Predigt zum Ostersonntag, 9. April 2023

Predigt zu 1. Korinther 15, 1-11; Diakoniegemeinde St. Laurentius, Neuendettelsau; Dr. Mathias Hartmann

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Liebe Gemeinde!

Wie wird die „Künstliche Intelligenz“ unser Leben verändern? - Seit vor einigen Wochen durch die Medien ging, dass mit ChatGPT der erste KI verwendende Chatbot einfach und kostenlos für jeden benutzbar ist, reißt die Diskussion nicht mehr ab. Viele Menschen sind überzeugt, dass sich mit diesem Schritt unser Bildungswesen, unsere Arbeitswelt, ja unser gesamter Alltag ganz grundlegend verändern wird: Schüler und Studierende, die ihre Hausarbeiten nicht mehr selbst formulieren, sondern nur die Aufgabenstellung in ChatGPT eingeben und dann eine fertige Lösung herausbekommen. Journalisten, die von ChatGPT vorformulierte Artikel vor der Veröffentlichung nur noch überarbeiten. Nachrichten und E-Mails, die von ChatGPT geschrieben und beantwortet werden. Das und noch vieles mehr scheint möglich und wird in seinen Auswirkungen für unser Leben im 21. Jahrhundert bewertet. Und bei dieser Bewertung erleben wir etwas, was wir oder unsere Vorfahren schon vielfach beim Aufkommen von technischen Neuerungen wie dem PC, dem Smartphone oder sogar der Elektrizität und dem Auto erlebt haben: extreme Meinungen. Da gibt es die einen, die vor den negativen Folgen der KI warnen. Sie fordern gesetzliche Grenzen für die Anwendung von KI, und manche prophezeien gar die Übernahme der Weltherrschaft durch mit KI ausgestattete Roboter. Und da gibt es die anderen, die überwältigende Chancen und Möglichkeiten in der Anwendung der KI sehen und fordern, dass noch mehr Forschungsgelder in die Entwicklung ihrer Möglichkeiten gesteckt wird.

Wie wird die „Künstliche Intelligenz“ unser Leben verändern? Keiner weiß es genau, und es gibt so viele unterschiedliche Antworten auf diese Frage, wie es Menschen gibt, die sich damit beschäftigen. Und manchmal habe ich den Eindruck, dass die Antwort auf diese Frage, die jemand findet, viel eher mit der Art und Weise zu tun hat, wie Menschen grundsätzlich mit Veränderungen umgehen und welche grundsätzliche Einstellung zum Leben sie haben. Wenn sie hoffnungsvoll und optimistisch sind, dann tendieren Menschen eher dazu, die Chancen von Veränderungen zu betonen und sie positiv zu sehen. Wenn sie eher pessimistisch in die Zukunft schauen, dann werden sie vor möglichen negativen Folgen von Veränderungen warnen und eher die Risiken benennen. Und: Bitte verstehen Sie mich nicht falsch! Ich glaube beides ist in Ordnung, und wahrscheinlich sind auch beide Sichtweisen notwendig. Ich möchte aber deutlich machen, dass unsere Bewertung von Veränderungen viel mit unserer grundsätzlichen Sichtweise auf das Leben zu tun hat – manchmal mehr als mit der Veränderung selbst.

Auch der Apostel Paulus und die Christen in Korinth im 1. Jahrhundert nach Christus hatten viel mit Veränderung zu tun. In unserem heutigen Predigttext schreibt Paulus den Gemeindegliedern in Korinth und blickt auf die Veränderungen zurück, die sie und auch er persönlich erlebt haben.

Ich lese den Predigttext aus dem 1. Korintherbrief Kapitel 15:

151Brüder und Schwestern, ich will euch auf die gute Nachricht hinweisen, die ich euch verkündet habe. Ihr habt sie ja angenommen, und ihr steht fest auf diesem Grund. 2Ihr werdet gerettet, wenn ihr daran festhaltet. Bewahrt den Wortlaut, den ich euch verkündet habe. Wenn ihr das nicht tut, wärt ihr vergeblich zum Glauben gekommen. 3Was ich euch weitergegeben habe, habe ich selbst als Überlieferung empfangen. Grundlegend ist: Christus ist für unsere Sünden gestorben, wie es in der Heiligen Schrift steht. 4Er wurde begraben und am dritten Tag auferweckt, wie es in der Heiligen Schrift steht. 5Er hat sich Kephas gezeigt, danach auch den Zwölf. 6Später zeigte er sich über fünfhundert Brüdern und Schwestern auf einmal. Die meisten von ihnen sind noch am Leben, einige sind aber gestorben. 7Danach hat er sich Jakobus gezeigt, schließlich allen Aposteln. 8Ganz zuletzt hat er sich auch mir gezeigt – also gleichsam einem Missratenen. 9Ich bin nämlich der unwürdigste unter den Aposteln. Ich verdiene es nicht, Apostel genannt zu werden. Denn ich habe die Gemeinde Gottes verfolgt. 10Aber durch die Gnade Gottes bin ich, was ich bin. Und seine Gnade, die er mir erwiesen hat, blieb nicht ohne Wirkung. Im Gegenteil: Ich habe mehr für die gute Nachricht gearbeitet als alle anderen Apostel. Aber das habe nicht ich getan, sondern die Gnade Gottes, die mit mir ist. 11Gleichgültig, ob ich es sage oder die anderen Apostel: Das ist unsere Verkündigung und der Glaube, den ihr angenommen habt.

