Predigt vom 15. Sonntag nach Trinitatis, 12. September 2021

Predigt zu den Fragen „Was denken die anderen von mir?“ und „Welche Meinung haben Menschen, die mir nahestehen, von mir?“ nach Matthäus 16, 13-19; 15. Sonntag nach Trinitatis, 12. September 2021, Auftakt der inklusiven Gottesdienste, 10.00 Uhr; St. Laurentius, Neuendettelsau; Pfarrerin Karin Goetz und Pfarrer Dr. Peter Munzert

Matthäus 16, 13 – 19:

13 Als Jesus in die Gegend von Cäsarea Philippi kam, fragte er seine Jüngerinnen und Jünger: »Für wen halten mich die Leute eigentlich?« 14 Die Jünger antworteten: »Einige Leute meinen, du bist Johannes der Täufer. Manche Menschen dagegen halten dich für Elia. Andere Menschen halten dich für Jeremia oder einen anderen Propheten von früher.« 15 Jesus fragte seine Jüngerinnen und Jünger: »Und ihr – für wen haltet ihr mich?« 16 Da antwortete Simon Petrus: »Du bist der Christus, der von Gott gesandte Retter! Du bist der Sohn des lebendigen Gottes.« 17 »Du kannst dich wirklich glücklich schätzen, Simon«, sagte Jesus. »Diese Erkenntnis hat dir mein Vater im Himmel gegeben; von sich aus kommt ein Mensch nicht zu dieser Einsicht. 18 Ich sage dir: Du bist Petrus. Auf diesen Felsen werde ich meine Gemeinde bauen, und selbst die Macht des Todes wird sie nicht besiegen können. 19 Ich werde dir die Schlüssel zu Gottes himmlischem Reich geben. Was du auf der Erde binden wirst, das soll auch im Himmel gebunden sein. Und was du auf der Erde lösen wirst, das soll auch im Himmel gelöst sein.«

Liebe Schwestern und Brüder,

Jesus stellt seinen Freundinnen und Freunden zwei Fragen. Die erste Frage:

Was sagen die Leute, wer ich bin? Was halten die Leute von mir? Die zweite Frage: Und was denkt ihr, meine Freunde, von mir?

Diese beiden Fragen stellen auch wir uns immer wieder. Wir fragen uns: Was denken die anderen von mir? Was für ein Bild machen sich die Leute von mir? Und wir fragen uns: Was denken die Menschen, die mir nahestehen, von mir? Welche Meinung haben meine Freunde, meine Mitbewohner, meine Kollegen, meine Familie von mir?

Fremde Leute haben meist keine Ahnung, wer ich wirklich bin. So ist es bei Jesus. Die Leute können Jesus nicht richtig verstehen. Sie vergleichen ihn mit Propheten, mit bekannten Menschen, die sie aus der Geschichte kennen. Doch damit liegen sie falsch.

Ähnlich ergeht es oft Menschen mit einer Beeinträchtigung. Andere Leute können sehr schwer einordnen, wer ihnen da begegnet. Sie fühlen sich unsicher. Sie wissen nicht, ob sie hinschauen oder wegschauen sollen. Sie wissen nicht, ob sie Hallo sagen sollen. Ob sie Sie oder Du sagen sollen. Sie sind verwirrt, wenn sich ein Mensch durch Geräusche oder Schreien äußert.

Menschen, denen man ihre Behinderung äußerlich ansieht, werden schnell unterschätzt. Es braucht Zeit und viele Begegnungen, um sich einander anzunähern, um ein Gefühl füreinander zu bekommen.

Vielleicht geht es den Diakonissen ähnlich. Die Menschen sehen ihre blaue Tracht. Hier in Neuendettelsau wissen die Menschen, wer sie sind, in Nürnberg aber - kann da jeder einschätzen, was die Tracht einer Diakonisse bedeutet?

Was meinen Sie? Ist es uns egal, was andere Menschen über uns denken? Was meint ihr?

