott: Ich war schon einmal im Urlaub in Irland und war ganz begeistert von dem Land. Die Menschen sind freundlich und irgendwie offener als hier. Ich wollte sehen, ob das auch einen Einfluss auf die Arbeitsweise hat. Wir wollten das auch gerne zusammen machen und so haben wir uns Irland gezielt ausgesucht.

Niklas Büchel: Mir ging es ganz ähnlich, Finnland hat mich interessiert.


In welchen Einrichtungen haben Sie gearbeitet und was haben Sie dort genau gemacht?

Carolin Bätz: Wir waren in einem Zentrum für Kinder mit Autismus zwischen sieben und zwölf Jahren in der Nachmittagsbetreuung ab 13 Uhr eingesetzt. Wir waren ganz schnell mittendrin und wurden an allem beteiligt. Die Kinder wurden von der Schule abgeholt und nachmittags in die Einrichtung gebracht.

Kristin Schott: Wir konnten an dem gesamten Angebot für die Kinder mitarbeiten, vom Basteln über Yoga, Schwimmen, Reiten bis hin zu Theaterspielen. Wirklich beeindruckend war, dass dort mit einem 1:1 Betreuerschlüssel gearbeitet wird. Es gibt viele Helfer und Ansprechpartner, das macht das Arbeiten wirklich interessant und man kann viel erreichen. Jeden Abend wurde für jedes Kind eine Dokumentation erstellt und festgehalten, was den Tag über geschehen ist. Außerdem habe ich bisher gar nicht mit Kindern, sondern nur mit Erwachsenen gearbeitet und auf diese Weise noch einmal ein ganz neues Arbeitsfeld kennengelernt.

Niklas Büchel: Ich war in einer Einrichtung für Menschen mit Behinderungen in Järvenpää, das liegt ca. 50 Km nördlich von Helsinki. Die Einrichtung war wie ein Campus aufgebaut und die Menschen mit Behinderungen konnten sich an verschiedenen Arbeitsgruppen beteiligen, je nach dem Grad ihrer Behinderung und ihrem persönlichen Interesse. Auch für mich war es einfach, mich dort hineinzufinden.
Ich konnte mit in die verschiedenen Gruppen gehen, z. B. in die Kfz-Werkstatt oder zum Arbeiten am Computer und dort jeweils helfen. Ich war sofort akzeptiert. Am Anfang war der Einrichtung nicht ganz klar, was ein Heilerziehungspfleger in Deutschland eigentlich macht und so wurde ich zunächst als Lehrer eingeteilt, aber als das geklärt war, wurde ich „practical nurse“ und konnte mit den Leuten im Projekt arbeiten.
Diese Einrichtung betreut über 500 Menschen mit Behinderungen, das ist riesig. Aber die Mitarbeitenden dort sind mit moderner Technik ausgestattet, jeder hat ein Diensthandy und WLAN und z. B. über Veränderungen in der Raumbelegung wird man über eine App informiert.
Meine Arbeitszeit war von 8-16 Uhr.

Wie kamen Sie mit der Sprachbarriere zurecht?

Niklas Büchel: Das war überhaupt kein Problem, da kann ich wohl für uns alle drei sprechen. Mit Englisch kam man gut zurecht. In Irland geht das ohnehin, aber auch in Finnland war das gut möglich.

Auszubildende der  Heilerziehungspflege unterwegs
Der Weg ist das Ziel: Während des Auslandspraktikums haben die Schülerinnen der Heilerziehungspflege zahlreiche Eindrücke gesammelt. © privat


Konnten Sie dort noch etwas anderes machen außer arbeiten? Haben Sie etwas vom Land gesehen?

Carolin Bätz / Kristin Schott: Vor Ort hatten wir einen Ansprechpartner von der Organisation ARBEIT und LEBEN. Bei dem konnten wir uns immer melden und z. B. an Ausflügen in die Umgebung teilnehmen. Wir haben das auch fast jedes Wochenende genutzt.
Die Arbeitszeit war nachmittags von 13-18 Uhr und so hatten wir alle Vormittage und Wochenenden zur Verfügung, um uns in der Umgebung umzusehen. Wir waren am Strand, in verschiedenen Museen, sind gewandert und waren auch einmal in Dublin, Derry und in Galway. Wir haben schon einen breiten Eindruck von Irland bekommen.

