Predigt vom 2. Sonntag nach Epiphanias, 19.01.2020

Predigt vom 2. Sonntag nach Epiphanias zur Jahreslosung, 19.01.2020, 9.30 Uhr; St. Laurentius, Neuendettelsau; Pfarrer Andreas Wahl

Müssen wir das alles glauben? So, liebe Gemeinde, manchmal die verzweifelte Frage von Konfirmanden, wenn wir über Glauben, das Glaubensbekenntnis oder auch Wundererzählungen aus dem Neuen Testament sprechen. Müssen wir das alles glauben? - Und ich würde die Frage gerne an Sie weitergeben. Müssen die Konfirmanden, müssen wir das alles glauben? Und was müssen wir glauben?

In der Theologie wird in solchen Momenten immer gerne die Dogmatik herangezogen. Sie unterscheidet beim Glauben zwischen notitia, assensus und fiducia. Weiter wird dann unterschieden zwischen Fides quae und Fides qua creditur. Es ist durchaus hilfreich, diese Differenzierung zu kennen: Fides quae creditur meint die Glaubensinhalte, also was ich glaube, die Inhalte, wie sie zum Beispiel im Bekenntnis niedergelegt sind, und Fides qua creditur meint den persönlichen Glauben, das Glaubensleben des Einzelnen, im Lateinischen fiducia, das Vertrauen.

Soweit ganz hilfreich. Was mich daran ein wenig stört, ist das Starre, das Feste, als könnte man Glaube so definieren, ja gar festhalten. Liebe Gemeinde, gibt es denn jemals einen Punkt, an dem wir sagen können: Jetzt haben wir ihn endgültig - den Glauben? Ist Glaube nicht vielmehr ein Weg als ein Ziel?

Gerne würde ich Sie jetzt interviewen, was Glauben für Sie ist. Wie Ihr Glauben sich in Ihrem Leben schon verändert hat. Gerne würde ich Sie fragen, hier in der Kirche, aber besonders auch Sie, die Sie mit uns durch die Übertragungsanlage verbunden sind. In den Feierabendhäusern, den Seniorenhäusern, im Krankenhaus. Allerdings vermute ich, dass unser Gottesdienst dann ein wenig länger dauern würde. Aber spannend wäre es auf jeden Fall.

Um so etwas im kleineren Rahmen zu tun, planen wir gerade ein Projekt, das noch ganz frisch in der Entstehung ist – ein Projekt von Konfirmanden und Senioren, die miteinander ins Gespräch kommen und genau über solche Fragen sprechen können, nämlich wie unterschiedlich Glauben sein kann und wie er sich im Leben auch verändert. Denn Glauben ist in erster Linie ein Beziehungsgeschehen. Ein Beziehungsgeschehen zwischen Gott und Mensch. Und ein Beziehungsgeschehen ist, wie der Name schon sagt, nie starr und fest, sondern immer dynamisch und in Bewegung.

Und genau diese Dynamik wird ja auch in unserer Jahreslosung deutlich: Die Spannung von Glaube und Unglaube. Ich glaube, hilf meinem Unglauben – da ist nichts abgeschlossen und fertig, im Gegenteil. Der Glaube ist eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht. So sagt es der Hebräerbrief: Eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht.

Letztlich ist Glauben somit nichts anderes als Vertrauen. Vertrauen auf das Wort, das uns gesagt ist. Vertrauen auf das Wort, das wir gehört haben. Um dies zu veranschaulichen, möchte ich Ihnen eine Anekdote aus meinem Leben erzählen: Und zwar von meinem ersten Sprung vom Dreimeterbrett. Ich muss ca. sechs Jahre alt gewesen sein und stand also da oben in dieser schwindelerregenden Höhe von drei Metern auf dem Sprungturm im Schwimmbad. Unten am Beckenrand - ganz weit unten - stand mein Vater, und er rief, ich solle springen, es wäre nicht schlimm. Immer wieder rief er: Du kannst ruhig springen, es wird nichts passieren. Er hatte gut reden, er war ja auch unten. Ich stand da oben. Und zwar ganz alleine. Nun, irgendwann nahm ich all meinen Mut zusammen und vertraute darauf, dass nichts passieren würde, und sprang in die Tiefe. Vorsichtshalber hatte ich natürlich die Augen zu gemacht. Und: Es war gar nicht schlimm. Es war auch nichts passiert. Hätte mein Vater doch auch gleich sagen können, dass es nicht schlimm ist.

