Predigt vom 3. Sonntag nach Trinitatis, 28. Juni 2020

Predigt zu Micha 7,18ff; 3. Sonntag nach Trinitatis, 28.06.2020, 9.30 Uhr; St. Laurentius, Neuendettelsau; Pfarrerin Karin Lefèvre

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen.

Micha 7 18 Wo ist solch ein Gott, wie du bist, der die Schuld vergibt und hinweggeht über die Empörung derer, die geblieben sind als Rest seines Erbteils; der an seinem Zorn nicht ewig festhält, denn er hat Gefallen an Gnade! 19 Er wird uns Barmherzigkeit erweisen, unsere Schuld unter die Füße treten und alle unsere Sünden in die tiefsten Abgründe des Meeres schleudern. 20 Du wirst Jakob die Treue halten und Abraham Gnade erweisen, wie du unseren Vätern vorzeiten geschworen hast.

Liebe Gemeinde,

es gibt Vorurteile, die sind einfach nicht auszurotten. Eines davon lautet: Im Alten Testament wird ein zorniger, strafender und rächender Gott beschrieben, aber - Jesus sei Dank - haben wir im Neuen Testament einen barmherzigen und liebenden Gott!

Dieses Vorurteil hält sich leider hartnäckig. Doch es ist und bleibt nicht nur ein Vorurteil, sondern auch eine üble Nachrede, die Gott geduldig erträgt, ohne uns dafür mit einem Blitzschlag oder Ähnlichem niederzumähen.

Warum ist das so? Warum hält sich dieses Vorurteil so hartnäckig? - Von meinem geistlichen Lehrer habe ich eine Erklärung gehört, die mir einleuchtet: WIR sind nachtragend und rachsüchtig. WIR möchten manchmal gern dreinschlagen (und tun es auch), und wenn wir es mal nicht können, dann fordern wir zumindest harte, drakonische Strafen. ICH jedenfalls bin manchmal so!

Und was gibt uns in solchen Situationen recht? Ein Gott, der genauso ist, ein Gott, der zürnt und straft. Dann kann ich mit gutem Gewissen auch so sein. Und das sogar im Namen Gottes. Aber ein geduldiger, gnädiger und barmherziger Gott, ein Gott, der meine Schuld in die Tonne tritt, um im Sprachbild des hebräischen Textes zu bleiben, so ein Gott soll er doch nur mir gegenüber sein. Wenn er das bei allen wäre, wo kämen wir denn da hin?

Jona jedenfalls war mit dem gnädigen Gott gar nicht einverstanden, wie wir vorhin gehört haben. Kein Wunder, war doch Gott ausgerechnet gegenüber den wirklich bösen heidnischen Feinden gnädig. Nein, Feinde, noch dazu böse Feinde, verdienen keine Gnade. Wenn schon, dann nur wir und ich.

Wofür strenge ich mich denn so sehr an, anständig zu sein? Dann kann ich es doch lassen! Dann suche ich lieber meinen Vorteil, wo ich kann, genieße mein Leben, und wenn es dann vorbei ist, appelliere ich an den „lieben“ gnädigen Gott, so habe ich alles. Da bin ich doch nicht so blöd und lasse mir all die vielen Vorteile entgehen, die ein lockeres Gewissen und eine gewisse Kaltschnäuzigkeit mit sich bringen. Wenn doch Gott am Ende eh alles verzeiht!

Wo, liebe Gemeinde, wo kämen wir mit dieser Einstellung hin? Wohl dahin, wo wir sowieso schon sind. Weil wir nichts, aber auch wirklich (fast) nichts verstehen von Gott. Weder von dem, was uns die Bücher des Alten noch die des Neuen Testaments lehren wollen.

Es geht nämlich gar nicht darum, ob sinnvolle Strafen oder verständnisvolle Liebe Gott auszeichnen, sondern es geht darum, ob wir uns von Gottes Liebe verändern lassen wollen. Es geht – biblisch gesprochen – um ein neues Herz. Oder umgangssprachlich ausgedrückt: Ob wir es Gott erlauben, unser gesamtes Inneres zu verändern und uns in neue, liebesfähige Menschen zu verwandeln.

Wie das aussehen kann, davon erzählt die Bibel viele unterschiedliche Geschichten. Auch unsere eigene Lebensgeschichte soll sich da ein- und anfügen. (So beschreibt das auch der Apostel Paulus, wenn er uns im 2. Brief an die Korinther in Kapitel 3, Vers 2 einen Brief Gottes nennt.)

Erinnern Sie sich noch an die ersten und die letzten Worte unseres heutigen Predigtabschnitts? Wo ist ein Gott, wie du bist? (…) Du wirst Jakob die Treue halten. - Jakob, das ist doch der Schlingel, der seinem hungrigen Zwillingsbruder zuerst das Erstgeburtsrecht abgeschwatzt hat, um ihm dann später auch noch durch eine üble Täuschung den Segen des Vaters zu nehmen. Wo ist ein Gott, wie du es bist? Diese Frage hat sich Jakob in jungen Jahren wohl kaum gestellt. Davon, dass Gott jemals für ihn persönlich und direkt eine Rolle gespielt hat, ist nicht die Rede - bis, ja bis zu jener Nacht auf der Flucht vor dem Bruder, der ihn in seiner unsäglichen Enttäuschung und Wut ermorden will. Einen Stein hatte sich der müde Flüchtling Jakob als Kissen gewählt. Für mich war das immer ein logisches Zeichen dafür, dass er Angst davor hatte, zu tief einzuschlafen und damit wehrlos zu sein, falls der Bruder ihn verfolgen und finden würde. Das wäre dann seine letzte Nacht gewesen.