Niklas Büchel: Bei mir war es ein bisschen anders, ich hatte ja alles allein organisiert. Aber die Arbeitskollegen waren unglaublich freundlich und kommunikativ. Sie nahmen mich einfach zu allem mit, was sie selber machten, zu Einladungen, zum Essen oder zu privaten Treffen. So habe ich Einblick bekommen in die Lebensweise in Finnland. Ich konnte auch einen Ausflug nach Helsinki machen. Alles in allem ist Finnland unglaublich teuer. Ich war froh, dass ich in der Mensa der Einrichtung kostenfrei essen konnte.

Was hat Sie während Ihres Aufenthalts am meisten beeindruckt?

Carolin Bätz / Kristin Schott: Uns hat die Freundlichkeit der Menschen beeindruckt. Wir waren sofort vollwertiger Teil der Mitarbeitergemeinschaft und hatten unsere Aufgaben. Vieles ist dort selbstverständlicher und lockerer als bei uns, das hat uns schon gut gefallen.

Niklas Büchel Wirklich beeindruckt hat mich die Art und Weise, wie in Finnland mit Menschen mit Behinderungen umgegangen wird. Das ging dort viel leichter, die Menschen sind offener. Man spricht nicht so viel über Inklusion. Es ist einfach selbstverständlich, dass z. B. an einem Ferienlager auch Menschen mit Behinderungen teilnehmen. Unternehmen haben in Finnland gar nicht die Möglichkeit, eine Ausgleichsabgabe zu bezahlen, sie sind verpflichtet, Menschen mit Behinderung zu beschäftigen.

Würden Sie gerne längerfristig im Ausland arbeiten?

Carolin Bätz / Kristin Schott / Niklas Büchel: Da sind wir uns alle drei einig: Für ein oder zwei Jahre würden wir schon ins Ausland gehen, aber nicht dauerhaft. Dazu sind wir in Deutschland viel zu sehr verwurzelt. Aber wir möchten auf jeden Fall all das, was wir an Neuem gelernt haben, hier in unsere Arbeit einbringen.


Welche Bedeutung hat das Projekt für die Fachschule Himmelkron?

Anja Winkler: Zum einen freuen wir uns natürlich, dass wir unseren Fachschülerinnen und Fachschülern so eine Möglichkeit bieten können, die auch gerne wahrgenommen wird und zur Meinungsbildung und Erweiterung des eigenen Horizonts beiträgt. Zum anderen profitiert auch die Schule selbst von dem neuen Wissen und den Erfahrungen, die die Schülerinnen und Schüler im Ausland erwerben.
Sie bringen neue Ideen mit, lernen neue Strukturen kennen und all das fließt als Ergänzung in den Unterricht ein. Seit 2009 haben wir fast 30 Schülerinnen und Schüler ausgesandt.
„Die Schülerinnen und Schüler kommen mit vielfältigen Erfahrungen zurück, lernen bisher unbekannte pädagogische Konzepte kennen und können ihre interkulturellen Kompetenzen stärken." 
Am Ende des Aufenthalts erstellt dann jeder Teilnehmer eine Präsentation, in der das Erlebte reflektiert wird und in der Folge auch immer wieder andere Schülerinnen und Schüler für eine Teilnahme am Programm begeistert“, fügt sie hinzu. 

Mehr erfahren: Die Fachschule für Heilerziehungspflege Himmelkron

Die Fachschule für Heilerziehungspflege/-hilfe befindet sich in Himmelkron und wird vor allem von Schülern aus Oberfranken, speziell aus der Region um Kulmbach und Bayreuth besucht.
Unserer Schule ist ein Internat angegliedert, das den Schüler/-innen günstigen Wohnraum anbietet. Außerdem ist unsere Schule AZAV-zertifiziert, d. h. Bildungsgutscheine der Arbeitsagentur zur Ausbildungsförderung können genutzt werden - interessant für Umschüler und Quereinsteiger.

Kontakt
Fachschule für Heilerziehungspflege und Heilerziehungspflegehilfe
95502 Himmelkron
Tel.: 09227 79 781
E-Mail: fs-hep-himmelkron@diakoneo.de

www.fachschule-himmelkron.de

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