Predigt vom Sonntag Kantate, 10. Mai 2020

Predigt zu 2. Chronik 5, 2-5+12-14; Sonntag Kantate, 10. Mai 2020, 9.30 Uhr; St. Laurentius, Neuendettelsau; Pfarrerin Karin Goetz

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus,

die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen

Liebe Gemeinde,

für meinen Ordinationsgottesdienst hatte ich mir Psalm 27 ausgesucht. Dort heißt es: „Eins bitte ich vom Herrn, das hätte ich gerne: Dass ich im Hause des Herrn bleiben könne mein Leben lang, zu schauen die schönen Gottesdienste des Herrn und seinen Tempel zu betrachten.“

Zu schauen die schönen Gottesdienste des Herrn.

Dass es im Gottesdienst etwas Schönes zu sehen und zu hören gibt, das empfindet heutzutage nur noch eine kleine Minderheit.

Wir sind verwöhnt. Wir haben gut 100 Fernsehsender, die ununterbrochen Programm senden. Daneben gibt es noch das Bezahlfernsehen und die Streamingdienste. Im Internet gibt es unzählige Videos auf YouTube und anderen Kanälen. Wir können auf sehr viele Radiosender zugreifen. Zuhause haben wir unsere Lieblingsmusik gespeichert und unsere Lieblingsfilme auf DVD. Wenn wir es wollen, werden wir rund um die Uhr unterhalten.

Dagegen sind unsere Gottesdienste reizarm. Da gibt es kein Feuerwerk der Spezialeffekte, das uns in Staunen versetzt. Da ist im Gegenteil Konzentration und Ausdauer gefragt. Da muss man lange stillsitzen und zuhören können. Und aussuchen kann man sich das Programm auch nicht.

Das höchste Lob, das man von Schülern, Konfirmanden und auch von deren Eltern bekommen kann, ist: Oh, das war kurz und nicht langweilig.

Kurz war der Gottesdienst, der in unserem heutigen Predigttext beschrieben wird, sicherlich nicht. Aber kurzweilig schon, denn da gab es Einmaliges zu sehen und zu hören. Unseren Schülern, Konfirmanden und deren Eltern hätte das sicherlich auch gefallen.

Um das Jahr 950 v. Chr. wird der erste Jerusalemer Tempel eingeweiht. Was Salomo zum Einweihungsgottesdienst hat inszenieren lassen, sieht nach ganz großem Spektakel aus: Hollywood in Israel.

Ich lese aus dem 2. Chronikbuch, aus dem 5. Kapitel, Verse 2-5 und 12 bis 14.

2 Da versammelte Salomo alle Ältesten Israels, alle Häupter der Stämme und die Fürsten der Sippen Israels in Jerusalem, damit sie die Lade des Bundes des HERRN hinaufbrächten aus der Stadt Davids, das ist Zion. 3 Und es versammelten sich beim König alle Männer Israels zum Fest, das im siebenten Monat ist. 4 Und es kamen alle Ältesten Israels, und die Leviten hoben die Lade auf 5 und brachten sie hinauf samt der Stiftshütte und allem heiligen Gerät, das in der Stiftshütte war; es brachten sie hinauf die Priester und Leviten.

12 Und alle Leviten, die Sänger waren, nämlich Asaf, Heman und Jedutun und ihre Söhne und Brüder, angetan mit feiner Leinwand, standen östlich vom Altar mit Zimbeln, Psaltern und Harfen und bei ihnen hundertzwanzig Priester, die mit Trompeten bliesen. 13 Und es war, als wäre es einer, der trompetete und sänge, als hörte man eine Stimme loben und danken dem HERRN. Und als sich die Stimme der Trompeten, Zimbeln und Saitenspiele erhob und man den HERRN lobte: »Er ist gütig, und seine Barmherzigkeit währt ewig«, da wurde das Haus erfüllt mit einer Wolke, als das Haus des HERRN, 14 sodass die Priester nicht zum Dienst hinzutreten konnten wegen der Wolke; denn die Herrlichkeit des HERRN erfüllte das Haus Gottes.

Herr, segne dein Wort an uns allen.

Ein neuer Predigttext zu Kantate und dann noch aus den Chronikbüchern. Das ist gleich doppelt neu. Einen Predigttext aus den Chronikbüchern gab es zumindest in neuerer Zeit meines Wissens nach noch nie. Das ist auch nicht verwunderlich. Die Chronikbücher, die Annalen, sind sozusagen das Schlusslicht der dritten Liga. Sie sind dröge zu lesen, ihr Stil ist steril und die Darstellung der Geschichte ziemlich frisiert. Das chronistische Geschichtswerk will am Ende des 4. Jahrhunderts vor Christus ganz bewusst die Zeit der Könige mit anderen Akzenten versehen als es die Samuel- und die Königebücher getan haben. Aber auch das hat etwas für sich, wenn das alte Ideal vom König als Heerführer im Krieg aufgegeben wird zugunsten eines neuen Ideals vom König als Liturg und Zeremonienmeister.

