Arbeiten für Menschen mit Behinderung: In der Förderstätte

Wie werden Menschen mit schweren Behinderungen individuell gefördert?

Herr K. kann sehr schwierige Arbeitsschritte ausführen, braucht dafür jedoch absolute Ruhe. Herr U. neigt dazu, eigene Arbeitsschritte zu erfinden, wenn er nicht gut beobachtet wird. Und Frau S. bleibt nicht gerne lange bei der Sache, hat aber ein starkes Verantwortungsbewusstsein gegenüber Schwächeren:
So individuell wie die Beschäftigten in der
 Förderstätte Himmelkron sind auch die Arbeitsplätze, die für sie eingerichtet werden.
Doch warum ist die Arbeit in einer Förderstätte wichtig für Menschen mit schweren Behinderungen? Wie werden sie individuell gefördert?

Von Maria Mohr in Zusammenarbeit mit den Mitarbeitenden der Förderstätte Himmelkron

Was ist was?

WfbM: Werkstatt für Menschen mit Behinderung

Förderstätte: Eine Förderstätte ist eine Einrichtung für Menschen mit Behinderung, die aufgrund ihrer Behinderung nicht oder noch nicht in der Lage sind, in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) zu arbeiten. Das Angebot der Förderstätten richtet sich vor allem an Menschen mit schweren geistigen oder mehrfachen Behinderungen.

Beschäftigte*r: Ein "Beschäftigter in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM)" ist eine Person mit einer Behinderung, die in einer solchen Einrichtung beschäftigt ist. Diese Person arbeitet in der Regel in einem speziell angepassten Arbeitsumfeld und unter besonderer Betreuung und Anleitung.

Mitarbeitender: Der Begriff "Mitarbeitender in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM)" umfasst alle Personen, die in einer solchen Einrichtung tätig sind und zur Umsetzung des Arbeitsauftrags beitragen. Dazu gehören beispielsweise Werkstattleiter, Fachkräfte für Arbeits- und Berufsförderung, Ausbilder sowie Mitarbeiter im Verwaltungsbereich.

Warum ist es wichtig für Menschen mit schweren Behinderungen, eine Förderstätte zu besuchen?

Kathrin Medick leitet die Werkstatt für Menschen mit Behinderung sowie die Förderstätte in Himmelkron.  Sie sagt: „Es ist sehr wichtig, für Menschen mit schweren Behinderung, in die Förderstätte zu gehen. Die Förderstätte ist der zweite Lebensbereich für sie.“
Wichtig ist auch die feste Tagesstruktur und die Möglichkeit, eine andere Umgebung neben dem Wohnbereich zu erleben.

Die Mitarbeitenden in den Förderstätten unternehmen viel, um zum Beispiel die motorischen Fähigkeiten der Menschen mit Behinderung zu verbessern. Weitere Fachleute wie Logopäden und andere Therapeuten kommen in die Förderstätten, um mit den Menschen dort zu arbeiten.

Wie sehen Rückmeldungen von Beschäftigten aus?

Oft können die Menschen in der Förderstätte sich nicht oder nur schwer mit Worten ausdrücken. Dennoch sind sie sehr wohl in der Lage, die Freude über ihre Arbeit zu äußern.

Kathrin Medick bekommt derzeit zum Beispiel jeden Morgen Besuch von einem Beschäftigten der Förderstätte, der derzeit stundenweise in der Schreinerei der WfbM arbeitet. „Er kommt jeden Morgen und erzählt mir mit seinen Möglichkeiten, wie begeistert er von seiner Arbeit ist.“

Arbeitsbeispiel 1: Zuarbeiten für die WfbM

Beschäftigter in der Förderstätte1
Mit der entsprechenden Unterstützung können Beschäftigte in der Förderstätte schwierige Arbeitsschritte ausführen.

Die Beschäftigten in der Förderstätte arbeiten teilweise mit ihren Kolleg*innen aus der WfbM zusammen. So übernehmen sie zum Beispiel Arbeiten aus dem Bereich Montage und Verpackung.

Einzelne Beschäftigte können dabei schwierige Arbeitsschritte ausführen. Dabei benötigen sie oft einen sehr geschützten Rahmen mit viel Ruhe.

Wie werden die Beschäftigten individuell gefördert?

