Wie Düfte bei der Beschäftigung mit Demenzkranken helfen

Die ätherischen Öle der Aromapflege aktivieren die Sinne von Demenzkranken

Zitronenmelisse, Lavendel oder Eukalyptus: Wir verbinden mit diesen Düften Linderung bei Husten und Erkältungen oder als Hilfe zum Beruhigen oder Einschlafen. Doch auch in der Pflege von Menschen mit Demenz kommen ätherische Öle zum Einsatz. So bietet Tatjana Wolf für die Bewohnerinnen und Bewohner des Marienheims in Obernzenn die Aromapflege an.

In dem Artikel wird erklärt:

  • Was genau passiert bei der Aromapflege?
  • Warum spielen Düfte in der Pflege von Menschen mit Demenz eine große Rolle?
  • Wo gibt es weitere Infomationen für pflegende Anhörige über Hilfsangebote im Umgang mit Menschen mit Demenz?

Von Amanda Müller

Es ist ruhig im Speisesaal des Marienheims von Diakoneo in Obernzenn. Am späten Nachmittag ist der Saal leer. Zumindest fast: Nur an einem Tisch im hinteren Bereich des Raums sitzen einige ganz unterschiedliche Menschen zusammen.

 

Das Marienheim von Diakoneo befindet sich in Obernzenn.

Neben Margarete Blaser nestelt Annelies Fröhlich unruhig an der Armlehne ihres Rollstuhls. Karin Späth blickt kerzengerade auf den Tisch und Elisabetha Muggenthaler zupft zum dritten Mal den Ärmel ihrer braungoldenen Bluse gerade. Sie sitzen gemeinsam an einem Tisch, auf dem eine weiße Tischdecke ausgebreitet ist. Unterschiedliche Kaffeesets aus Porzellan decken ihn. Die Tassen und Teller sind noch leer. Neben dem Tisch steht ein Servierwagen, über den sich Tatjana Wolf beugt. Sie arbeitet als Betreuungskraft im Marienheim und bietet die Aromapflege für Senioren und Demenzkranke an.
Die vier Frauen sind heute hier, um Kaffee zu genießen wie früher. Drei der vier Damen verbindet eines: die Demenz. Weil die Krankheit unheilbar ist und die Symptome mit der Zeit immer weiter fortschreiten leben sie im Marienheim in Obernzenn. Hier werden Demenzkranke und Senioren rund um die Uhr betreut. Die Krankheit und das Alter sind für die nächsten 30 Minuten aber egal, denn Tatjana Wolf nimmt sie heute mit auf eine Reise durch die Welt der Aromastoffe.

30 Minuten Entspannung und Freude

Tatjana Wolf ist eine Frau mit langen dunklen Haaren. Die Haare hat sie heute zu einem Zopf geflochten. Um ihren Hals baumelt eine Kette mit einem silbernen Anhänger und in den Händen hält sie eine orangefarbene Tüte. Behutsam geht sie zu Karin Späth und legt ihr die Tüte in die Hand.

Tatjana Wolf (Mitte) nimmt die Bewohnerinnen des Marienheims seit zwei Jahren mit in die Welt der Düfte.

 „Schnuppert doch mal an dem Inhalt“, ermuntert sie die Damen. Karin Späth steckt die Nase in die Tüte, atmet tief ein und nickt. Sie kennt den Geruch. Auch die anderen Damen sollen den Inhalt am Geruch erkennen. Es sind Kaffeebohnen. „Mhhhh“, freut sich Annelies Fröhlich und ihre Augen beginnen zu leuchten. Sie trinkt gerne Kaffee.
„Ich mag lieber Tee“, ruft ihre Tischnachbarin Margarete Blaser, schnappt sich aber trotzdem eine Kaffeebohne und steckt sie in den Mund. Es knirscht laut. Betreuerin Tatjana Wolf huscht ein Lächeln über das Gesicht. Sie dreht sich wieder zum Servierwagen um und zaubert eine weitere Tüte hervor. „Probieren Sie doch mal diese Plätzchen, die schmecken besser“, sagt die 42-Jährige, schüttelt ein paar Amarettini aus der Packung auf einen Teller und stellt ihn in die Mitte des Tisches.
Die Damen greifen zu. Wieder knirscht es, diesmal aber leiser. Während die Damen noch ein paar Plätzchen essen, dreht sie sich kurz zum Servierwagen um und stellt dann eine alte Kaffeemühle mitten auf den Tisch. „Ich habe heute etwas vorbereitet“, sagt Tatjana Wolf, füllt ein paar der Kaffeebohnen in die Mühle und fordert die Damen auf, die Bohnen zu braunem grobkörnigen Pulver zu mahlen.

