Predigt von Himmelfahrt, 21. Mai 2020

Predigt zu Johannes 17, 20-26; Himmelfahrt, 21.05.2020, 9.30 Uhr; St. Laurentius, Neuendettelsau: Pfarrer Oliver Georg Hartmann

P Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus.

G Amen.

Lasst uns in der Stille um den Segen aus Gottes Wort bitten. Amen.

Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder,

Adolph Kußmaul, ein bedeutender Arzt und Professor im 19. Jahrhundert, schreibt in seinen Lebenserinnerungen: „Meine Mutter hatte mich die zwei bekannten kleinen Gebete gelehrt. Das Tischgebet: ‚Komm, Herr Jesus, sei du unser Gast und segne was du uns bescheret hast!‘ und das Abendgebet im Bette: ‚Ich bin klein, mein Herz ist rein, niemand soll darin wohnen als Jesus allein!‘

Komm, Herr Jesus, sei du unser Gast und segne was du uns bescheret hast! - Ich bin klein, mein Herz ist rein, niemand soll darin wohnen als Jesus allein!

Haben Sie das früher auch gebetet, und wie steht es heute damit? Passen diese Gebete oder gehören sie in die Schublade?

Um ein Gebet geht es auch in unserm heutigen Predigttext. Aus dem Evangelium des Johannes im 17. Kapitel hören wir Verse des Gebetes Jesu:

20 Doch nicht nur für diese hier bitte ich, sondern auch für die, welche durch ihr Wort an mich glauben:

21 dass sie alle eins seien, so wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, damit auch sie in uns seien, und so die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast.

22 Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast, damit sie eins seien, so wie wir eins sind:

23 ich in ihnen und du in mir. So sollen sie vollendet sein in der Einheit, damit die Welt erkennt, dass du mich gesandt und sie geliebt hast, so wie du mich geliebt hast.

24 Vater, ich will, dass dort, wo ich bin, auch all jene sind, die du mir gegeben hast, damit sie meine Herrlichkeit schauen, die du mir gegeben hast, denn du hast mich geliebt vor Grundlegung der Welt.

25 Die Welt, gerechter Vater, hat dich nicht erkannt, ich aber habe dich erkannt, und diese hier haben erkannt, dass du mich gesandt hast.

26 Und ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun, damit die Liebe, mit der du mich geliebt hast, in ihnen sei und ich in ihnen.

Der Herr segne sein Wort an uns allen.

Amen.

Ich bin klein, mein Herz ist rein, niemand soll darin wohnen als Jesus allein!

So ein Quatsch? Zumindest die aufgeweckten Kinder meiner Kindergärten würden das sofort sagen. So ein Quatsch – als ob das Herz von kleinen Kindern rein wäre. Sie machen doch mindestens genau so viel Mist wie die älteren. Und sofort bekäme ich Beispiele geliefert: Da ist dann das Brüderchen, das gerade seine Schwester in den Arm gebissen hat. Oder das Nachbarskind, das vor lauter Wut und Ärger über das Fernseh- und Computerverbot die Hausschuhe ins Klo schmeißt. Von wegen: Ich bin klein, mein Herz ist rein!

So ein Quatsch? – vielleicht aber auch aus ganz anderen Gründen. Eine Generation nach Kußmaul formulierte ein anderer Professor: "Man kann nicht elektrisches Licht und Radioapparat benutzen, in Krankheitsfällen moderne medizinische und klinische Mittel in Anspruch nehmen und gleichzeitig an die Geister- und Wunderwelt des Neuen Testaments glauben." (Rudolf Bultmann)

Also: Quatsch! Lasse ich es sein mit dem Gebet?

Vom Himmel und zum Himmel hin zu reden – also zu beten, das ist schwierig. Wer das tut, gerät schnell in den Verdacht, es mit der Wahrheit nicht so ganz ernst zu nehmen. Selten ist das spürbarer als an unserem heutigen Feiertag. Weshalb? Weil der (sichtbare) Himmel entmythologisiert und von göttlichen Mächten entleert ist? Weil der Mensch der Moderne den Himmel mit den Mitteln von Wissenschaft und Technik zu erobern sucht? In der äußeren, raumzeitlichen Welt lässt sich Christi Himmelfahrt nicht aufweisen.

Also: Quatsch! Lasse ich es sein mit dem Beten?

Adolph Kußmaul hat übrigens mit seinen Abendkindergebet seine Mutter zur Weißglut gebracht. Vor das Abendgebet setzte er regelmäßig noch ein „Büble“. Er betete: Büble, ich bin klein … Seine Mutter mochte das gar nicht, aber der kleine Adolph ließ sich von seinem Gebet nicht abbringen. Er schreibt: Von dem Büble ließ ich nicht, es stand leibhaftig vor mir. Sobald ich das Abendgebet hersagen musste, stand das Büble neben mir und hörte mir aufmerksam zu, wie ein guter Spielkamerad. Das Büble interessierte sich für meine erfreuliche Mitteilung, dass ich klein und mein Herz rein sei.

