Vorletzter Sonntag im Kirchenjahr, 17. November 2019

Predigt über Matthäus 25, 31-40; Vorletzter Sonntag des Kirchenjahrs, 17. November 2019, 9.30 Uhr; St. Laurentius, Neuendettelsau; Kirchenrat Dr. Wolfgang Schürger

Liebe Schwestern und Brüder in Christus - und heute vor allem: liebe neue Mitarbeitende im Diakonat,

das heutige Evangelium, das wir vorhin gehört haben, wird gerne mit „Die Werke der Barmherzigkeit“ überschrieben. Es ist einer der grundlegenden Texte, wenn es darum geht, das diakonische Handeln von Christinnen und Christen zu begründen. Kaum eine diakonische Einrichtung, in der sich nicht an prominenter Stelle ein Bild findet, in dem diese Werke der Barmherzigkeit dargestellt sind.

Hungrigen zu essen und Durstigen zu trinken geben, Bedürftige kleiden, Fremden Heimat geben, Kranke und Gefangene besuchen – das war zu Zeiten Jesu, im Römischen Reich, nicht selbstverständlich und das ist es auch heute nicht. Das haben wir in den letzten Wochen erst wieder in der Diskussion um die Grundrente oder die Kürzungen bei den Hartz-IV-Leistungen beobachten können.

Jesus selbst ist immer wieder zu diesen Menschen am Rand der Gesellschaft gegangen, hat Kranke geheilt und mit denen zusammen gegessen, die von anderen ausgegrenzt wurden. Mit diesem Gleichnis vom Weltgericht macht er deutlich, dass wir ihm selbst begegnen, wenn wir uns in seiner Nachfolge zu den Ausgegrenzten und Bedürftigen unserer Gesellschaft hin bewegen und ihnen Wege zu einem würdigen Leben eröffnen. Leben in der Nachfolge Jesu ist Leben im Dienst am Nächsten. Wilhelm Löhe hat das im Diakonissenspruch allen diakonischen Gemeinschaften - aber eben nicht nur diesen! - ins Stammbuch geschrieben: „Was will ich? Dienen will ich! Wem will ich dienen? Dem Herrn in seinen Elenden und Armen.“ Wer wach in die Welt schaut, der oder die merkt, dass die Verteilungskämpfe zunehmen - bei uns in Deutschland und weltweit, Löhes Diakonissenspruch ist daher so aktuell wie schon lange nicht mehr.

Freilich, die Vorstellungen, wie dieser Dienst der Nächstenliebe auszuüben ist, haben sich über die Zeiten verändert. Wir wissen, wie entbehrungsreich das Leben mancher Generationen von Diakonissen oder auch Ordensleuten war, wir wissen, wie viele Gemeinschaften heute mit der Altersversorgung kämpfen, weil die Mitglieder der Gemeinschaft zwar die Krankenhäuser oder Altenheime des Ordens am Laufen gehalten haben, aber nie richtig in die Sozialversicherung eingezahlt haben. Das hat sich - Gott sei Dank! - hier in Neuendettelsau schon vor geraumer Zeit geändert, die Diakonissengemeinschaft betont daher auch in ihren Erläuterungen zu Löhes Diakonissenspruch: „Wir Diakonissen stehen heute ebenso in den Arbeitsverträgen und verdienen unser Geld wie alle anderen Arbeitnehmenden auch. Doch Gewinnoptimierung braucht nicht unser Maßstab zu sein.“ Eine solide Sozialversicherung für diejenigen, die heute im Dienst am Nächsten Vollzeit tätig sind, gehört zum Dienst eines diakonischen Dienstgebers an seinen direkten Nächsten, den Mitarbeitenden.

Das ist die Konsequenz aus der Professionalisierung des Dienstes am Nächsten, wie wir sie hier in Deutschland in den letzten 50 Jahren beobachten konnten. Diese Professionalisierung hat vor allem großen diakonischen Trägern um die Jahrhundertwende herum immer wieder den Vorwurf eingebracht, „nur noch“ Sozialunternehmen zu sein, denen das christliche Profil verloren geht. Und das, obwohl es zu allen Zeiten meist eine hohe intrinsische Motivation der Mitarbeitenden gab, also Mitarbeitende aus dem eigenen Innersten heraus überzeugt waren, dass es gut ist, als Christin oder Christ in einem diakonischen Unternehmen zu arbeiten. Es war eine visionäre Entscheidung von Hermann Schoenauer, dem ehemaligen Rektor, und anderen, diese innere, christliche Motivation zu heben, Mitarbeitende in der Sprachfähigkeit ihres Glaubens zu stärken und zum bewussten Dienst am Nächsten als Christinnen und Christen zu befähigen. In einer Zeit, in der sich die Mitglieder der traditionellen Gemeinschaften mehr und mehr aus der aktiven Arbeit in den Feierabend zurückziehen müssen, bleibt so das christliche Profil einer diakonischen Einrichtung weiterhin deutlich erkennbar, ja mehr noch: Es entwickelt sich ein neues, zeitgemäßes christliches Profil, das auf andere Einrichtungen ausstrahlen kann, die nicht in der Tradition der Mutterhäuser stehen.

