Predigt zum Reformationssonntag am 03. November 2024,
von Dekan i.R. Peter Huschke
Liebe Gemeinde,
wenn ich in dieser Jahreszeit mit fallenden Blättern und düsterem Nebel, aber doch auch goldenem Herbst mit nochmals so richtig schön wärmender Sonne über mich und mein Leben, über Gott, die Menschen und die Welt um mich herum nachdenke, tut mir das Hören auf Luther und seine Gedanken zur Reformation gut.
Es gibt beim Nachdenken einerseits immer wieder etwas, worüber ich mich freue und glücklich bin in der Familie und sonst in der Welt.
Aber mich überfallen verstärkt großer Zweifel, Angst und Unsicherheit im Blick auf Menschen, die ich liebhabe, und auf das, was hier in Neuendettelsau sich ereignet und in der Welt um uns herum.
Ich brauche da immer wieder Halt und will meinem eigenen Gejammer und meinen Zweifeln auch an Gott nicht auf den Leim gehen.
Da tut es mir gut, dass ich – wie Martin Luther das eben in unserem Lied formuliert hat - mich daran erinnere, was Gott an uns gewendet hat. Ich brauche die Erinnerung an das, was Gott an uns gewendet hat, damit ich nicht meiner eigenen Trübsal, meiner oft allzu negativ geprägten Sicht von Gegenwart verfalle, damit ich nicht nur Unschönes, Böses und Scheitern um mich herum wahrnehme.
Was Gott an uns gewendet hat, erklang für Luther in einer Bibelstelle aus dem Römerbrief besonders deutlich, die wir vorhin gehört haben und die gedruckt vor Ihnen liegt. In den Jahren 1514 und 1515 hielt Martin Luther Vorlesungen über dies en Römerbrief des Apostels Paulus. Uns liegt heute noch vor, was Luther damals gesagt hat, was er meinte mit dem „was Gott für uns gewendet hat“. Ich beziehe mich in dieser Predigt oft auf Luthers Worte und Gedanken, die er zu und mit den Worten aus dem Römerbrief formuliert hat. Luther sagt:
Was Gott an uns gewendet hat, ist nicht die Gerechtigkeit des eigenen Wollens des Menschen. Es ist die Gerechtigkeit, mit der Gott den Menschen bekleidet, wenn er den Gottlosen rechtfertigt. Gott sieht uns in seiner Liebe als Gerechte, als für ihn Wertvolle an. Somit ist der Weg zu Gott für uns frei. Wir können zu Gott kommen, weil Gott uns als gerechtfertigte Gottlose behandelt und leben lässt.
Was Gott an uns gewendet hat, ist für Luther nicht der Glaube, den wir erbringen und den wir uns als Leistung zugutehalten, sondern das, womit wir an Gott glauben. Der Glaube an Gott ist Gottes Geschenk durch Jesus Christus für uns. Somit ist der Weg zu Gott für uns als gerechtfertigte Gottlose frei. Wir können zu Gott kommen, weil Gott uns den Glauben an ihn für unser Zutun, Leben und Handeln schenkt, damit wir was daraus machen - aus seinem Geschenk.
Oder wie es Luther in den Worten des Paulus wichtig wurde:
Doch jetzt gibt es einen anderen Weg, wie man – unabhängig vom Gesetz – für Gott als gerecht annehmbar werden kann, einen Weg, der ebenfalls von Gesetz und Propheten bezeugt wird. Dieser neue Weg führt über den Glauben an Jesus Christus und steht für alle offen, wenn sie nur glauben. Das Neue besteht darin, dass der Sinn des Gesetzes, dass nämlich Menschen gerecht sein sollen, durch Glauben erlangt wird. Dann nach unserer Auffassung wird ein Mensch nie durch Werke gerecht, die das Gesetz fordert, sondern durch Glauben.
Mit diesem Neuen, was Paulus als Geschenk Gottes beschreibt, hat Gott in der Tat viel gewendet – für uns, zum Guten, hin zu Gott – auch wenn damit nicht alles eitel Sonnenschein geworden ist.
Überhaupt nicht – wir bleiben eben gerechtfertigte Gottlose:
Paulus beschreibt das in aller Härte – was Luther beeindruckt hat:
Den gewaltsamen Tod hat Gott als Anlass genommen, um Jesus Christus für alle und öffentlich zum Ort der Vergebung zu machen.
Da, wo Gottes Sohn am tiefsten Punkt der Erniedrigung, am Kreuz, im furchtbaren Leiden und in menschenverachtender Ungerechtigkeit für uns zu sehen ist, da erfahren die Menschen Gottes Vergebung.
Da wo wir eben aufhören, von Gott noch irgendetwas zu erwarten und ihm oder gar uns Menschen noch irgendetwas zuzutrauen, da erleben wir Gottes Vergebung. Obwohl wir Menschen so sind wie wir sind, schenkt Gott uns den Glauben an ihn. Obwohl wir Menschen so sind, wie wir sind – fähig für die schlimmsten Verbrechen -sieht Gott uns als seine Gerechten, als seine geliebten Kinder an. Nicht einmal die Tatsache, dass wir fähig sind, so etwas wie den Tod von Menschen am Kreuz auszuführen, hält Gott von uns ab. Mit den Worten, die Luther wichtig wurden, heißt das bei Paulus:
Alle sind wir Sünder, und wir haben auch nicht das kleinste Fünkchen von Gottes Lichtglanz und Herrlichkeit. Da gibt es keinerlei Unterschiede zwischen Juden und Nichtjuden.