Soweit die Gedanken von Paulus zu Veränderung. Lassen Sie uns noch einmal genau nachdenken, was er zu Veränderung zu sagen hat und was seine Gedanken heute, am Ostersonntag im Jahr 2023, mit uns zu tun haben könnten.

Der erste Gedanke: (1) Erfahrungen prägen unser Leben und unsere Sichtweise auf Veränderungen.

Paulus erzählt in seinem Brief an die Menschen in der christlichen Gemeinde in Korinth von einer sehr einschneidenden Veränderung in seinem persönlichen Leben. Paulus hat von einem auf den anderen Moment sein Leben komplett auf den Kopf gestellt. Er, der jüdische Theologe, hatte die nach dem Tod Jesu entstandene Jesusbewegung als Sekte bekämpft und die christlichen Gemeinden verfolgt. Doch von einem auf den anderen Tag wurde Paulus zu einem der engagiertesten Christen und demjenigen, der sich in diesen ersten Jahrzehnten nach dem Tod Jesu vielleicht am erfolgreichsten für die Verbreitung des christlichen Glaubens einsetzte. Diese Veränderung wurde durch eine Erfahrung verursacht, die Paulus als Begegnung mit dem auferstandenen Christus beschreibt. Was genau er erlebt hat, wissen wir nicht. Die Beschreibungen des Geschehens im Neuen Testament und auch durch Paulus selbst sind nur holzschnittartig. Aber es muss eine Erfahrung gewesen sein, die Paulus ermutigt hat, eine große Veränderung in seinem Leben vorzunehmen – ja sein Lebensmodell völlig umzustellen.

Vielleicht kennen sie etwas Ähnliches – entweder aus Erzählungen von anderen oder sogar aus eigenem Erleben. Manchmal machen Menschen Erfahrungen, die sie ihren bisherigen Lebensweg überdenken lassen und zu mehr oder weniger deutlichen Veränderungen veranlassen. Das können positive oder negative Erfahrungen sein, selbst gewählte und sich langsam ereignende oder plötzlich und unvermittelt auftretende Ereignisse. Ein beruflicher Erfolg oder Misserfolg, eine Begegnung mit einem Menschen, eine Trennung, eine Reise mit ganz neuen Perspektiven, eine Erkrankung, ein besonderes Erlebnis in der Natur. Solche Erfahrungen können ein Leben komplett verändern. Gut ist es, wenn Menschen die Veränderungen in ihrem Leben akzeptieren und positiv gestalten können. Das fällt nicht immer leicht, und manchmal braucht es seine Zeit, bis man die Veränderung in seinem Leben vollzogen hat und vielleicht auch erst rückblickend als positiv bewerten kann. Paulus jedenfalls kommt für sich persönlich in der Rückschau zu der Aussage: „(…) durch die Gnade Gottes bin ich, was ich bin.“ Das war der erste Gedanke des Paulus: Erfahrungen prägen unser Leben und unsere Sichtweise auf Veränderungen

Und nun der zweite Gedanke: (2) Wir entscheiden selbst, mit welcher Einstellung wir an die Veränderungen herangehen, die uns begegnen.

Paulus weist die Menschen in der christlichen Gemeinde in Korinth in seinem Brief eindringlich darauf hin, was der Inhalt ihres Glaubens ist, den sie angenommen haben. Er schreibt Ihnen: „Brüder und Schwestern, ich will euch auf die gute Nachricht hinweisen, die ich euch verkündet habe. Ihr habt sie angenommen, und ihr steht fest auf diesem Grund. Ihr werdet gerettet, wenn ihr daran festhaltet.“ Das bedeutet doch nichts anderes als: „Ihr entscheidet, wie ihr Euer Leben gestaltet. Ihr habt euch bereits entschieden, die Veränderung in eurem Leben durch die Botschaft von Jesus zuzulassen – und ihr entscheidet, ob das weiter so bleiben soll.“

