Predigt vom Ewigkeitssonntag, 22. November 2020

Predigt zu Offenbarung 21, 1-7; Ewigkeitssonntag, 22. November 2020, 9.30 Uhr; St. Laurentius, Neuendettelsau; Pfarrer Norbert Heinritz

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Unser heutiges Bibelwort steht im Buch der Offenbarung 21,1-7:

Das neue Jerusalem

Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr. 2 Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann. 3 Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden seine Völker sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; 4 und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. 5 Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu! Und er spricht: Schreibe, denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiss! 6 Und er sprach zu mir: Es ist geschehen. Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende. Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst. 7 Wer überwindet, der wird dies ererben, und ich werde sein Gott sein und er wird mein Sohn sein.

Liebe Gemeinde,

ich erinnere mich an ein Trauergespräch. Die Frau des Verstorbenen sitzt mir gegenüber. Ihr Mann war lange krank gewesen. Als es immer schlechter wurde, war das Ende absehbar und doch hatte er immer noch Hoffnung auf Heilung. Die Frau erzählte mir von diesen letzten Wochen und Tagen und von seinem Sterben. Sie schaut mich an und sagt: „Und plötzlich ist alles anders.“

Ja, liebe Gemeinde, so ist das. Der Verlust eines Menschen, den ich liebte, mit dem ich eine lange Zeit meines Lebens verbunden war, verändert alles, auch und nicht zuletzt mein eigenes Leben.

Plötzlich ist alles anders.

Das werden viele von Ihnen gedacht und gefühlt haben, unabhängig davon, ob der Tod plötzlich und überraschend kam, dass man erst einmal hinterherkommen musste, oder der Tod als Erlösung nach langem Leid erfahren wurde. Unabhängig, ob wir dem Tod mit der verzweifelten Frage nach dem „Warum“ entgegentreten oder mit der tröstenden Aussage: „Nun hat er, hat sie es geschafft“.

Plötzlich ist alles anders – wenn einem der Ehepartner oder die Ehepartnerin fehlt. Zusammen hat man ein ganzes Leben geteilt, und nun fehlt die Hälfte.

Plötzlich ist alles anders – wenn man sich um Vater oder Mutter gesorgt und gekümmert hat und da war, wenn man gebraucht wurde.

Plötzlich ist alles anders.

Von 65 Menschen haben wir in den vergangenen zwölf Monaten Abschied genommen, die in unseren Diakoneo-Einrichtungen hier in Neuendettelsau lebten oder auf dem Diakoneo-Friedhof beerdigt wurden. 65 mal das Erleben von Abschied und Verlust, so unterschiedlich das jeweils auch gewesen sein mag. 65 mal mussten auf dem Friedhof Worte gefunden werden, die trösten und Kraft geben. 65 mal die Begegnung mit der Endlichkeit von uns Menschen.

Wie viele Gespräche haben Sie da geführt? Erinnerungen ausgetauscht, Trost erfahren, vielleicht auch Enttäuschung? Da tauchen noch einmal die Bilder auf von Erlebtem. Das Fotoalbum wird aus dem Schrank geholt. Die freudigen und schweren Momente eines Lebens ziehen an einem vorüber. Da kommen einem Tränen, da gibt es auch herzliches Lachen. Und nicht selten kann man im Nachhinein noch ganz überraschende Seiten eines Verstorbenen entdecken und sehen, wie reichhaltig ein Leben ist.

Viele von Ihnen haben es sicherlich erfahren, dass Erinnerungen ein Schatz sind, den man im Herzen bewahren kann. „Was waren das für schöne Zeiten, der erste Urlaub am Meer, lange Wanderungen am Strand Hand in Hand.“ - „Ich höre sein Lachen noch. Er war immer so ein fröhlicher Mensch gewesen.“ - „Hier auf dem Sessel hat sie immer gesessen, und ihre Handarbeiten gemacht.“ - „Er hatte immer ein Leuchten in den Augen, wenn ihn die Enkel besuchten.“

Und plötzlich ist alles anders.

Erinnerungen trösten uns. Sie zeigen uns auf, was bei uns bleibt, wenn einer geht. Der Tod kann uns einen Menschen nehmen, aber die Erinnerungen bewahren wir im Herzen. In den Erinnerungen ist der verstorbenen Mensch immer noch da.

Ich weiß, Erinnerungen können auch weh tun, weil sie uns bewusst machen, wie sehr uns ein Mensch fehlt. Und trotzdem sind sie ein Schatz. Erinnerungen trösten und machen dankbar für das, was war und was ich hatte.