Liebe Gemeinde, zum Leben wie zum Glauben gehört es dazu, dass man immer mal wieder springen muss. Dass man mit einer neuen Situation, auch mit Schwierigkeiten, klar kommen muss. Bei drei Metern und genug Wasser im Becken mag dies noch vor allem eine Frage der Überwindung sein. Aber manches Mal sind die Höhen in unserem Leben größer, und wir können nicht erkennen, ob das Becken tief genug ist oder ob genug Wasser im Becken ist. Unsicherheit und Angst sind dann nicht weit.

Fürchte dich nicht, glaube nur, so sagt Jesus nur wenige Kapitel vor der Geschichte der Jahreslosung zu einem Synagogenvorsteher, dessen Tochter gestorben war. Fürchte dich nicht, glaube nur.

Der Glaube ist hier also eine Hilfe in unserer Angst. Und doch auch viel mehr: Glaube ist Hilfe zum Leben, gegen alle Mächte des Todes, welche Namen sie auch immer tragen mögen. Um dies zu veranschaulichen, erweckt Jesus die Tochter des Jairus in der angesprochenen Geschichte dann auch wieder zum Leben. Um anschaulich zu machen: Fürchte dich nicht, glaube nur. Glaube als die Kraft, die den Tod überwindet. Ist das nicht Ostern? Die Verbindung von Glaube und Leben.

Diese Verbindung findet sich auch bei Paulus an sehr exponierter Stelle. Er formuliert es im Römerbrief so: Der Gerechte wird aus Glauben leben. Ich würde formulieren: Glauben bedeutet, seinen Lebensweg im Vertrauen auf Gott zu gehen. Glauben ist Leben im Vertrauen auf Gott. Und Leben ist - wie der Glaube - dynamisch, immer wieder Veränderungen unterworfen.

Und so erleben wir manches Mal in unserm Leben die Problematik, wie sie der Hebräerbrief im bereits zitierten Vers nett umschreibt: Der Glaube ist eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht.

Die Dynamik, der Zweifel, ja manchmal gar die Verzweiflung in dunklen Stunden, in den Momenten des Un-glaubens, wird hier nur angedeutet mit „was man nicht sieht“. Aber gerade in den dunklen Stunden möchte man doch so gerne sehen: Ich glaube, hilf meinem Unglauben.

Um hier eine Antwort zu versuchen, habe ich Ihnen zum Abschluss eine Geschichte mitgebracht. Sie erzählt von dem Brauch bei einem der Stämme der Ureinwohner im Amazonas-Gebiet, dass die Jungen auf der Schwelle zum Mann-Sein eine besondere Prüfung zu bestehen haben. Und die besteht darin, dass jeder Junge - sie sind dann so alt wie unsere Konfirmanden - eine Nacht alleine im Urwald verbringen muss.

Und so war es an der Zeit auch für Jucara, einem Jungen im Stamm der Yanomami-Indianer, sich dieser Herausforderung zu stellen. Kurz vor Sonnenuntergang brachte ihn sein Vater tief in den Regenwald hinein und ließ ihn dort alleine zurück. Kaum waren die letzten Sonnenstrahlen erloschen, erschien es Jucara, als ob die Geräusche des Urwaldes plötzlich lauter und bedrohlicher wurden. Zusammen mit seinem Vater durch den Wald zu laufen, hatte ihm nie etwas ausgemacht. Nun aber schreckte er bei jedem Geräusch zusammen. Er hörte das Schreien der Vögel und das Rufen der Affen. War es der Wind, der die Bäume und Äste bewegte, oder war es ein Raubtier, das sich anschlich? Die ganze Nacht verbrachte der Junge voller Angst in dem stockdunklen Urwald. Als die Sonne mit ihren ersten Strahlen den neuen Tag ankündigte, erkannte Jucara schemenhaft hinter einem der Bäume - nur wenige Meter von ihm entfernt - eine Gestalt. Es war sein Vater. Ohne dass der Junge es wusste oder auch nur ahnen konnte, hatte der Vater die ganze Nacht in seiner Nähe gewacht, um ihn zu schützen, falls Gefahr drohen sollte.

Der Glaube ist eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht.

Fürchte dich nicht, glaube nur.

Liebe Gemeinde, ich wünsche uns allen, gerade in den schwierigen Momenten unseres Lebens, das Vertrauen in die Gegenwart Gottes, wie die des Vaters bei seinem Sohn.

Amen. 

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