Wie auch immer, dem Bruder konnte er entkommen, nicht aber Gott. Ganz ehrlich: Hätte ich mir die Geschichte ausgedacht, dann hätte ich Jakob jetzt einen ordentlichen Albtraum geschickt! Dem hätte ich im Schlaf die Hölle heiß gemacht.

Wo ist ein Gott, wie du bist, der die Schuld vergibt und hinweggeht über die Empörung derer, die übriggeblieben sind (…), der unsere Schuld unter die Füße tritt und alle unsere Sünden in die tiefsten Abgründe des Meeres schleudert.

Das, liebe Gemeinde, ist das Thema des heutigen Sonntags: Lobe den Herrn meine Seele – und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat, er vergibt nicht nur die Schuld, er erträgt sogar unsere Empörung darüber, dass so viele Menschen im Unrecht untergehen – gemeint ist damit wohl, ohne dass es extra gesagt wird, ohne dass Gott ihnen geholfen hat. Was auch immer uns gegen Gott empört, er tritt es sozusagen in die Tonne oder versenkt es in den tiefsten Abgründen des Meeres, wo es nie mehr auftaucht.

Schöner, tiefer und inniger lässt sich für mich kein Loblied auf Gott singen! Geduld, Güte und Barmherzigkeit, das sind Wesensmerkmale Gottes. Und wir sind in seinem Bild geschaffen! Das ist es, wohin wir uns entwickeln sollen – oder sagen wir es korrekter: Dahin sollen wir verwandelt werden.

Vielleicht haben unsere katholischen Geschwister es leichter, sich das vorzustellen, denn bei jedem Abendmahl feiern sie die „Transsubstantiation“ von Brot und Wein in Leib und Blut Christi. Wo die Verwandlung ein wesentlicher Bestandteil der Liturgie ist, kann vielleicht auch eine größere Offenheit für die Verwandlung des eigenen Ichs entstehen?!

Doch kommen wir zurück zum Propheten Micha, der uns an Jakob erinnert, an den träumenden Jakob. Von einer Himmelsleiter träumt er, also davon, mit Gott verbunden zu sein. Dürften wir nun Gott die Worte in den Mund legen, was würden wir ihn sagen lassen? - Also, von mir bekäme Jakob schon ein paar kritische und mahnende Worte mit auf den Weg. Ich würde nicht über die zurückliegenden Wochen einen Mantel des Schweigens legen! Ich würde das nicht in die Tonne treten oder in Abgründe versenken! Doch genau das tut Gott.

Und der HERR stand oben darauf und sprach: Ich bin der HERR, der Gott deines Vaters Abraham, und Isaaks Gott; das Land, darauf du liegst, will ich dir und deinen Nachkommen geben. Überall auf der Welt sollen sie leben; und durch dich und deine Nachkommen sollen alle Geschlechter auf Erden gesegnet werden. Und siehe, ich bin mit dir und will dich beschützen, wo du hinziehst, und will dich wieder herbringen in dieses Land. Denn ich will dich nicht verlassen, bis ich alles tue, was ich dir zugesagt habe. (1. Mose 28,13-15)

Und als Jakob aufwacht, da erschrickt er ordentlich darüber, dass Gott ihm so erschienen ist. Dass Gott ihm – all seinen Worten und Taten zum Trotz – die Treue schwört und ihm einen Platz einräumt in der großen Folge der Generationen vor und nach ihm.

Es ist diese unglaubliche Güte Gottes, die ihm nicht auch nur eine seiner Verfehlungen vorhält, die in ihm die Bereitschaft weckt, sich auf einen innerlich neuen Weg einzulassen.

Mir ist Jakob da sehr nahe. Und Ihnen wahrscheinlich auch. Mogeln wir uns nicht alle durch kleine und größere Tricksereien durchs Leben? Ziehen weiter, wenn es an einem Ort zu brenzlig wird, lassen Gott einen lieben Mann sein und schreiben ihm hin und wieder eine Grußkarte: Bin jetzt bei Haran. Hier ist es heiß. Liebe Grüße, dein Jakob.

Wenn man heute mit einem nicht rechnet, dann damit, dass da was zurückkommt, dass Gott kommt und einen überschüttet mit Gnade um Gnade, mit Verheißung um Verheißung, mit unendlicher Liebe. Es ist ja wahr: So vieles haben wir uns selbst eingebrockt. Das sind wohl die Konsequenzen unserer Verfehlungen, aber nicht die Strafen Gottes. Und trotzdem bleibt Gott uns liebevoll zugewandt, nimmt seine Geduld immer noch kein Ende, zieht er sich aus der Welt nicht im Zorn zurück, überlässt sie nicht sich selbst, lässt den Menschen, sein widerspenstiges Geschöpf, nicht mit sich allein.

Wo ist ein Gott, wie du bist? Mit so viel geduldiger Güte und abgrundtiefer Liebe ist nicht zu rechnen.

Doch so wird uns Gott im Alten Testament beim Propheten Micha – und nicht nur dort - geschildert. Das ist ein Gott, in den ich mich verlieben und dem ich vertrauen kann. 

Amen

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alles, was unsere Vernunft denken und sagen kann, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

Mehr lesen aus dem Magazin zum Thema Spiritualität

Diesen Artikel teilen

Haben Sie Fragen? Wir helfen Ihnen gerne.

Wenn Sie sich näher über unser Angebot informieren möchten, können Sie gerne Ihre
bevorzugte Kontaktmöglichkeit hinterlassen.

Oder rufen Sie uns an unter unserer Service-Nummer:

+49 180 2823456 (6 Cent pro Gespräch)