Auch wir erleben im Moment in unserer Kirche und in unserer Gesellschaft ganz viele Veränderungen, die auf uns zukommen: die vielfältigen Krisen zum Beispiel – von der Corona-Pandemie, dem Ukrainekrieg bis hin zur Klimakrise. Und alle diese Krisen haben Auswirkungen auf uns als Gesellschaft, auf Institutionen und Organisationen und auf jeden von uns persönlich. Der durch die Pandemie veränderte Umgang mit anderen Menschen, das extrem gebeutelte Gesundheitswesen, die hohen Energie- und Lebensmittelpreise, die Inflation. Jede und jeder von uns spürt die Auswirkungen dieser Krisen. Unser Leben verändert sich gerade rasant. Auch die Kirchen verändern sich durch langjährigen Mitgliederschwund und gesellschaftlichen Bedeutungsverlust. Inzwischen sind deutschlandweit weniger als die Hälfte der Menschen Mitglied einer der großen christlichen Kirchen.

Der Gedanke von Paulus kann uns darauf aufmerksam machen, dass wir selbst entscheiden, wie wir mit den Veränderungen umgehen, die auf uns zukommen. Wir können diese großen Entwicklungen nicht verhindern oder grundlegend anpassen. Aber wir entscheiden selbst, wie wir darauf reagieren. Wir sind selbst am Steuer unseres Lebens, und wir können Entscheidungen treffen. Unsere Einstellung, mit der wir auf Veränderungen reagieren, ist entscheidend.

Und nun noch der dritte Gedanke: (3) Der Glaube an die Auferstehung kann uns hoffnungsvoll mit Veränderungen umgehen lassen.

Zentral steht in unserem heutigen Predigttext die Botschaft von der Auferstehung Jesu. Paulus macht den Menschen in der christlichen Gemeinde in Korinth noch einmal klar, dass diese Botschaft das Fundament seines und ihres Glaubens ist. Die Botschaft von der Auferstehung Jesu macht deutlich, dass der Tod und alles Negative, Lebensfeindliche nicht das letzte Wort haben. Die Botschaft von der Auferstehung Jesu macht deutlich, dass Gott Macht über den Tod hat und Leben ermöglichen will. Und die Botschaft von der Auferstehung Jesu macht darum auch deutlich, dass es sogar angesichts von Krisen und extremen Herausforderungen möglich ist, Hoffnung zu haben.

Diese Hoffnung, die wir heute am Ostersonntag mit vielen anderen auf der Welt teilen, kann zu einer wichtigen Grundlage für die Gestaltung unseres Lebens, unserer Kirche und unserer Gesellschaft werden. Diese Hoffnung kann uns zum Handeln bringen - auch angesichts enormer persönlicher und gesellschaftlicher Herausforderungen. Sie kann uns dazu bringen, an die Zukunft zu glauben und konstruktiv mit Veränderungen umzugehen. Sie kann uns Energie geben, an der Reform unseres Gesundheitswesens mitzuwirken, uns für Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten einzusetzen, die Energiewende mit zu unterstützen, um den Klimawandel zu stoppen. Diese Hoffnung kann uns dabei helfen, das neue Gesicht unserer Kirche unter veränderten Rahmenbedingungen zu gestalten. Und diese Hoffnung kann uns auch dabei unterstützen, die Veränderungen in unserem persönlichen Leben anzunehmen und positiv in unser Leben einzubauen. Die Osterbotschaft lautet: „Das Leben siegt über den Tod! Hoffnung ist stärker als Resignation.“

Um noch einmal zur Anfangsfrage zurückzukehren: Und welche Rolle wird die „Künstliche Intelligenz“ bei der Bewältigung der Herausforderungen spielen? Nun, ich glaube, wir können da ganz ruhig bleiben. Ich habe ChatGPT auch bereits ein paarmal ausprobiert. Es hat ganz gut funktioniert und spannende Ergebnisse gebracht. Als ich ihm aber den Auftrag gegeben habe, eine Einleitung für eine Osterpredigt zu formulieren, war ich mit dem Ergebnis nicht sehr zufrieden. Ich habe mich daher entschieden, die Predigt lieber selbst zu formulieren. Ich glaube, wir sollten mit dieser neuen Technik offen und hoffnungsvoll umgehen. Wir sollten aber nicht zu viel erwarten. Die anstehenden Herausforderungen müssen wir sicher noch alle selbst lösen – und das können wir, wenn wir mutig und hoffnungsvoll an die persönlichen und gesellschaftlichen Veränderungen herangehen. Ganz im Sinne des Paulus: Geprägt durch unsere Erfahrungen, getrieben durch bewusste Entscheidungen und beflügelt von unserer Hoffnung!

Ich wünsche Ihnen und Ihren Lieben ein frohes und gesegnetes Osterfest!

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.

Amen.