Liebe Gemeinde, zu dem, was Gott an uns in seiner Liebe gewendet hat, gehört also auch so ein kritischer, nüchterner Blick auf uns: Wenn wir nur auf das schauen, was wir anrichten, fällt das Urteil über uns oft genug schlecht aus. Jeder und jedem von uns fällt da sicher einiges ein, wo Gott uns eigentlich nur als Sünderin oder Sünder sehen kann.
Liebe Gemeinde, auch das ist also etwas, was Gott an uns gewendet hat:
Wir brauchen uns da nichts mehr vorzulügen. Wir brauchen die Dinge bei uns und in der Welt nicht schön zu reden. Wir können zu Schuld stehen. Gott kennt uns doch. Gott liebt uns doch – auch mit dem. wo wir versagt haben und wo wir schuldig geworden sind.
Mit seiner Liebe schenkt uns Gott trotz allem Lichtglanz und Herrlichkeit. Er will, dass wir uns doch noch ändern und will uns dafür den Weg eröffnen. Somit ist der Weg zu Gott für uns trotzdem frei. Wir können zu Gott kommen, weil Gott uns durch den Glauben an ihn Lichtglanz und Herrlichkeit schenkt. Wir können in seinem Lichtglanz und seiner Herrlichkeit durch seine Gnade leben und handeln.
Nebenbei, liebe Gemeinde, ist damit unserem Hochmut gegenüber anderen und unserer Überheblichkeit jegliche Grundlage entzogen., wenn es gilt was Paulus eben über alle Menschen – Sie und mich eingeschlossen - sagt. Alle sind wir Sünder. Es gibt da keine Menschen erster und zweiter Klasse, bessere und schlechtere.
Es gilt aber eben auch für alle Menschen - und Gott sei Dank auch für Sie, liebe Gemeinde, und für mich ebenso, was Paulus schreibt und Martin Luthers Reden vom Glauben geprägt hat:
Dieser neue Weg führt über den Glauben an Jesus Christus und steht für alle offen, wenn sie nur glauben. Da gibt es keinerlei Unterschiede zwischen Juden und Nichtjuden. Denn Jesus Christus hat die Menschen befreit. Gott hat jetzt gezeigt, dass er selbst gerecht ist, das heißt, dass er aus reiner Barmherzigkeit Gemeinschaft mit Menschen will, und er nimmt den Menschen, der an Jesus glaubt, als gerecht an. Der Glaube macht den Menschen für Gott als gerecht annehmbar.
Das hat Gott an uns gewendet, liebe Gemeinde.
Wir Menschen sind für Gott als gerecht annehmbar.
Aus reiner Barmherzigkeit sieht Gott uns Menschen als gerecht an.
Gott weiß, dass wir uns Menschen und unsere Welt - eben als Sünder – oft aus guten Gründen so negativ und perspektivlos erleben und ohne ihn zu Recht an uns und an Gott verzweifeln.
Gott schließt sich aber unserem begründeten Blick nicht an.
Gott sieht uns mit den Augen seiner Liebe in reiner Barmherzigkeit an. Er traut uns zu, dass wir mit seiner Liebe im Glauben Gemeinschaft mit Menschen zustande bringen – wie Gott selber.
Selbst Jesu Tod am Kreuz konnte Gottes Liebe zu den Menschen, seine Gemeinschaft mit Menschen nicht klein kriegen.
Nicht mit unseren tollen Taten oder unseren Leistungen, aber sehr wohl durch Gottes Liebe und Gottes uns geschenktem Glauben schaffen wir es, viel in unserem Leben und in dieser Welt in der Gemeinschaft mit Menschen und mit Gott zustande zu bringen.
Das traut Gott uns zu. Das dürfen wir uns zutrauen.
Wir brauchen also nicht pessimistisch und hoffnungslos zu sein.
Unser Glaube, den uns Gott geschenkt hat, ist keiner, der die Dinge negativ sieht.
Martin Luther ist durch die Worte des Paulus im Römerbrief wichtig und klargeworden, was Gott für alle seine Menschen getan hat, und gibt das auch uns mit auf unseren Weg durch das Leben:
Das Neue besteht darin, dass der Sinn des Gesetzes, dass nämlich Menschen gerecht sein sollen, durch Glauben erlangt wird. Denn nach unserer Auffassung wird ein Mensch nie durch Werke gerecht, die das Gesetz fordert, sondern durch Glauben.
Das hat Gott an uns gewendet: Wir können durch den Glauben gerecht sein vor Gott und füreinander. Wir können auch als Sünder Gottes Gesetze in unserem Alltag umsetzen und aus Gottes reiner Barmherzigkeit als Gottes geliebte Menschen leben und handeln.
So sind wir heute eben als die, die wird sind, an Gottes Tisch beim Abendmahl eingeladen. Das hat Gott an uns gewendet.
So kommt der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, auf uns und bewahrt unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen.