Predigt zum Ehrenamtsgottesdienst am 28. September 2024,
Pfarrer Dr. Peter Munzert
Liebe Ehrenamtliche, liebe Mitarbeitende!
„Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“ Die Jahreslosung 2024 ist ein wunderbares Motto für dieses Jahr. Das Ehrenamtsteam hat sich von dieser Losung inspirieren lassen und sie für diesen Gottesdienst ausgewählt.
I.
Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe. Es wird sie nicht wundern, dieser Bibelvers hat schon viele Brautpaare angesprochen und wurde oft als Trauspruch ausgewählt. Das ist übrigens der Wortlaut der ökumenischen Einheitsübersetzung. In der Lutherübersetzung klingt das so: Alle eure Dinge lasst in der Liebe geschehen.
Für ein Brautpaar ist das ein wunderbares Bibelwort am Anfang des gemeinsamen Weges. Es ist eine Aufforderung, die man sich immer wieder zu Herzen nehmen muss, gerade dann, wenn die erste große Liebe den Herausforderungen des Alltags gewichen ist und man oder frau seinen Partner oder seine Partnerin gerne auf den Mond schießen möchte, aber nur um sie oder ihn später wieder liebevoll in die Arme zu schließen.
Es ist ein guter und ein großer Vorsatz, alle Dinge in der Liebe geschehen zu lassen. Weiß Gott, in allen Beziehungen und Partnerschaften, als Eltern, Betreuer*in, als Kolleg*in, gleich in welcher Rolle wir sind, beruflich oder privat, wir alle möchten mit großen Respekt, Toleranz und Wertschätzung behandelt werden und dies auch so weitergeben. Wir wissen, das ist ein hehrer Vorsatz, der nicht immer gelingt, und manchmal geht uns auch das Temperament mit uns durch.
Aber die Liebe holt uns immer wieder auf den Boden des Alltags zurück. Sie lässt uns durchatmen, Ruhe finden und wieder nach vorne schauen, dorthin, wo sie gebraucht wird.
Ohne die Liebe wäre alles nichts. Also: Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.
II.
Es war im 19. Jahrhundert Johann Hinrich Wichern, der die christliche Liebestätigkeit zum Leitprinzip der Diakonie erhob. Wichern hatte sich in Hamburg verwaister Kinder angenommen. 1833 eröffnete er das Rauhe Haus. Der Name rührt von einer alten Försterei her und verweist nicht auf ein hartes oder strenges Erziehungsprinzip, ganz im Gegenteil, die Kinder sollten Zuwendung bekommen. Sie wohnten im Rauhen Haus in Familiengruppen. Sie bekamen eine Ausbildung und wurde christlich erzogen. Die Gruppenleitungen übernahmen junge Männer, später wurde sie schlicht „Brüder“ genannt.
Es war dann das Jahr 1848, das Jahr der Unruhen, der Versammlung in der Frankfurter Paulskirche, das einen Aufbruch in den deutschen Ländern markierte. In der sächsischen Lutherstadt Wittenberg kamen die protestantischen Honoratioren des Kaiserreiches zu einem Kirchentag zusammen, und überlegten, ob nicht neben einem Deutschen Nationalstaat auch eine Deutsche Nationalkirche gegründet werden sollte. In einer mitreißenden Rede stellte Wichern die soziale Situation in Deutschland in der Mitte des 19. Jahrhunderts dar und kommt zu dem Schluss:
„Eines ist nötig, das die evangelische Kirche in ihrer Gesamtheit anerkenne: Die Liebe gehört mir wie der Glaube!“
Wicherns Rede war der Startschuss für die sogenannte „Innere Mission“, die moderne Diakonie, die praktische Liebestätigkeit, die ihre Kraft aus dem Glauben und der Kirchlichkeit heraus gewinnt.
Mitte des 19. Jahrhunderts wurden dann zahlreiche christliche und auch viele bürgerliche Hilfsvereine gegründet. 1854 gründete Wilhelm Löhe das Neuendettelsauer Diakonissenhaus und 1886 Wilhelm Faulhaber das Diakonissenhaus in Schwäbisch Hall.
Neuendettelsau und Schwäbisch Hall, die anderen großen diakonischen Träger wie die Bodelschwingschen Anstalten in Bethel oder Diakonie in Kaiserswerth, die zahlreichen Stadtmissionen in den großen Städten und die vielen kleinen regionalen Diakonievereine – sie alle wären ohne die Unterstützung aus der Bevölkerung nicht denkbar gewesen und sind es auch heute nicht.
Die Diakonie war noch nie so professionell wie sie es im 21. Jahrhundert ist und gleichzeitig wissen wir, es braucht eine innere Seele, es braucht Menschen mit einem großen Herzen, es braucht ehrenamtliches Engagement, es braucht die spürbare, gelebte Liebe.
„Die Liebe gehört mir wie der Glaube!“, so hob es Wichern hervor.
Es ist wie in einer guten Partnerschaft – nur, dass sie funktioniert, ist fad und zu wenig. Es braucht eine gelebte und spürbare Liebe, damit das Feuer der Liebe sichtbar brennt.
Die Heilige Schrift hat dies wunderbar aufgeteilt im Dreifachgebot der Liebe:
Das höchste Gebot ist das: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und mit all deiner Kraft“ (5. Mose 6,4-5).
Das andre ist dies: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (3. Mose 19,18).
Es ist kein anderes Gebot größer als diese beiden. (Markusevangelium 12,29-31)
Die Liebe zu Gott, zu unseren Nächsten und zu uns selbst. Das ist Kern und Wesen aller Diakonie.
Gott lieben und Kraft aus dem Glauben schöpfen. Das ist das erste. Der Glaube ist für viele von uns eine Quelle der Inspiration, eine Kraftquelle, ein innerer Antrieb, eine starke Motivation, die Halt und Orientierung im Leben gibt.
Die Nächstenliebe gehört untrennbar dazu. Sie ist etwas zutiefst Sinnvolles. Wir verschließen die Augen nicht vor Menschen in Not. Das war schon zu Wicherns, Löhes und Faulhabers Zeit so und auch heute ist es so. Wir machen uns dort auf, wo Menschen Hilfe benötigen.
Und das Dritte ist die Liebe zu uns selbst. Ja, ganz bewusst zu uns selbst. Bei allem Engagement und bei aller Selbstlosigkeit benötigen auch wir Zeiten der Erholung, der Entspannung, des Auftankens und des Lobes. Heute ist so ein Tag des Lobes und des Dankes, für alles, was Sie tun und wo Sie Menschen helfen, wo Sie anderen ein Lächeln auf die Lippen zaubern. Heute wollen wir gemeinsam einen schönen Tag verbringen und miteinander lachen.
Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe. – Das ist wohl biblische Aufforderung, aber eben auch eine liebevolle Haltung.
Sei es als Grüne Dame in der Klinik, sei es in einer Musikgruppe bei Menschen mit Behinderung, sei es beim Einkauf für Bewohner einer Pflegeeinrichtung, sei es beim Spaziergang mit einer Rollstuhlfahrerin, sei es in der Gartenpflege einer Kindertagestätte, oder bei einer Männergruppe im betreuten Wohnen – es gibt so viele tolle Erfahrungen für kreatives, engagiertes und liebevolles Ehrenamt in unseren Reihen.
Das ist gelebte Liebe im Sinne Jesu. Und dafür sagen wir Dank!
Der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.