Predigt vom 19. Sonntag nach Trinitatis, 10. Oktober 2021

Predigt zu Markus 2, 1-12; 19. Sonntag nach Trinitatis, 10. Oktober 2021, 10.00 Uhr; St. Laurentius, Neuendettelsau; Pfarrer Norbert Heinritz

Die Heilung eines Gelähmten

1Und nach etlichen Tagen ging er wieder nach Kapernaum; und es wurde bekannt, dass er im Hause war. 2Und es versammelten sich viele, sodass sie nicht Raum hatten, auch nicht draußen vor der Tür; und er sagte ihnen das Wort. 3Und es kamen einige, die brachten zu ihm einen Gelähmten, von vieren getragen. 4Und da sie ihn nicht zu ihm bringen konnten wegen der Menge, deckten sie das Dach auf, wo er war, gruben es auf und ließen das Bett herunter, auf dem der Gelähmte lag. 5Da nun Jesus ihren Glauben sah, sprach er zu dem Gelähmten: Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben. 6Es saßen da aber einige Schriftgelehrte und dachten in ihren Herzen: 7Wie redet der so? Er lästert Gott! Wer kann Sünden vergeben als Gott allein? 8Und Jesus erkannte alsbald in seinem Geist, dass sie so bei sich selbst dachten, und sprach zu ihnen: Was denkt ihr solches in euren Herzen? 9Was ist leichter, zu dem Gelähmten zu sagen: Dir sind deine Sünden vergeben, oder zu sagen: Steh auf, nimm dein Bett und geh hin? 10Damit ihr aber wisst, dass der Menschensohn Vollmacht hat, Sünden zu vergeben auf Erden, sprach er zu dem Gelähmten: 11Ich sage dir, steh auf, nimm dein Bett und geh heim! 12Und er stand auf und nahm sogleich sein Bett und ging hinaus vor aller Augen, sodass sie sich alle entsetzten und Gott priesen und sprachen: Wir haben solches noch nie gesehen.

Liebe Gemeinde,

Eine großartige Erzählung ist das heute. Die Heilung des Gelähmten. Ich liebe sie, weil sie so klar und eingängig ist. In jeder Kinderbibel findet man sie. Mit schönen bunten Bildern. Da sind vier Männer. Sie tragen einen fünften Mann. Er kann nicht gehen. Er ist gelähmt. Sie möchten zu Jesus. Doch das Haus ist überfüllt. Sie kommen nicht rein. Also schleppen sie ihn über eine Treppe auf das Flachdach hoch. Doch was jetzt? Sie schlagen ein Loch ins Dach und lassen ihren gelähmten Freund zu Jesus hinunter. Jesus sieht den Glauben der fünf Männer. Er sieht den Gelähmten und sagt: „Dir sind deine Sünden vergeben.“ – Was sagt Jesus da? „Dir sind deine Sünden vergeben.“ Die anwesenden Theologen schütteln den Kopf. ‚Gotteslästerung ist das. Sünden kann allein Gott vergeben‘. Jesus sieht ihnen ihre Gedanken an und fragt sie: „Was ist leichter: Sünden vergeben oder Kranke heilen?“ Ja, was ist leichter: Worte machen oder etwas tun? Also sagt Jesus zu dem gelähmten Mann: „Steh auf, nimm dein Bett und geh!“ Und der Mann steht auf, nimmt seine Tragbare unter den Arm und geht heim.

Ja, liebe Gemeinde, eine anschauliche, plastische Geschichte ist das. Ich liebe diese Erzählung, weil sie bei all ihrer Bildhaftigkeit und Einfachheit sehr tiefsinnig und voller Symbole ist. Jesus sieht ihren Glauben, heißt es in der Erzählung. Für mich ist das eine Geschichte des Glaubens. Davon möchte ich heute erzählen.

Das Ganze fängt damit an, dass Menschen hier zusammenhalten. Ohne die Freunde des Gelähmten würde in dieser Geschichte nichts passieren. Sie schleppen den Kranken zu Jesus.

Glaube hat immer etwas mit Gemeinschaft zu tun. Allein im stillen Kämmerlein kann Vertrauen auf Gott, kann Glaube und Zuversicht nicht wachsen. Zum Glauben gehört es dazu, dass man ihn mit anderen teilt. Glauben teilen heißt, andere mit seiner Zuversicht anstecken, gemeinsam Träume und Visionen entwickeln, miteinander Zweifel auszuhalten und sich gegenseitig ermutigen. Wer Glauben teilt, bekommt mehr. In unserer Erzählung passiert etwas, weil welche ihren Glauben teilen und gemeinsame Sache machen.

Vier der Männer schleppen und einer wird getragen. Glaube ist etwas Aktives. Glauben heißt anpacken und den, dem es miserabel geht, mitschleppen. Einer trage des andern Last, dann werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen, sagt Paulus (Gal 6,2). Besser als in dieser Geschichte könnte davon nicht erzählt werden. Zum Glauben gehört es, dass wir einander tragen und stützen und helfen. Oder eben auch den Rollstuhl schieben. Wie gut, dass es bei uns in der Diakonie so viele Menschen gibt, die genau das tun. Glaube ist etwas Aktives.