Der Duft der Kaffeebohne weckt bei Margarete Blaser und Annelies Fröhlich die Erinnerungen an schöne Erlebnisse.

Mit dem Duft nach frischem Kaffee werden auch Erinnerungen wach: „Das habe ich früher auch oft gemacht“, erinnert sich die 93-jährige Margarete Blaser. „Ich auch, aber nur wenn Besuch gekommen ist“, ruft Annelies Fröhlich, die im Oktober 94 Jahre alt wird. „Kaffee konnten wir uns damals nicht immer leisten“, setzt sie hinterher bevor sie davon erzählt, wie sie mit ihrem Mann einmal in der ehemaligen DDR war und in einem Restaurant eine Tasse Kaffee bestellt hat. Ganz aufgebracht schüttelt sie den Kopf. „Die haben das Kaffeepulver in die Tasse gegeben und heißes Wasser draufgeschüttet. Was haben wir gekuckt, als wir den ganzen Kaffeesatz im Mund hatten“, lacht sie.

Auch Tatjana lächelt. Die Aromen zeigen Wirkung. Der Duft der Kaffeebohnen, des gemahlenen Kaffeepulvers und des frisch aufgebrühten Kaffees wecken die Sinne der Damen und rufen Erinnerungen hervor. Munter erzählen sie von dem Kaffeekränzchen mit alten Freundinnen, von Feiertagen, dem teuren Kaffee und den Kaffeemühlen, die sie selbst zuhause hatten.

Der Kaffee ist der heutige Hauptbestandteil der Aromapflege, die Tatjana Wolf vorbereitet hat. Sie arbeitet seit sechs Jahren im Marienheim in Obernzenn. Vor zwei Jahren hat sie eine Fortbildung zur Aromapflegerin bei Aromatherapeutin Cornelia Mögel besucht. Die gebürtige Ukrainerin interessiert sich schon seit ihrer Kindheit für Naturprodukte, Aromen und Kräuter. „Meine Oma hat oft mit mir Kräuter gesammelt und mir viel darüber beigebracht“, erzählt sie. Auch deswegen hat sie im Oktober 2016 die Fortbildung zur Aromapflegerin absolviert. Seitdem nimmt sie Bewohnerinnen und Bewohner des Marienheims mit auf eine Reise in die Welt der Düfte.

Demenzkranke reagieren sehr sensibel auf Düfte

Etwa 1,7 Millionen Menschen in Deutschland sind laut der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e. V. von einer Demenzerkrankung betroffen. Diese Zahl wird bis ins Jahr 2050 schätzungsweise auf drei Millionen ansteigen. Laut einer Datensammlung des bayerischen Gesundheitsministeriums leidet jeder zehnte Mensch über 65 Jahre in Bayern an Demenz. Die Krankheit ist gekennzeichnet durch den Verlust der kognitiven Fähigkeiten, Sinneseindrücke wirken ungebremst und ungefiltert. Heilung gibt es für den chronischen Gedächtnisverlust keine.

„Demenzkranke sind gefangen in ihrem eigenen Körper“, berichtet Tatjana Wolf. „Die Menschen leben in Erinnerungen ihrer eigenen Welt. Sie können sich nur auf eine Sache konzentrieren und das sind oft Momente, in denen sie glücklich waren. Da sie sehr sensibel auf Gerüche reagieren, können die Duftstoffe helfen, dass sie sich an schöne Zeiten erinnern.“

Dass Aromen im Umgang mit Demenzkranken eine große Hilfe sein können, hat sie schon oft erlebt. Sie können den Pflegealltag positiv und auf natürliche Weise unterstützen. „Im Gegensatz zu Medikamenten haben ätherische Öle keine Nebenwirkungen“, erklärt die Betreuungskraft und hält ein kleines braunes Fläschchen hoch. „Lavendel“ steht darauf. „Lavendel ist ein duftendes Pflanzenöl, dem eine beruhigende Anti-Stress-Wirkung zugeschrieben wird. Je nachdem was ein Mensch braucht, gehe ich ganz unterschiedlich auf ihn ein“, sagt sie.