Vorhin, liebe Gemeinde, haben wir als Bibelwort einen Abschnitt aus dem letzten Buch der Bibel, aus dem Buch der Offenbarung gehört. Es ist die großartige Vision des Johannes auf der Insel Patmos von einem neuen Himmel und von einer neuen Erde. Diese wunderbaren Worte lenken unsere Gedanken weg davon, alleine aus der Erinnerung zu leben, Trost alleine im Vergangenen zu suchen.

Denn es ist auch mit den Erinnerungen wie mit allem im Leben. Alles hat seine zwei Seiten. Es ist gut, sich zu erinnern, weil es einem hilft, zu leben und zu spüren, dass wir nicht getrennt sind von unseren Verstorbenen. Aber es ist schlecht, in den Erinnerungen hängen zu bleiben, wenn es daran hindert, hier und jetzt zu leben und jeden Tag als Geschenk aus Gottes Hand zu nehmen; wenn Erinnerungen dazu führen, fast nur noch in der Vergangenheit zu leben.

„Früher war alles besser. Früher mit meinem Mann, ja, da war das Leben schön“, sagt mir eine Frau. „Und jetzt?“, frage ich. Sie zuckt nur mit den Achseln. Erinnerungen können Oasen des Glücks, aber eben auch ein Gefängnis des Lebens sein.

Die Worte aus dem letzten Buch der Bibel zeigen uns eine Kraftquelle des Lebens, die viele Menschen leider übersehen. Mitten in den schlimmsten Christenverfolgungen durch das römische Reich, verbannt auf die griechische Insel Patmos, bezieht Johannes seine Kraft nicht aus der Vergangenheit, sondern aus der Zukunft.

Trost kommt aus der Erinnerung, Hoffnung aber, liebe Gemeinde, Hoffnung erwächst aus dem, was kommen wird, aus der Zukunft, aus dem, was wir glauben und hoffen.

Ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde, schreibt der Visionär Johannes. Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen und der Tod wird nicht mehr sein. Noch Leid, noch Geschrei, noch Schmerz mehr sein. Siehe, ich mache alles neu.

Johannes sagt auch: Plötzlich wird alles anders sein.

Er malt mit seinen Worten Sehnsuchtsbilder, die Hoffnung geben sollen. Hoffnung, dass nach dem Tod nicht das Nichts auf uns wartet, sondern er, Christus, unser Heiland und Erlöser.

Ein neuer Himmel, eine neue Erde. Das Himmlische Jerusalem. Es mag sein, dass uns das eine oder andere Bild heute fremd vorkommt. Eines aber gefällt mir ganz besonders: Gott wird abwischen alle Tränen von unseren Augen und es wird der Tod nicht mehr sein, noch Leid und Geschrei noch Schmerz wird mehr sein.

Mich erinnert das an ein Bild meiner Kindheit: Da ist die Mutter, die dem hingefallenen und nun weinenden Jungen die Tränen abwischt, ihn in den Arm nimmt und dann fragt: „Na, ist es wieder gut?“ Es ist ein großartiges Hoffnungsbild: Gott wird uns in den Arm nehmen und trösten.

Plötzlich ist alles anders.

Aber bei Gott ist dann plötzlich alles wieder gut. Aus dieser Hoffnung lässt sich Kraft schöpfen in schweren Zeiten, in der Trauer über den Verlust eines lieben Menschen, in den Schwierigkeiten und der Sorge, die die Corona-Krise mit sich bringt, in den Herausforderungen des Lebens, in denen wir uns neu sortieren und orientieren müssen, und schließlich am Ende, wenn wir diese Welt verlassen müssen.

Gott wird alles neu machen. Er wird abwischen die Tränen von unseren Augen. Und der Tod wird nicht mehr sein. Wir leben aus dem Trost der Erinnerungen und aus der Hoffnung des Glaubens, dass die Verstorbenen bei Gott sind, wo der Tod keine Macht mehr hat, wo es Wasser des ewigen Lebens gibt.

Viele von Ihnen haben in diesem Jahr einen Menschen bestatten müssen. Wir haben ihre Namen gehört und uns an sie erinnert. Mögen uns diese Erinnerungen trösten und möge uns das Wort Gottes die Hoffnung sein, die uns den Blick auf das Leben öffnet, das auf uns wartet. Es wird alles anders sein – es wird alles wieder gut sein. Amen.

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen

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