Als Mitarbeitende im Diakonat stehen Sie - wie die Diakonissen während ihrer aktiven Berufstätigkeit - in einem normalen Arbeitsverhältnis. Doch mit ihrem Engagement als Mitarbeitende im Diakonat machen Sie deutlich, dass auch für Sie Gewinnoptimierung nicht der alleinige Maßstab ist. Als Mitarbeitende im Diakonat leben auch Sie aus der „heiligen Sorglosigkeit“, von der die Diakonissengemeinschaft spricht, und die uns dazu befreit, jenseits aller Wirtschaftlichkeitsrechnungen auf die Bedürftigen zuzugehen und das Nötige mit ihnen zu teilen. Im Alltag unserer Einrichtungen handelt es sich bei diesem Nötigen nur allzu oft um Zeit und persönliche Zuwendung, die Sie anderen - und damit Christus selbst - schenken.

Als Mitarbeitende im Diakonat machen Sie deutlich, dass wir nicht aus uns selbst heraus und um uns selber willen leben, sondern dass unser Leben getragen und geborgen ist in Gott. Getragen von seiner Zuwendung und Liebe können wir selber von dieser Zuwendung und Liebe weitergeben. Und auch damit leben Sie eine Maxime weiter, die der Diakonissengemeinschaft so wichtig ist: „Dankbarkeit als Grundhaltung des Lebens schafft eine hohe Lebensqualität“, heißt es in den Erläuterungen zu Löhes Diakonissenspruch, „und macht erfinderisch, wie wir diese Freude weitergeben können.“

Diese Dankbarkeit und Freude lassen sich übrigens einüben, ich habe das selber vor einiger Zeit von Anselm Grün, dem Benediktiner aus Münsterschwarzach, gelernt: Nehmen Sie sich einfach am Morgen die Zeit, den Tag mit Lob und Dank zu beginnen: Dank für die Ruhe der Nacht, Lob für den neuen Tag, der anbricht. Nehmen Sie die Fülle des Lebens um sich wahr, egal, ob es die eigenen Kinder, der Partner oder die Bäume im Garten sind - und loben Sie Gott für die Fülle, mit der er uns Tag für Tag beschenkt! Ich merke, wie es mich auch durch schwere und anstrengende Tage trägt, wenn ich den Tag mit solch einem Moment des Lobes und der Dankbarkeit beginne!

Wer in so einer Grundhaltung der Dankbarkeit in der Nachfolge Jesu lebt, für den oder die ist dann Vieles selbstverständlich, was andere als besonders erleben: Wie spontan und kurz entschlossen haben zum Beispiel viele Kirchengemeinden seit dem Jahr 2015 auf die Not geflüchteter Menschen reagiert - und wie viele Menschen haben auf diese Weise bei uns Heimat gefunden! Doch diese Grundhaltung geht weiter, bis tief in unseren Alltag hinein: Wenn ich aus der Dankbarkeit Gott gegenüber lebe, und wenn ich weiß, dass mir im Nächsten Christus selbst begegnen will, dann bin ich sensibel für die Nöte der anderen - und dann versuche ich aber auch, in der schwierigen Kollegin oder dem schwierigen Kollegen das geliebte Kind Gottes zu erkennen, dann will mir auch in ihm oder ihr Christus begegnen.

Als Vorgesetzte muss das für uns heißen, immer wieder nach den Potenzialen der Mitarbeitenden zu suchen, als Kolleginnen und Kollegen, sich bei Problemen oder Streit an diese gemeinsame Grundlage zu erinnern - und sei es mit dem schönen Wort „In Gottes Zoo gibt es viele seltsame Tiere.“ Getragen von der Liebe Gottes können wir immer wieder auf unsere Nächsten zugehen. „Im Nächsten könnte dir Christus begegnen!“- wo wir in diesem Wissen, in dieser Grundhaltung leben und arbeiten, da verändert sich unser Miteinander, da entsteht diakonisches Profil, da geben wir lebendiges Zeugnis vom Evangelium. Der diakonische Dienst in seinen vielfältigen Formen - er ermöglicht vielen Menschen den „einfachen Zugang zur Liebe Gottes“, den das Zukunftspapier „Profil und Konzentration“ unserer Landeskirche fordert.

Ich bin daher sehr dankbar für 20 Jahre Mitarbeit im Diakonat in Neuendettelsau, ich bin sehr dankbar für den Verständigungsprozess zu den Formen des Diakonats, den wir im ersten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts durchlaufen haben - und ich bin Ihnen Elf sehr dankbar, die Sie sich heute als Mitarbeitende im Diakonat beauftragen lassen: Sie haben Teil am Dienst des Evangeliums in einer Welt, die die Zuwendung und Liebe Gottes wieder nötiger braucht denn je. In der Vielfalt dieser Dienste des Evangeliums tragen wir das Unsere dazu bei, dass am Ende dieser Welt nicht Chaos und Zerstörung stehen, sondern die Herrlichkeit der neuen Erde Gottes und die versöhnte Gemeinschaft seiner Geschöpfe. Gott segne Sie in Ihrem Dienst! Amen.



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