Predigt vom Sonntag Estomihi, 23. Februar 2020

Predigt zu Lukas 18, 31-43 (Reihe III neu); Estomihi, 23.02.2020, 9.30 Uhr; St. Laurentius, Neuendettelsau; Pfarrer Peter Schwarz

Zwei kurze Episoden, die sich auf dem Weg Jesu nach Jerusalem ereignen. Es ist jener Weg, den wir in diesen Wochen vor Ostern mitgehen, innerlich, in den Lesungen und äußerlich, indem wir die Tage rückwärts zählen, bis es soweit ist. Fünfzig Tage sind es jetzt noch, weswegen dieser Sonntag neben dem Namen Estomihi den noch schwerer auszusprechenden Namen „Quinquagesimae“ trägt - fünfzig.

Zwei Szenen im Evangelium. Die eine bleibt im Gedächtnis hängen. Der Blinde, der in seiner Not zu Jesus ruft, ist ein beliebter Stoff für Kinderbibelwochen und Bibliodrama, weil der Evangelist Lukas ihn so bunt und lebensnah darstellt. Die Not, in der er am Rande sitzt, seine Sehnsucht und Hoffnung, die sich Luft macht im Ruf nach Jesus, und schließlich, wie er aufsteht, ihm nachfolgt und Gott dankt. Bunt und kräftig wie die Bilderbücher dazu von Kees de Kort.

Die andere Szene wirkt daneben eigentümlich blass: Die Jünger, die hören, wie der Weg aussieht, den sie mit Jesus nach Jerusalem gehen werden. Sie wollen oder können nicht hinschauen auf das, was er - zum dritten Mal - über diesen Weg sagt: „Wir gehen hinauf nach Jerusalem, und es wird alles vollendet werden, was geschrieben ist durch die Propheten von dem Menschensohn“. Auf eben diese Vollendung wollen oder können sie nicht schauen. Sei es, weil es ganz und gar nicht dem entspricht, was sie sich für Jesus und sich selbst erhoffen und erwarten. Vielleicht sind sie einfach innerlich noch nicht so weit. Manchmal kennen wir das auch von uns: Wo etwas so gar nicht der Erwartung und meinem Geschmack entspricht, schaue ich einfach nicht so genau hin. Beim Fernsehen ist das sehr einfach - ein Druck auf die Fernbedienung, und das nächste Programm ist da. Auf irgendeinem Kanal irgendwo läuft sicher etwas, das unterhaltsamer oder interessanter ist. Und da, wo es sich um unbequeme Worte handelt, hört man einfach nicht so genau hin, zu einem Ohr hinein, und zum andern geht’s hinaus. Jedenfalls erreichen die Worte dann das Herz nicht.

Unbequem ist allemal, was die Jünger von Jesus hören über sich und sein Schicksal: „Denn er wird überantwortet werden den Heiden, und er wird verspottet und misshandelt und angespien werden, und sie werden ihn geißeln und töten; und am dritten Tage wird er auferstehen.“ Nicht nur, dass er in der dritten Person über sich spricht - der Menschensohn muss das alles erleiden. Dunkel und bedrohlich der Anfang, und das Ende vollends unvorstellbar: Auferstehung. Die Jünger hören die Botschaft wohl, allein es fehlt ihnen der Glaube und sie verstehen sie nicht. Noch nicht. Denn an Ostern werden ihnen die Augen aufgehen und das Herz wird ihnen ebenfalls aufgehen. Lukas schreibt ihre Geschichte nach Ostern weiter, wenn sie erkennen: „Brannte nicht unser Herz in uns, als er uns die Schrift öffnete.“ Der Knoten löst sich erst nach Ostern. Die Augen gehen ihnen auf und das Herz.

Nun sehen auch die Jünger, was der Blinde von Jericho schon jetzt erkennt. Der Weg, den Jesus geht, ist ein heilsamer und heilender für sie und für alle Menschen. Es ist der Weg des Messias, des Christus - Gottes Weg mit den Menschen, zu den Menschen und für die Menschen. Weil Christus diesen Weg geht, kommt Licht in die Welt, und dieses Licht leuchtet jetzt schon hinein in das Herz des Blinden und macht seine Augen hell.