Wenn ein*e Beschäftigter*e neu in die Förderstätte kommt, informiert sein*e Betreuer*in über die laufenden Therapie- und Fördermaßnahmen. Diese werden in den Arbeitsalltag in der Förderstätte integriert.
Für jeden einzelnen Beschäftigten wird der Arbeitsplatz individuell gestaltet und seinen Fähigkeiten und Fertigkeiten angepasst. Die Begleitung durch die Mitarbeitenden ist immer wichtig.

Beschäftiger in der Förderstätte

Herr S. arbeitet im Textilbereich. Über einen Zeitraum von mehreren Jahren wurde er behutsam an seinen Arbeitsbereich herangeführt.

So wurde die Arbeit für ihn zuerst aus der WfbM in die Förderstätte geholt, damit er die Arbeitsabläufe lernen konnte. Langsam steigerten sich die Stückzahlen und auch die Zeiteinheiten, in denen er die Textilarbeiten ausführen konnte.

Herr S. lernte die Arbeitsgruppe in der WfbM kennen, indem er zusammen mit einem Mitarbeitenden Arbeitsmaterialien abholte und die fertige Arbeit zurückbrachte.

Beschäftiger in der Förderstätte

Schließlich begann Herr S. eine Stunde in der Woche in der WfbM zu arbeiten. Auch diese Zeit wurde behutsam erhöht. Derzeit arbeitet er vier Tage in der Woche für mehrere Stunden in der WfbM und ist sehr stolz auf das Erreichte.

Immer wieder absolvieren Beschäftigte aus der Förderstätte auch Praktika in der WfbM. So zum Beispiel Herr S. der bereits erwähnte Besucher von Werkstattleiterin Kathrin Medick. Er verfügt über eine sehr gute Auffassungsgabe und ein großes handwerkliches Geschick. Arbeiten am Tisch steht er jedoch sehr skeptisch gegenüber und kann dafür sehr schwer Motivation aufbringen.
Ein Praktikum in der Holzwerkstatt entspricht sehr den Interessen von Herrn S. und verläuft sehr gut.

Arbeitsbeispiel 2: Sinnstiftenden Tätigkeiten übergreifend für die gesamte WfbM und die Gemeinde Himmelkron

Beschäftigter in der Förderstätte

Die Beschäftigten in der Förderstätte übernehmen eine Vielzahl an Aufgaben für die Gemeinschaft in Förderstätte und WfbM und auch für die gesamte Gemeinde Himmelkron.
Das regelmäßig Entsorgen von Papier- Glas- und Restmüll gehört ebenso dazu wie die Mitarbeit beim Mittagessen, dem Pausenverkauf oder bei der Gestaltung von Festen und Feiern in Förderstätte und WfbM.

Wie funktioniert der Übergang von der Förderstätte in die WfbM?

Das System von Förderstätten für Menschen mit Behinderung und Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) ist grundsätzlich darauf ausgerichtet, eine Durchlässigkeit zwischen beiden Bereichen zu ermöglichen.

„Wir versuchen, das System so durchlässig wie möglich zu gestalten“, sagt Kathrin Medick.  „Natürlich kann man nicht jeden Wunsch erfüllen, aber wie gehen auf die Wünsche der Beschäftigten ein, soweit es möglich ist.“
Mit kleinen Arbeitsaufträgen werden die Beschäftigten aus der Förderstätte wie oben beschrieben an das Arbeiten in der Werkstatt herangeführt. Dabei wird individuell geprüft, ob, die Person die Voraussetzungen und Fähigkeiten für eine Beschäftigung in einer WfbM erfüllt. Dies kann beispielsweise die Fähigkeit zur wirtschaftlichen Verwertbarkeit der Arbeit oder die Stabilität des Gesundheitszustandes umfassen.

Darüber hinaus gibt es auch in einigen Förderstätten die Möglichkeit, dass Teilnehmende temporär oder zeitweise in WfbMs arbeiten, um ihre individuellen Fähigkeiten und Interessen weiterzuentwickeln oder neue Arbeitsbereiche kennenzulernen.

Arbeitsbeispiel 3: "Anzünderle" - ein Upcycling-Produkt

Bei den "Anzünderle" handelt es sich um ein Upcycling-Produkt, das zu 100% nachhaltig und ökologisch ist, und in den Förderstätten Rothenburg und Obernzenn in Handarbeit hergestellt wird. Wie? Das sehen Sie im Videobeitrag.