Ohne es vielleicht zu wissen, hat der kleine Adolph alles richtig gemacht. Wie Jesus in unserem heutigen Predigttext Gott als seinen Vater direkt anspricht, hat Adolph sich seinen Gesprächspartner imaginiert, also sich ganz konkret vorgestellt. Und darum geht es im Gebet. Da geht es nicht um die Frage nach himmlischen Geistwesen oder Engeln auf einer Wolke – wobei diese Bilder durchaus wichtig sein und eine Rolle spielen können – sondern um uns, also um des Menschen Existenz. Und diese ist eben nun einmal zufällig, fragwürdig, bruchstückhaft, nicht in des Menschen Hand. Wir müssen unser Leben leben und sind doch dabei stets angewiesen auf andere, auf ein Gegenüber, auf Resonanz. Das kommt im Gebet zur Sprache und kann sich im Einzelnen auf alle Bereiche unseres Lebens ausdehnen. Wer betet, weiß um seine Schwachheit und Unsicherheit …. um die Verletzlichkeit und seine Abhängigkeit.

Dass das auch schiefgehen kann, lehren uns die vielen falschen Verwendungen von Gebeten, ob im Kinderzimmer, in der Kirche oder in der Politik. Gott greift eben nicht einmal so in das Weltgeschehen ein, er übergeht auch nicht die Naturgesetze und ist auch kein „Superman“, der in Gutsherrenmanier so oder so entscheidet.

Rechtes Gebet lässt solche Dinge außer Acht und lässt doch nicht ab zu beten. Ich bin klein, mein Herz ist rein, niemand soll darin wohnen als Jesus allein! Ja, klein sind wir, und haben wir das vor und in Gott erkannt, dann sind wir auch rein. Ist das klar, dann kommt im Beten die menschliche Grundsituation zur Sprache.

Ist das klar, dann kann die Bitte eines Kindes um ein Spielzeug ein tieferes Gebet sein, als die die Bitte eines Erwachsenen um das rechte Verständnis des Evangeliums. Beten ist kein den Menschen erhebendes und erfüllendes Selbsterleben und dient auch nicht der inneren Beruhigung. Es bedeutet, mutig zu sein und den Blick auf die eigene Zerrissenheit zu werfen. Ein Blick auf das eigene Ich und seine Bedürfnisse. Ein Blick auf den Nächsten und seine Nöte. Ein Blick auf die Welt und ihre Sorgen.

Ist das Quatsch?

Das Johannesevangelium stellt uns einen Christus vor, der vor seinem Abschied nicht mahnt und fordert, sondern betet. Er betet um Glauben, um Einheit, um Gottes Herrlichkeit hier und künftig. Vielleicht sollte unser Beten damit beginnen, dass wir dieses Bild vom betenden Christus in uns aufnehmen. Alles geistlich Entscheidende ist hier gesagt. Und von daher: Lasst uns noch einmal hören auf Jesu Gebet:

20 Doch nicht nur für diese hier bitte ich, sondern auch für die, welche durch ihr Wort an mich glauben:

21 dass sie alle eins seien, so wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, damit auch sie in uns seien, und so die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast.

22 Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast, damit sie eins seien, so wie wir eins sind:

23 ich in ihnen und du in mir. So sollen sie vollendet sein in der Einheit, damit die Welt erkennt, dass du mich gesandt und sie geliebt hast, so wie du mich geliebt hast.

24 Vater, ich will, dass dort, wo ich bin, auch all jene sind, die du mir gegeben hast, damit sie meine Herrlichkeit schauen, die du mir gegeben hast, denn du hast mich geliebt vor Grundlegung der Welt.

25 Die Welt, gerechter Vater, hat dich nicht erkannt, ich aber habe dich erkannt, und diese hier haben erkannt, dass du mich gesandt hast.

26 Und ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun, damit die Liebe, mit der du mich geliebt hast, in ihnen sei und ich in ihnen.

P Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

G Amen.

Verwandte und zitierte Literatur:

Feldmeier, Reinhard/Spieckermann, Hermann: Der Gott der Lebendigen. Eine biblische Gotteslehre, Tübingen 2011.

Haenchen, Ernst: Das Johannesevangelium. Ein Kommentar, Tübingen 1980.

Hamman, Konrad: Rudolf Bultmann und seine Zeit. Biographische und theologische Konstellationen, Tübingen 2016.

Kabisch, Richard/Tögel, Hermann: Wie lehren wir Religion?, Göttingen 71931.

Meyer-Blanck, Michael: Das Gebet, Tübingen 2019.

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