Was ist wichtig rund um die Organspende?
Seit Jahren sind nur wenige Menschen bereit, sich als Organspender zu engagieren. Knapp 10.000 Patienten befinden sich auf der Warteliste für ein neues Organ. Demgegenüber standen 2018 insgesamt 955 Organspenderinnen und Organspender.
Eine transparente gesetzliche Regelung ist wichtig, doch das Problem sitzt tiefer. Oft fehlt das grundlegende Wissen in der Bevölkerung über die Voraussetzungen für eine Organspende. Dieses Informationsdefizit bildet den Nährboden für Vorurteile und Ängste.
Expertin zum Thema ist Oberärztin Gudrun Haberstroh, Transplantationsbeauftragte an der Klinik Neuendettelsau. Sie setzt auf Aufklärung und beleuchtet an dieser Stelle wichtige Fragen rund um die Transplantation von Organen.
Ein Interview von Helmut Schemm
Ist eine Organspende auch ohne Ausweis möglich?
Dr. Gudrun Haberstroh: In Deutschland gilt die Entscheidungslösung. Das bedeutet, dass eine Organspende nur möglich ist, wenn der verstorbene Patient dem ausdrücklich zugestimmt hat. Am besten erfolgt dies mit einem Organspendeausweis. Dort lässt sich klar regeln, was der Betroffene wünscht – zum Beispiel welche Organe entnommen werden dürfen und welche nicht. Änderungen im Ausweis sind jederzeit möglich. Liegt kein Organspendeausweis vor, wendet sich das Krankenhaus an die Angehörigen und bittet um Auskunft. Auch in diesem Fall zählt primär der Wille des Patienten, den er oder sie zu Lebzeiten geäußert hat. Bei fehlender Willensäußerung dürfen die Angehörigen im Sinne des Patienten eine Entscheidung treffen.
Herz und Niere – kann noch mehr gespendet werden?
Dr. Gudrun Haberstroh: Die Transplantationsmedizin macht es zum einen möglich, eine ganze Reihe von Organen (Herz, Lunge, Leber, Niere, Bauchspeicheldrüse, Dünndarm) zu übertragen. Zum anderen lassen sich auch Gewebe (Hornhaut, Haut, Knochen, Gefäße, Sehnen oder Bänder) spenden. Wichtig ist, dass niemand mit seiner Spende das komplette Spektrum abdecken muss. Im Organspendeausweis kann genau definiert werden, welche Organe bzw. Gewebe der Spender zur Verfügung stellen möchte.
Was sind die Vorgaben für eine Organspende in Deutschland?
Dr. Gudrun Haberstroh: Ab dem 16. Lebensjahr ist es möglich, aktiv einer Organspende zuzustimmen. Ein Höchstalter gibt es hingegen nicht. Vielmehr entscheidet – nicht nur bei älteren Spendern – der Einzelfall, ob die Organe sich für eine Transplantation eignen. Verschiedene Vorerkrankungen schließen hingegen eine Organspende aus.
Bevor eine Entnahme der Organe stattfinden kann, muss beim Patienten anhand umfassender Untersuchungen der Hirntod festgestellt werden. Dabei handelt es sich um den unwiderruflichen, kompletten Ausfall von Großhirn, Kleinhirn und des Hirnstammes – in der Regel durch eine massive Hirnblutung oder einen großen Schlaganfall verursacht. Der Hirntod ist allerdings relativ selten. So ist die Wahrscheinlichkeit, Organspender zu werden ebenfalls gering.
Kann ich im Ausland zum Organspender werden?
Dr. Gudrun Haberstroh: Das Thema Organspende regelt jedes Land individuell. In sehr vielen europäischen Ländern ist – im Gegensatz zu Deutschland – die Widerspruchslösung verbreitet. Dazu zählen unter anderem Belgien, Frankreich, Griechenland, Italien, Österreich oder Spanien. Das bedeutet, wenn zu Lebzeiten nicht ausdrücklich widersprochen wurde, können Organe transplantiert werden. Diese Regelung gilt nicht nur für Staatsangehörige des Landes, sondern für alle Menschen, die sich dort aufhalten. Verstirbt ein Mensch in diesem Land, so wird er nach dessen Vorgaben behandelt und nicht nach den Regelungen des Heimatlandes.
Warum sollte ich mich zur Organspende bereit erklären?
Dr. Gudrun Haberstroh: Organspender helfen anderen Menschen. Virusinfektionen, Stoffwechsel- oder angeborene Erkrankungen können zu einer so großen Schädigung von Organen führen, dass eine Transplantation unumgänglich ist. Für die Betroffenen verbessert sich nicht nur die Lebensqualität, in vielen Fällen ist die Spende lebensnotwendig. Für einen selbst zählt unter Umständen der Gedanke, über den eigenen Tod hinaus etwas Sinnvolles zu tun und anderen zu helfen.
Prinzipiell gilt, dass jeder Mensch das Recht hat, für sich selbst zu entscheiden, ob er oder sie zur Organspende bereit ist. Egal, wie die Entscheidung ausfällt, diese sollte am besten in einem Organspendeausweis dokumentiert werden. So ist sichergestellt, dass der eigene Wille bekannt ist, was im Notfall oft eine große Last von den Schultern der Angehörigen nimmt.