Wie werden Menschen mit schweren Behinderungen individuell gefördert?
Herr K. kann sehr schwierige Arbeitsschritte ausführen, braucht dafür jedoch absolute Ruhe. Herr U. neigt dazu, eigene Arbeitsschritte zu erfinden, wenn er nicht gut beobachtet wird. Und Frau S. bleibt nicht gerne lange bei der Sache, hat aber ein starkes Verantwortungsbewusstsein gegenüber Schwächeren:
So individuell wie die Beschäftigten in der Förderstätte Himmelkron sind auch die Arbeitsplätze, die für sie eingerichtet werden.
Doch warum ist die Arbeit in einer Förderstätte wichtig für Menschen mit schweren Behinderungen? Wie werden sie individuell gefördert?
Von Maria Mohr in Zusammenarbeit mit den Mitarbeitenden der Förderstätte Himmelkron
Darum geht es in dem Artikel:
- Was ist was?
- Warum ist es wichtig für Menschen mit schweren Behinderungen, eine Förderstätte zu besuchen?
- Wie sehen Rückmeldungen von Beschäftigten aus?
- Arbeitsbeispiel 1: Zuarbeiten für die WfbM
- Wie werden die Beschäftigten individuell gefördert?
- Arbeitsbeispiel 2: Sinnstiftenden Tätigkeiten übergreifend für die gesamte WfbM und die Gemeinde Himmelkron
- Wie funktioniert der Übergang von der Förderstätte in die WfbM?
- Arbeitsbeispiel 3: "Anzünderle - ein Upcycling-Produkt
- Werkstatt mit integrierter Förderstätte
- Leistungen in der Förderstätte Himmelkron
- Werkstätten und Förderstätten bei Diakoneo
Warum ist es wichtig für Menschen mit schweren Behinderungen, eine Förderstätte zu besuchen?
Kathrin Medick leitet die Werkstatt für Menschen mit Behinderung sowie die Förderstätte in Himmelkron. Sie sagt: „Es ist sehr wichtig, für Menschen mit schweren Behinderung, in die Förderstätte zu gehen. Die Förderstätte ist der zweite Lebensbereich für sie.“
Wichtig ist auch die feste Tagesstruktur und die Möglichkeit, eine andere Umgebung neben dem Wohnbereich zu erleben.
Die Mitarbeitenden in den Förderstätten unternehmen viel, um zum Beispiel die motorischen Fähigkeiten der Menschen mit Behinderung zu verbessern. Weitere Fachleute wie Logopäden und andere Therapeuten kommen in die Förderstätten, um mit den Menschen dort zu arbeiten.
Wie sehen Rückmeldungen von Beschäftigten aus?
Oft können die Menschen in der Förderstätte sich nicht oder nur schwer mit Worten ausdrücken. Dennoch sind sie sehr wohl in der Lage, die Freude über ihre Arbeit zu äußern.
Kathrin Medick bekommt derzeit zum Beispiel jeden Morgen Besuch von einem Beschäftigten der Förderstätte, der derzeit stundenweise in der Schreinerei der WfbM arbeitet. „Er kommt jeden Morgen und erzählt mir mit seinen Möglichkeiten, wie begeistert er von seiner Arbeit ist.“
Arbeitsbeispiel 1: Zuarbeiten für die WfbM
Die Beschäftigten in der Förderstätte arbeiten teilweise mit ihren Kolleg*innen aus der WfbM zusammen. So übernehmen sie zum Beispiel Arbeiten aus dem Bereich Montage und Verpackung.
Einzelne Beschäftigte können dabei schwierige Arbeitsschritte ausführen. Dabei benötigen sie oft einen sehr geschützten Rahmen mit viel Ruhe.
Wie werden die Beschäftigten individuell gefördert?
Wenn ein*e Beschäftigter*e neu in die Förderstätte kommt, informiert sein*e Betreuer*in über die laufenden Therapie- und Fördermaßnahmen. Diese werden in den Arbeitsalltag in der Förderstätte integriert.
Für jeden einzelnen Beschäftigten wird der Arbeitsplatz individuell gestaltet und seinen Fähigkeiten und Fertigkeiten angepasst. Die Begleitung durch die Mitarbeitenden ist immer wichtig.
Herr S. arbeitet im Textilbereich. Über einen Zeitraum von mehreren Jahren wurde er behutsam an seinen Arbeitsbereich herangeführt.
So wurde die Arbeit für ihn zuerst aus der WfbM in die Förderstätte geholt, damit er die Arbeitsabläufe lernen konnte. Langsam steigerten sich die Stückzahlen und auch die Zeiteinheiten, in denen er die Textilarbeiten ausführen konnte.
Herr S. lernte die Arbeitsgruppe in der WfbM kennen, indem er zusammen mit einem Mitarbeitenden Arbeitsmaterialien abholte und die fertige Arbeit zurückbrachte.
Schließlich begann Herr S. eine Stunde in der Woche in der WfbM zu arbeiten. Auch diese Zeit wurde behutsam erhöht. Derzeit arbeitet er vier Tage in der Woche für mehrere Stunden in der WfbM und ist sehr stolz auf das Erreichte.