Im Pflegealltag fehlt oft die Zeit für Zuwendung. Gerade wenn Angehörige weiter weg wohnen oder sehr im Alltag eingespannt sind, fühlen sich Senioren häufig einsam. Deswegen nimmt sich Tatjana in der Aromapflege die Zeit, bewusst und behutsam auf sie einzugehen. „Die Menschen sind jetzt hier im Marienheim zuhause. Ich will, dass sie sich wohlfühlen“, betont sie.

Für die Gruppenstunde zum Thema „Kaffee“ hat sie sich entschieden, weil das gemeinsame Kaffeetrinken früher etwas ganz Besonderes war. Indem die Damen den Kaffee selbst mahlen und den Geruch der Bohnen in der Nase haben, erinnern sie sich an die schönen Erinnerungen mit Freundinnen oder der Familie zurück. So kann die Aromapflegerin mit kleinen Gesten und ein paar Tropfen Öl viel erreichen.

„Ist jemand sehr unruhig, kann uns aber nicht sagen warum, hilft es, wenn ich ihm einen Tropfen Lavendelöl einmassiere. Es ist total schön zu beobachten wie sich der Mensch entspannt, ruhiger atmet und sich die Muskulatur wieder lockert“, erzählt die Betreuerin. Die Öle werden beispielsweise während Massagen auf die Haut aufgetragen, kommen ins Badewasser oder „beduften“ mittels Zerstäuber den Raum. Neben den Gruppenangeboten wie heute, besucht sie auch bettlägerige Menschen oder steht Kranken bei der Wegbegleitung zur Seite. „Viele haben Angst vor dem Sterben. Wenn ich ihnen durch bestimmte Düfte Ruhe und Entspannung geben kann, ist das toll“, sagt sie.

Annelies Fröhlich geniest die Handmassage von Aromapflegerin Tatjana Wolf.

Die Themen bereitet sie selbst vor. Einen festen Plan gibt es nicht. „Ich bin sehr kreativ und gehe auf jeden Menschen ganz unterschiedlich ein“, erklärt sie. Auch ihre Kolleginnen und Kollegen im Marienheim unterstützen sie dabei. „Wenn ich auf die Arbeit komme, sagen sie mir, ob jemand heute besonders unruhig ist. Dann kann ich ihn oder sie besuchen“, erzählt Tatjana.

Die Aromapflege ergänzt den Pflegealltag

Auch wenn die Meinungen über die heilende Wirkung vonDuftstoffe auseinander gehen,, ist sich die Aromapflegerin sicher, dass die Öle, richtig eingesetzt, zu positiven Sinneserlebnissen führen: „Während Medikamente schnell anschlagen, ist das bei der Aromapflege ganz anders. Der Prozess dauert länger, aber die Wirkung ist stabil“, meint sie. Um Allergien auszuschließen testet sie vorher ob jemand allergisch ist. Zudem verwendet sie ätherische Öle, die zu 100 Prozent aus Pflanzen gewonnen werden.

„Aromastoffe unterstützen Angehörige und uns Pflegekräfte auf die unterschiedlichste Art“, ist sich Tatjana sicher. Gerade auch bei der Kontaktaufnahme zu einem Demenzkranken kann ein Duft Geborgenheit vermitteln.

Ob als Raumduft oder als Massage: Die Öle sind vielfältig einsetzbar.

Die Geborgenheit spürt Tatjana auch bei der Gruppenstunde. Zum Schluss massiert Tatjana ihnen der Reihe nach die Hände mit einem pflegenden Lavendelöl. Sanft streicht die Aromapflegerin über Annelies Fröhlichs Hände und massiert das duftende Öl gleichmäßig auf ihre Haut. Als sie fertig ist, streicht die 94-Jährige ihrer Tischnachbarin Margarete Blaser mit dem Handrücken über die Wangen. „Oh, meine Haut duftet so gut und ist so schön weich“, freut sie sich. „Jetzt bräuchte ich nur noch jemanden den ich streicheln kann.“

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