Die vier schleppen ihren Freund voll Hoffnung auf Heilung zu dem Haus, in dem Jesus redet. Doch es ist voll. Sie kommen nicht rein. Also steigen sie über die damals übliche Außentreppe auf das Flachdach und hauen ein Loch ins Dach. Auf diese Idee muss man erst einmal kommen!

Glaube macht erfinderisch. Wer voller Hoffnung ist, wer noch Träume hat und sich von Jesus etwas erwartet, so jemand entwickelt Ideen und Phantasie. Ich bin überzeugt: Wenn wir als Christen heutzutage Menschen erreichen möchten, brauchen wir Glaubensideen und Phantasie und nicht nur Finanzkonzepte und Unternehmensstrategien. Wo sollten wir in unserer Diakonie ideenreicher und phantasievoller sein?

Mit ihrer Idee sind die fünf Männer nun auf dem Dach gelandet. Ich kann mir gut vorstellen, welche Mühe es machte, unter der heißen palästinischen Sonne mühsam den Lehm und das Stroh des Daches aufzukratzen. Zum Glauben gehört auch Ausdauer. Gott lässt sich nicht in einem Schnellkurs kennenlernen. Um der heilsamen Kraft Gottes näher zu kommen, braucht es Zeit, manchmal ein ganzes Leben lang. Glaube muss reifen wie ein langsam wachsender Baum. Man darf ihn nicht umhauen, wenn er nicht gleich im ersten Jahr Früchte trägt. Sich auf Jesus einzulassen, ist ein Lebensprogramm. Das passt nicht so recht in unsere schnelllebige Zeit und macht es uns als Kirche oft so schwer.

Dann ist da endlich das Loch im Dach. Die vier lassen ihren kranken Freund runter. Jesus sagt zu dem Kranken: „Dir sind deine Sünden vergeben.“ Sündenvergebung ist ein Kernstück unseres Glaubens. Doch was heißt das eigentlich - Sündenvergebung?

Ich möchte es mit einem Beispiel aus meinem Leben erklären. Eltern geben ihren Kindern ja vieles mit. Einen Satz haben mir meine Eltern mitgegeben. „Junge“, haben sie gesagt, „du kannst in deinem Leben tun und lassen was du willst, bei uns ist die Tür immer für dich offen.“

Glauben heißt: Bei Gott ist immer eine Tür für dich offen, was für gute und unsinnige Dinge du im Leben auch immer gemacht hast. Gott vergibt. Nichts auf dieser Welt kann dir eine Zukunft mit Gott verbauen.

Jesus vergibt dem Gelähmten seine Sünden. Er heilt die Seele, und er heilt ganz wunderbar auch den Leib, den ganzen Menschen eben. „Steh auf, nimm dein Bett und geh!“, sagt Jesus. Glaube ist Heilung.

Das würde sich wohl so mancher in unseren Pflegeeinrichtungen wünschen: Einfach wie ein Gesunder aufstehen können und gehen! Man kann diese Worte aber auch als Aufruf an unsere Seele verstehen: Richte dich auf und glaube den Stimmen nicht, die dir einreden, es könne sich nichts mehr ändern. Richte dich auf und glaube den Stimmen nicht, die sagen, es hat ja doch keinen Sinn. Richte dich auf und geh innerlich aufrecht bis zum letzten Atemzug.

Sie haben am Eingang ein Bild bekommen. Ich finde, es ist genauso großartig wie unser Bibelwort. Da läuft einer mit kräftigem Schritt. Es sieht noch etwas unsicher aus, aber es steckt unheimlich viel Energie und Kraft dahinter. Unter dem Arm trägt er eine schwarze Fläche mit den Umrissen einer Figur. „Es sieht aus wie ein Sarg“, hat ein Kind gesagt.

Im Hintergrund senkrechte Felder. Sie erscheinen wie Abschnitte des Lebens. Aus einer dunklen Vergangenheit geht der Mann in eine helle Zukunft. Die Fläche unter dem Arm könnte das vierte Feld sein. Der Mann trägt also seine Vergangenheit, er nimmt sie mit.

Ein sinnfältiges Bild. Heilung gibt es nur so, indem man seine Vergangenheit an- und mitnimmt. Man mag Schlimmes und Schreckliches erlebt haben. Man mag manches falsch gemacht haben. Es gehört zu einem dazu. Vergangenheit will nicht verdrängt, sondern verarbeitet werden.

Vergebung bedeutet nicht: Es ist nun alles vergessen. Vergebung heißt: Deine dunklen Seiten gehören zu dir, aber sie haben nicht mehr die Macht, dich festzuhalten. Gott hat für dich eine helle Zukunft parat. Steh auf, nimm dein Bett und geh.

Ich finde: Eine großartige Geschichte des Glaubens ist das heute - nicht wahr? Eine Geschichte von Freundschaft und Lastentragen, von Anpacken und Ideen-Haben, von Ausdauer, Vergebung und Heilung. Das alles kann es geben, wo Menschen miteinander ihr Vertrauen auf Jesus setzen. Amen. 

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