Weitaus wichtiger ist für mich, was die Menschen denken, mit denen ich verbunden bin: meine Familie, meine Freundinnen und Freunde, meine Kollegen.

So geht es auch Jesus. Er fragt seine Jüngerinnen und Jünger, was sie von ihm halten. Und Petrus landet direkt einen Volltreffer: »Du bist der Christus, der von Gott gesandte Retter! Du bist der Sohn des lebendigen Gottes.«

Jesus freut sich, dass Petrus ihn richtig einschätzt, dass er ihn wirklich verstanden hat.

Ich freue mich auch, wenn jemand etwas Zutreffendes über mich sagt. Wenn jemand genau versteht, was ich denke, wie ich fühle. Das kommt nicht oft vor, dass ein anderer Mensch mich erkennt als die oder den, die bzw. der ich wirklich bin. Das ist das größte Glück. Das ist ein Geschenk. Das tut gut. Dann fühle ich mich verstanden.

Jesus verspricht Petrus einen besonderen Schlüssel: einen Schlüssel, um das Himmelreich aufzuschließen.

Hat Jesus Petrus in echt einen Schlüssel für den Himmel gegeben? Ich glaube nicht. Jesus ist von Dorf zu Dorf gewandert. Er hatte kein eigenes Haus, nicht einmal ein eigenes Zimmer. Ich glaube nicht, dass Jesus einen Schlüssel bei sich trug. Keinen Schlüssel von einem echten Haus, und auch keinen Schlüssel vom Himmel. Jesus redet symbolisch von einem Schlüssel. So wie der Architekt bei der Einweihung eines Hauses symbolisch einen riesigen Schlüssel übergibt.

Jesus sagt zu Petrus: Du bist ein ganz wichtiger Mensch. Du bist der Fels, auf dem ich meine Kirche baue. Du hast verstanden, wer ich bin. Du kannst anderen Menschen von mir erzählen. Du kannst anderen Menschen erschließen, wer ich bin. Du kannst für andere Menschen den Himmel öffnen.Du bist wie ein Schlüssel. Du bist ein Türöffner, der anderen Menschen Glauben erschließen kann. Du bist eine Schlüsselfigur.

Wenn Sie zurückdenken, wer Sie in ihrem Leben geprägt hat, wer Sie im Glauben erzogen hat, dann werden Ihnen Menschen einfallen wie Petrus: Menschen, die erkannt haben, wer Sie wirklich sind und was in Ihnen steckt, Menschen, die auf Ihre Fähigkeiten und Möglichkeiten geschaut haben, und nicht darauf, was Sie nicht können. Menschen, die an Sie geglaubt haben.

Gab es solche Menschen in Ihrem Leben? Menschen, die sie geprägt haben? Die sie beeinflusst haben?

Jesus erklärt Petrus zu einer Schlüsselfigur. Und nicht nur Petrus, sondern alle Menschen, die ihm nachfolgen. Alle Menschen, die an Jesus glauben, sind Schlüsselfiguren, die anderen den Himmel aufschließen können.

Das ist das Wunderbare am Evangelium - am Glauben. Jeder Mensch kann für einen anderen zur Schlüsselfigur werden: Eine Diakonisse genauso so wie ein Mensch mit hohem Assistenzbedarf, ein Konfirmand genauso wie eine Pfarrerin, ein Mitarbeiter genauso wie eine Leitende.

Jeder Mensch kann einem anderen den Weg zum Glauben, ja sogar den Himmel aufschließen. Wir alle haben den Schlüssel dafür in der Hand. Wir alle sind ein Schlüssel, der anderen die Tür zum Glauben aufschließen oder versperren kann.

Und wir alle leben gemeinsam aus der Gnade Gottes. Er ist es, der uns leitet, der uns Kraft zum Leben gibt, der uns den Schlüssel dafür in die Hand gibt. Dafür sei ihm Dank, Lob und Ehre bis in alle Ewigkeit.

Amen.

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