Predigt vom Sonntag Miserikordias Domini, 18. April 2021

Predigt zu Hesekiel 34, 1-2 (3-9) 10-16.31; Miserikordias Domini, 18. April 2021, 9.30 Uhr; St. Laurentius, Neuendettelsau; Pfarrer Dr. Peter Munzert

Liebe Schwestern und Brüder!

1. Die heutige Schriftlesung aus dem Buch des Propheten Hesekiel setzt sich mit dem Hirtenbild auseinander.

Der Hirte ist im biblischen Zeitalter einer der wichtigsten Alltagsberufe. Hirten sorgen sich um ihre Herde, insbesondere auch um einzelne Tiere, wenn sie zum Beispiel in Not geraten. Das Bild des Hirten wird in der Bibel und auch im Buch Hesekiel auf Menschen übertragen, die eine besondere Leitungs- und Führungsfunktion für andere Menschen oder Gruppen haben. Schließlich wird das Hirtenbild im Alten Testament häufig für Gott und im Neuen Testament an vielen Stellen auch für Jesus verwendet.

2. Wir haben in der Regel ein eher verklärtes Bild von der Arbeit eines Hirten in der Bibel. Dazu tragen die vielen bunt gemalten Bilder von lachenden Hirten bei, die kleine Lämmer auf dem Arm tragen. So kennen wir sie aus vielen Bilderbüchern für Kinder.

Im biblischen Alltag gibt es aber auch deutliche Kritik an manchen Hirten. Einige vernachlässigen ihre Arbeit. Kranke Tiere bleiben liegen, verlorene Schafe werden nicht gesucht, wenn dies gefährlich wird. Tiere werden geschlachtet und gegessen, anstatt sie zu weiden.

Ein deutlicher Weheruf in unserem heutigen Bibeltext beklagt die üblen Hirten:

Wehe den Hirten Israels, die sich selbst weiden! Sollen die Hirten nicht die Herde weiden? (Hesekiel 34,2)

3. Vordergründig geht es hier um Schafe. Im übertragenen Sinn ist dieser Weheruf eine Kritik an allen Hirten und Hirtinnen, die Verantwortung tragen. Es geht um das Volk Israel, um seine Führer, wie sie die Verantwortung für die Menschen wahrnehmen, die ihnen anvertraut sind, und es geht um uns heute, wie wir Verantwortung ernst nehmen und sie ausüben.

4. Im Buch Hesekiel ist das Urteil desaströs. Viele Hirten bringen nichts zuwege. Sie denken nur an sich selbst. Gott selber muss eingreifen und stoppt das ausbeuterische Verhalten der falschen Hirten:

Die Hirten „sollen sich nicht mehr selbst weiden. Ich will meine Schafe erretten aus ihrem Rachen, dass sie sie nicht mehr fressen sollen.“ (Hesekiel 34,10)

Gott lässt es nicht zu, dass die anvertrauten Schafe ausgenutzt oder gar in den Tod geführt werden. Gott selber kümmert sich um die notleidenden Tiere und ist für sie da. Er führt sie zu einer guten Weide und sorgt für ihr Leben:

Ich selbst will meine Schafe weiden,
und ich will sie lagern lassen,
spricht Gott, der Herr.

Ich will das Verlorene wieder suchen
und das Verirrte zurückbringen
und das Verwundete verbinden
und das Schwache stärken,
und was fett und stark ist, behüten;
ich will sie weiden, wie es recht ist.
(Hesekiel 34,15f)

5. Liebe Schwestern und Brüder, aus diesen Worten der Heiligen Schrift spricht die große Sehnsucht, dass Gott selber in die Geschichte eingreift und Unheil zum Heil wendet.

Diese Worte ermahnen alle, die in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft Verantwortung tragen, sorgsam mit den ihnen anvertrauten Menschen und Gütern umzugehen. Denn Gott schaut hin. Es gibt Maßstäbe. Nicht alles, was geht, ist erlaubt. Denn wir wissen, was gut ist. Das ist uns gesagt, so urteilen die biblischen Propheten einhellig. Da können wir uns nicht wegducken.

6. Der gute Hirte ist ein Vorbild. Nicht erst mit Jesus im Neuen Testament, sondern schon im Alten Testament. Wir haben den Psalm 23 gebetet und gehört. Das ist eine der schönsten biblischen Passagen, die wir kennen. Sie beschreibt mit bildreichen Worten, was ein Hirte oder eine Hirtin zu tun vermag: Andere hüten. Für andere da sein. Sich um andere sorgen – in diesen einsamen Tagen noch mehr bei Menschen sein, die wir nicht sehen, die ihre Wohnung oder ihr Haus nicht verlassen können.

Es geht dabei nicht nur um dunkle Stunden und finstere Täler, sondern auch um schöne und erfrischende Momente, um Momente, in denen wir spüren, wie Gott bei uns ist und uns trägt – auch diese Erfahrung will geteilt sein.

7. Oft haben Völker und Nationen die Erfahrung gemacht, dass sie von unfähigen Hirten oder falschen Führern in die Irre oder in das Verderben geführt wurden. Und doch ist diese Zusage Gottes ein Anker im Leben vieler Menschen heute, dass Gott sich sorgt.

Es ist ein Versprechen. Es ist ein Ausdruck der Hoffnung. Es ist ein Zuspruch und ein Anspruch: Seid füreinander da. Behütet einander. So wie Gott für euch da ist.

Gott spricht: „Ja, ihr sollt meine Herde sein, die Herde meiner Weide, und ich will euer Gott sein.“ (Hesekiel 34, 31)

Amen

Psalm 23

1 Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. 2 Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. 3 Er erquicket meine Seele. Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens Willen. 4 Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich. 5 Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde. Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein. 6 Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar. Amen


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