11-Uhr-Andacht am 14. Mai 2020

Ansprache zu Hiob 13,9 (Tageslosung); 11-Uhr-Andacht am Donnerstag, 14. Mai 2020; St. Laurentius, Neuendettelsau, Pfarrer Oliver Georg Hartmann

Meint ihr, dass ihr Gott täuschen werdet, wie man einen Menschen täuscht?

Dieses Wort aus dem Buche Hiob schenkt uns die heutige Tageslosung. Wir leben in der österlichen Freudenzeit, und diese Zeit wird durchbrochen vom schmerzlichen Weggang Jesu, seiner Himmelfahrt. Es ist nicht von ungefähr, dass das Kirchenjahr vor dieses Fest den Sonntag Rogate setzt. Rogate heißt übersetzt: Betet. Ja, das Gebet ist das, was uns übrig bleibt. Wir können Jesus nicht mehr irdisch fassen. Was uns bleibt, ist das Gebet.

Was ist das eigentlich: Beten, Gebet und unsere Begegnung mit Gott? Die heutige Tageslosung gibt dafür den Auftakt.

Meint ihr, dass ihr Gott täuschen werdet, wie man einen Menschen täuscht? - Es ist eine merkwürdige Frage, die Hiob da an uns und seine Freunde stellt. Gott täuschen? Geht doch gar nicht, würden meine Kindergartenkinder sofort sagen. Und sie haben recht. Kinder haben meist noch eine Ahnung davon, dass Gott eben alles sieht. Etwas zu konkret vielleicht und angefüttert mit zu naiven Sichtweisen. Aber das ist heute nicht wichtig. Wichtig ist: Gott sieht uns. Er sieht dich und mich. Und das macht mir Angst. Will ich das überhaupt, dieses Sehen, dieses Nicht-Täuschen-Können? Dieses Sehen in alle Winkel meiner Gedanken, die ungeheuerlichen, frivolen, bösen, neidvollen - meine Angst und Unsicherheit. Nein, das will ich nicht. So will ich nicht gesehen werden. Nicht von den Menschen und auch nicht von Gott. Das löst Scham aus. Ein bitteres Gefühl, denn es sagt mir: Ich bin nicht gut genug, ich bin fehlerhaft, ich bin schadhaft, hässlich und vieles mehr. Ich versuche, mich zu bedecken. Aber was bei den Menschen funktioniert, geht hier eben nicht.

Meint ihr, dass ihr Gott täuschen werdet, wie man einen Menschen täuscht? Diese Frage und Antwort zugleich, kann Angst machen, richtig Angst.

Und doch - sie sagt zugleich: Ich sehe dich und deine Narben, deine Bosheiten und irren Gedanken, und ich nehme dich an. Bei mir musst du dich nicht verstellen. Du bist bei aller grausamen Unvollkommenheit doch mein geliebtes Kind. Ja, das ist die Kehrseite allen Sehens. Es ist ein Sehen in Liebe, die den anderen nicht weiter entstellen möchte. Warum sollte ich mich da verstellen?

Amen.

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