Als solcher wird uns König Salomo präsentiert: Salomo betreibt einen enorm hohen Aufwand, um das Tempelweihfest würdig auszugestalten.

Ein Wort taucht penetrant oft auf, nämlich das hebräische „col“: „alle“, „die Gesamtheit“. Salomo holt wirklich alle und alles für den Gottesdienst zusammen: alle Priester und Leviten – auch die Reserve, alle Führungskräfte und Volksvertreter, alle Menschen.

Beim Tempelweihfest gibt es Einmaliges zu sehen und zu hören: 

Zu sehen gibt es die Bundeslade – der heilige Kultgegenstand der Israeliten schlechthin. Die Truhe wird auf zwei Stangen getragen und enthält unter anderem die zwei Steintafeln mit den zehn Geboten. Die Bundeslade wird normalerweise verborgen gehalten. Sie zu sehen ist für die Festteilnehmer ein einmaliges Erlebnis. Zu sehen gibt es darüber hinaus die Stiftshütte, den zerlegbaren Zelttempel, und noch weitere heilige Geräte: alles Realsymbole für die Gegenwart Gottes bei seinem Volk.

Zu sehen gibt es die Gewänder der Priester und Leviten aus feinster Muschelseide. Und die hochrangigen Besucher sind sicherlich nicht weniger prächtig angezogen. Die Met-Gala, die in der letzten Woche in New York ausgefallen ist, hätte an diesem Aufzug der Roben die reinste Freude gehabt.

Es gibt nicht nur Einmaliges zu sehen, es gibt auch Großartiges zu hören: 

Ein riesiger Chor aus Sängern und Instrumentalisten macht die Tempelweihe zu einem musikalischen Großereignis. Die Leviten, professionelle Sänger, führen Zimbeln, Psalter und Harfen mit sich. Zimbeln sind Becken ähnlich wie beim Schlagzeug. Psalter und Harfen sind melodisch gestimmte Saiteninstrumente - einer Gitarre ähnlich - mit denen der Gesang begleitet wird. Und dann sind da noch 120 Trompeten. Sie werden nicht von den einfachen Tempeldienern geblasen, sondern sie sind den Priestern vorbehalten.

Das Erstaunlichste an dieser Aufführung ist die Einstimmigkeit: „Und es war, als wäre einer, der trompetete und sänge, als hörte man eine Stimme loben und danken dem Herrn.“ Das ist das Wunder, das uns die Musik immer wieder erleben lässt: Da kommen viele Menschen zusammen, verschieden begabt, mit verschiedenen Stimmlagen und Instrumenten. Und doch klingen die vielen Sänger und Musiker wie eine Stimme zusammen.

Der Lobpreis, den sie singen, ist uns wohlbekannt. Es ist der Dankvers, der sich am häufigsten in der Bibel, vor allem in den Psalmen wiederholt. Wir Christen kennen ihn gut, weil wir ihn meist im Anschluss an die Abendmahlsfeier singen.

Danket dem Herrn, denn er ist freundlich und seine Güte währet ewiglich.

Stimmen wir ein in den Chor der Priester und Leviten. Unser Kantor spielt den Dankvers aus dem Gesangbuch: Nr. 333,1.

♫ Danket dem Herrn, wir danken dem Herrn,

denn er ist freundlich und seine Güte währet ewiglich.

In diesem festlichen und von Musik in so besonderer Weise gestalteten Raum kommt Gott zu den Menschen. Die Herrlichkeit Gottes – die Wolke seines Lichtglanzes - erfüllt den Tempel und macht ihn so im wahrsten Sinne des Wortes zum Gotteshaus.

Warum strömen die Menschen scharenweise zu kirchenmusikalischen Konzerten, aber sonntags bleiben die Kirchen leer? Hier haben wir die Antwort auf die Frage, die sich viele Gemeindegremien stellen: In den Klangraum der Musik kann ich mich einfach fallen lassen. Da spüre ich etwas, was ich am Sonntagmorgen trotz brennender Kerzen und vieler Worte nicht so leicht spüre, nämlich ein Stück Gegenwart Gottes, Begegnung mit dem Heiligen. Wenn alle Stimmen und Instrumente zusammenklingen, ein harmonisches Ganzes ergeben und den Raum füllen, kann Musik eine transzendente Erfahrung sein.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, wird unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus bewahren.

Mehr lesen aus dem Magazin zum Thema Spiritualität

Diesen Artikel teilen

Haben Sie Fragen? Wir helfen Ihnen gerne.

Wenn Sie sich näher über unser Angebot informieren möchten, können Sie gerne Ihre
bevorzugte Kontaktmöglichkeit hinterlassen.

Oder rufen Sie uns an unter unserer Service-Nummer:

+49 180 2823456 (6 Cent pro Gespräch)