Immer wieder absolvieren Beschäftigte aus der Förderstätte auch Praktika in der WfbM. So zum Beispiel Herr S. der bereits erwähnte Besucher von Werkstattleiterin Kathrin Medick. Er verfügt über eine sehr gute Auffassungsgabe und ein großes handwerkliches Geschick. Arbeiten am Tisch steht er jedoch sehr skeptisch gegenüber und kann dafür sehr schwer Motivation aufbringen.
Ein Praktikum in der Holzwerkstatt entspricht sehr den Interessen von Herrn S. und verläuft sehr gut.
Arbeitsbeispiel 2: Sinnstiftenden Tätigkeiten übergreifend für die gesamte WfbM und die Gemeinde Himmelkron
Die Beschäftigten in der Förderstätte übernehmen eine Vielzahl an Aufgaben für die Gemeinschaft in Förderstätte und WfbM und auch für die gesamte Gemeinde Himmelkron.
Das regelmäßig Entsorgen von Papier- Glas- und Restmüll gehört ebenso dazu wie die Mitarbeit beim Mittagessen, dem Pausenverkauf oder bei der Gestaltung von Festen und Feiern in Förderstätte und WfbM.
Für die Gemeinde Himmelkron tragen die Beschäftigten der Förderstätte den Gemeindebrief aus und verteilen Plakate in den Geschäften.
Die in der Förderstätte hergestellten Grußkarten und Stofftaschen bringen sie regemäßig zum Verkauf in den Eine-Welt-Laden.
Wie funktioniert der Übergang von der Förderstätte in die WfbM?
Das System von Förderstätten für Menschen mit Behinderung und Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) ist grundsätzlich darauf ausgerichtet, eine Durchlässigkeit zwischen beiden Bereichen zu ermöglichen.
„Wir versuchen, das System so durchlässig wie möglich zu gestalten“, sagt Kathrin Medick. „Natürlich kann man nicht jeden Wunsch erfüllen, aber wie gehen auf die Wünsche der Beschäftigten ein, soweit es möglich ist.“
Mit kleinen Arbeitsaufträgen werden die Beschäftigten aus der Förderstätte wie oben beschrieben an das Arbeiten in der Werkstatt herangeführt. Dabei wird individuell geprüft, ob, die Person die Voraussetzungen und Fähigkeiten für eine Beschäftigung in einer WfbM erfüllt. Dies kann beispielsweise die Fähigkeit zur wirtschaftlichen Verwertbarkeit der Arbeit oder die Stabilität des Gesundheitszustandes umfassen.
Darüber hinaus gibt es auch in einigen Förderstätten die Möglichkeit, dass Teilnehmende temporär oder zeitweise in WfbMs arbeiten, um ihre individuellen Fähigkeiten und Interessen weiterzuentwickeln oder neue Arbeitsbereiche kennenzulernen.
Leistungen der Förderstätte Himmelkron: „In kleinen Schritten Großes schaffen“
Bei allen in Folge genannten Aufgaben/ Arbeiten sind viele kleine Arbeitsschritte notwendig um letztendlich ein fertiges Produkt zu erhalten. Durch speziell gestaltete Arbeitsplätze und Methoden ist jeder Beschäftigte der Förderstätte in seinem ganz persönlichen Rahmen, mit der Unterstützung des MA in der Lage zum Gelingen und Entstehen eines Produktes beizutragen.
Am Beispiel der Grußkarten wollen wir kurz die Vielfalt der einzelnen Arbeitsschritte aufzeigen, die für das Entstehen eines Produktes notwendig sind:
- Papier zuschneiden / Schneidemaschine
- Papier zu Karten / Einlegern falten
- Papier mit unterschiedlichen Techniken bedrucken
- (Walzen/ Stempel/ Spritztechnik/ Pinsel ect.)
- Papier stanzen/ ausschneiden (unterschiedliche Formen)
- Karten gestalten
- Texte mit Hilfe von Stempeln aufbringen
- Diakoneo Logo aufkleben
- Einleger in Karten legen
- Karten in Schutzfolie stecken
- Schutzfolie verschließen
Stückzahl: jährlich ca. 400 Stück
Beteiligt sind: 7-8 Beschäftigte /2-3 MA
Abnehmer: Dritte Welt Laden Himmelkron/ Verwaltung Wohnen u WfbM-FOE/ Wohngruppen/ Eltern und Betreuer / Weihnachtsgrüße an Firmen/ Kirchengemeinde
Arbeitszeit: 4-5 Std. in der Woche
Stückzahl: 90 – 100 im Jahr
Beteiligt sind: 5-6 Beschäftigte /2 MA je Arbeitseinheit
Arbeitszeit: je nach Bedarf ca.3 Stunden in der Woche
Beispiele der letzten Jahre:
- Selbstgenachte Marmelade in kl. Gläsern (aus Äpfeln und Pflaumen aus dem Schlossgarten- gem. sammeln/Materialkunde/ Verarbeitung/ Abfüllen/ dekorieren)
- Selbstgemachtes Gewürzsalz
- Schmunzelsteine (selbst gegossen)
- Schlüsselanhänger
- Seifen gießen
- Engel aus Beton
- Osterhasen untersch. Techniken
- Maria/Josef/Jesuskind aus Holz (schleifen/bemalen/schrauben)
- Mandeln/Zucker / Zimt für gebrannte Mandeln in Gläser