Der Blinde sieht, und die Jünger tappen vorerst noch im Dunkeln. Wenn wir so wollen, ist das der Humor des Lukas, sein Beitrag zur Fastnacht und zum Fasching. Der Blinde sieht, und die Jünger tappen noch im Dunkeln. Kein billiger Gag, eher eine fast tragikomische Rolle, die die Jünger hier spielen. Wie Karl Valentin oder Charly Chaplin in ihren Filmen. Sie halten den Menschen einen Spiegel vor.

Das Evangelium stellt den Blinden von Jericho in die Mitte. Sein Leid hat ihn an den Rand gedrängt, hier nun steht er im Zentrum. Für Jesus Christus steht der Mensch im Zentrum, der Mensch mit seinem Leiden, mit seiner Sehnsucht nach Heilung, der Mensch, der nach Gott ruft.

Die Frage, die Jesus dem Blinden stellt, klingt zuerst merkwürdig: „Was willst du, dass ich für dich tun soll?“ Die Antwort ist großartig: „Herr, dass ich sehen kann“. Da hat schon etwas begonnen: Der Blinde sieht mit seinem inneren Auge Jesus schon als den, der ihm helfen kann. Er sieht in ihm seine Chance auf Heilung, weil dieser Mann der Gesandte Gottes ist. Und in diesem Vertrauen ruft er nach Jesus und kommt so ganz hinein in dessen göttliche, heilende Lebensmacht. Sie öffnet ihm die Augen und die Zukunft. „Dein Glaube hat dir geholfen“: Wie ein Siegel, eine Bestätigung ist dieses Wort Jesu. Es ist seine Antwort auf das Vertrauen und die Sehnsucht.

Es ist, als würde das Evangelium uns zurufen: Schaut hin auf den Blinden, werdet euch wie er darüber klar, was ihr wirklich wollt, und sprecht diese Sehnsucht dann aus vor Jesus Christus. Dann wird es auch für euch hell, dann wird es Ostern, dann bestätigt Jesus euer Vertrauen und besiegelt es.

Klarheit finden, Vertrauen wagen und den Mund auftun, zum Ruf und Gebet - so einfach ist Glaube, das sagt uns dieses Evangelium. Der Blinde zeigt uns, wie es geht und dass es geht. Bei ihm ging‘s auf einen Schlag – aber manchmal braucht es mehr Zeit, viel mehr, vielleicht ein Leben lang. Darum heißt Glaube für viele Menschen: Ein Leben lang immer wieder auf der Suche sein nach dem, was ich wirklich brauche und wirklich will. Ein Leben lang immer wieder die Sorge: Werden mein Vertrauen und meine Hoffnung ausreichen? Ganze Strecken durchs Leben gehen, ohne zu sehen. Aber auch dann ist Christus da, der ein Leben lang immer geduldig fragt und ebenso geduldig auf Antwort wartet. Das Licht von Ostern liegt vor uns - nicht nur an diesem Sonntag. Es liegt ein Leben lang vor uns. Das Licht von Ostern kommt dann, wenn es soweit ist, wenn wir so weit sind.

Natürlich möchten wir schon heute Morgen am liebsten wie jener Blinde sein, nämlich voll Vertrauen und mit einer klaren Bitte auf den Lippen. Nur müssen wir vielleicht einmal mehr feststellen: Wir sind eher noch wie die Jünger: Unwillig, richtig hinzuschauen, unfähig, wirklich klar zu erkennen, was dran ist für uns.

Dennoch ist nichts verloren. Auch uns gehen einmal die Augen auf, auch für uns kann und wird es Ostern werden wie für die Jünger. Jesu Licht erreicht auch unser Herz, und dann erweist sich sein Leben stärker als Dunkelheit und Tod. Der Glaube, der dem Blinden geholfen hat, er ist der Osterglaube, der Glaube an die Macht des Lebens, die Blindheit und Tod überwindet. Diesen Glauben schenke Gott uns allen.

Pfarrer Peter Schwarz

Mehr lesen aus dem Magazin zum Thema Spiritualität

Diesen Artikel teilen

Haben Sie Fragen? Wir helfen Ihnen gerne.

Wenn Sie sich näher über unser Angebot informieren möchten, können Sie gerne Ihre
bevorzugte Kontaktmöglichkeit hinterlassen.

Oder rufen Sie uns an unter unserer Service-Nummer:

+49 180 2823456 (6 Cent pro Gespräch)