Innovation: Werkstatt mit integrierter Förderstätte
Neubau Werkstatt mit Förderstätte Neuenmarkt
Das neue Gebäude besteht aus drei Baukörpern. In jedem davon sind Teile von Werkstatt und Förderstätte untergebracht. Der Austausch von Arbeit oder der Wechsel von Beschäftigten ist so viel einfacher möglich als in den bisherigen Gebäuden, die durch den Main getrennt sind.

Die Verzahnung zwischen Werkstatt und Förderstätte wird mit dem derzeit entstehenden Neubau noch verstärkt werden. Der erste Spatenstich für den rund 7000 Quadratmeter großen Neubau im Nachbardorf Neuenmarkt war im Herbst 2022. Der Umzug ist für das Jahr 2025 geplant.

Rund 300 Menschen mit Behinderung werden dort arbeiten. 250 in der Werkstatt und 48 in der Förderstätte. Die Werkstatt mit integrierter Förderstätte ist eine Innovation, die durch die Einführung des Bundesteilhabegesetztes möglich wurde.

Leistungen der Förderstätte Himmelkron: „In kleinen Schritten Großes schaffen“

Bei allen in Folge genannten Aufgaben/ Arbeiten sind viele kleine Arbeitsschritte notwendig um letztendlich ein fertiges Produkt zu erhalten. Durch speziell gestaltete Arbeitsplätze und Methoden ist jeder Beschäftigte der Förderstätte in seinem ganz persönlichen Rahmen, mit der Unterstützung des MA in der Lage zum Gelingen und Entstehen eines Produktes beizutragen.

Am Beispiel der Grußkarten wollen wir kurz die Vielfalt der einzelnen Arbeitsschritte aufzeigen, die für das Entstehen eines Produktes notwendig sind:

  • Papier zuschneiden / Schneidemaschine
  • Papier zu Karten / Einlegern falten
  • Papier mit unterschiedlichen Techniken bedrucken
  •  (Walzen/ Stempel/ Spritztechnik/ Pinsel ect.)
  • Papier stanzen/ ausschneiden (unterschiedliche Formen)
  • Karten gestalten
  • Texte mit Hilfe von Stempeln aufbringen
  • Diakoneo Logo aufkleben
  • Einleger in Karten legen
  • Karten in Schutzfolie stecken
  • Schutzfolie verschließen

Stückzahl: jährlich ca. 400 Stück

Beteiligt sind: 7-8 Beschäftigte /2-3 MA

Abnehmer: Dritte Welt Laden Himmelkron/ Verwaltung Wohnen u WfbM-FOE/ Wohngruppen/ Eltern und Betreuer / Weihnachtsgrüße an Firmen/ Kirchengemeinde

Arbeitszeit: 4-5 Std. in der Woche

Stückzahl: 90 – 100 im Jahr

Beteiligt sind: 5-6 Beschäftigte /2 MA je Arbeitseinheit

Arbeitszeit: je nach Bedarf ca.3 Stunden in der Woche

Beispiele der letzten Jahre: 

  • Selbstgenachte Marmelade in kl. Gläsern (aus Äpfeln und Pflaumen aus dem Schlossgarten- gem. sammeln/Materialkunde/ Verarbeitung/ Abfüllen/ dekorieren)
  • Selbstgemachtes Gewürzsalz
  • Schmunzelsteine (selbst gegossen)
  • Schlüsselanhänger
  • Seifen gießen
  • Engel aus Beton
  • Osterhasen untersch. Techniken
  • Maria/Josef/Jesuskind aus Holz (schleifen/bemalen/schrauben)
  • Mandeln/Zucker / Zimt für gebrannte Mandeln in Gläser

 

Stückzahl: je nach Bedarf

Beteiligt sind: 4-5 Beschäftigte / 1-2 MA

Arbeitszeit: 2-3 Std. in der Woche

Stückzahl: je nach Bedarf

Beteiligt sind: 4-5 Beschäftigte /1-2 MA

Arbeitszeit: 1-2 Std. in der Woche

 

Stückzahl: 15 im Quartal mit wechselnder Deko

Beteiligt sind: 6-7 Beschäftigte /2 MA

Arbeitszeit: in 14 Tagen (bei Deko-Wechsel) täglich 1,5 Std.

Stückzahl: Je nach Bedarf

Beteiligt sind: 1 Beschäftigte /1MA

Arbeitszeit: 30 Min. 2x wöchentlich

Werkstätten und Förderstätten bei Diakoneo

Passgenaue Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung bei Diakoneo:

 

 

Diakoneo-Expertin
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