Predigt vom Sonntag Sexagesimae, 16. Februar 2020

Predigt zu Hesekiel 2,1 – 3,3; Sexagesimae, 16. Februar 2020, 9.30 Uhr, St. Laurentius, Neuendettelsau; Pfarrer Dr. Peter Munzert

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen.

Liebe Gemeinde,

ich kann mir vorstellen, dass es vielen hier in der Kirche ähnlich geht wie mir: Die vielen schrecklichen Nachrichten über Kriege mit allen dazugehörigen Gräueln, die Berichte über Flüchtlinge, die zu Tausenden ertrinken oder unter unsäglichen Bedingungen in völlig überfüllten Lagern leben müssen, die Bilder von Großbränden und zerstörten Orten oder verbrannten Tieren - das alles tut nicht nur weh. Es macht mir auch Angst.

Was ist das nur für eine Welt! War sie schon immer so, und ich bin blind und taub gewesen? Oder hat sich da unbemerkt in den vergangenen Jahren etwas rapide verschlechtert? Und: Was kommt noch alles auf uns zu?

Alle diese Fragen habe ich in dem Predigtabschnitt für den heutigen Sonntag wiedergefunden. Aber nicht nur auf diese Fragen bin ich gestoßen und habe mich damit getröstet, dass da lange vor mir Menschen gelebt haben, die von Ähnlichem umgetrieben wurden. Mehr noch hat mir geholfen zu erfahren, dass Gott dies alles wahrnimmt und ich aus dem, was der Prophet Hesekiel schreibt, Mut, Trost und Hoffnung schöpfen kann. (Falls es jemanden verwirrt, in manchen Bibelübersetzungen wird Hesekiel auch Ezechiel genannt.)

Was ich an Ermutigung und Hoffnung aus den Worten des Propheten gewonnen habe, möchte ich heute mit Ihnen teilen. Und weil es hilft, auch etwas über seine Lebensverhältnisse vor über zweieinhalb Jahrtausenden zu wissen, möchte ich damit beginnen:

Hesekiel war Priester und wurde von Gott zum Propheten berufen. Sein Name heißt übersetzt: ‚Gott möge stärken‘ oder ‚Gott möge fest machen‘. Ein guter Name in Zeiten der Angst! Seine Berufung erhielt er 34 Jahre nachdem Jeremia berufen worden war, und er gehört damit der nachfolgenden Generation an. Zu diesem Zeitpunkt lebte er schon im babylonischen Exil, wohin er mit König Jojachin 597 vor Christus verschleppt worden war. Zu diesem Zeitpunkt war Jerusalem noch nicht gefallen und zerstört worden. Das geschah erst 10 Jahre später!

Der Name Hesekiel, Gott möge fest machen, spricht auch deshalb Bände, weil die Israeliten schon seit Jahrzehnten unter großen Bedrohungen und Verlusten leben mussten. Denn als Hesekiel geboren wurde, war das Nordreich Israel schon seit fast 100 Jahren aus der Geschichte verschwunden. An seine Stelle war die assyrische Provinz Samarien getreten. Und nun wurde sozusagen die Pest von der Cholera abgelöst, als die babylonischen Truppen alles eroberten und auch Juda besetzten und große Teile der Bevölkerung verschleppte.

Das erzähle ich deshalb so ausführlich, damit deutlich wird, in welch bewegten und gefährlichen Zeiten Hesekiel wirkte. Die ganze ihm bekannte Welt war ins Chaos gefallen. Es muss sich wie das Weltende angefühlt haben! Und es war die Zeit der großen Propheten: Jeremia, Hesekiel, Daniel, Nahum, Habakuk und Zephania.

Später, viel später, wurden ihre Warnungen und Mahnungen in die heiligen Bücher aufgenommen. Doch zu Lebzeiten wurden sie verspottet und angefeindet. Ihre Botschaften verhallten scheinbar ungehört – kaum jemand glaubte ihnen. Heute würde man ihm Panikmache durch fake-news vorwerfen.

Für mich hat das alles erschreckend aktuelle Anklänge. Doch hören wir nun endlich auf die Worte des Hesekiel aus seinem Buch im 2. Kapitel:

Ich hörte eine Stimme sprechen. Sie sagte zu mir: Menschensohn, stelle dich auf deine Füße. Ich will mit dir reden. Als die Stimme zu mir redete, erfüllte mich die Kraft des Geistes und stellte mich auf meine Füße. Da hörte ich die Stimme sagen: Menschensohn, ich sende dich zu den Israelitinnen und Israeliten, zu den rebellischen Stämmen, die sich gegen mich auflehnen. So haben es schon ihre Vorfahren getan und sie sind nicht besser. Auch zu fremden Völkern sende ich dich. Aber vor allem zu diesem frechen und widerspenstigen Volk. Du sollst zu ihnen sagen: So spricht Gott, mächtig über allen. Sie aber – ob sie hören oder es lassen, denn sie sind trotzig verschlossen – werden irgendwann merken, dass mitten unter ihnen ein Prophet ist. Du aber Menschensohn, habe keine Angst vor ihnen und auch nicht vor ihrem Reden. Ja, von Nesseln und Dornen bist du umgeben und du sitzt auf Skorpionen. Habe keine Angst vor dem, was sie sagen, ob sie hören oder ob sie trotzig verschlossen sind.

Du aber Menschensohn, höre, was ich dir sage: Sei du nicht so trotzig verschlossen wie jene. Öffne deinen Mund und iss, was ich dir gebe.

Ich schaute und sah, wie sich mir eine Hand entgegenstreckte und in ihr war eine Schriftrolle. Sie war auf der Vorder- und auf der Rückseite beschrieben. Dort stand Klage und Ach und Weh. Die Stimme sprach zu mir: Menschensohn iss, ja iss diese Schriftrolle und dann gehe zum Haus Israel. Da öffnete ich den Mund und aß die Schriftrolle. Die Stimme sagte: Menschensohn, gib deinem Bauch Nahrung und fülle deinen Magen mit dieser Rolle, die ich dir gebe.

Da aß ich sie und sie war in meinem Mund so süß wie Honig. (Hes. 2,1-3,3)

Über zweieinhalbtausend Jahre alt sind diese Worte über verstockte und hartherzige Menschen, die keinem der vielen Propheten Glauben schenken, welche im Auftrag Gottes mahnen und warnen. Dabei ist das doch beim untergegangenen Nordreich schon einmal so gewesen. Auch sie waren gewarnt und gemahnt worden. Auch bei ihnen hatten die Verantwortlichen das als Panikmache und dummes Gerede abgetan und sich trotzig verschlossen. Kein Wunder, dass Gott zugibt, was an schlimmen Befürchtungen in Hesekiel hochsteigt: Ja, von Nesseln und Dornen bist du umgeben und du sitzt auf Skorpionen. Seit Urzeiten ist das ein Bild für Menschen, die einem Böses und Gemeines antun wollen.

Auch all die vielen Menschen, die heutzutage mit Hassmails überzogen, beschimpft und bedroht werden, können ein Lied davon singen. Und jeder und jede von uns, die sich für Verfolgte einsetzt, Bedrohte und Beleidigte in Schutz nimmt und das Gemeine beim Namen nennt, steht in der Gefahr, genauso behandelt und bedroht zu werden.

Dürfen sie dann auch darauf vertrauen, dass für sie gilt, was Gott dem Hesekiel verspricht? Dürfen wir in einem solchen Fall damit rechnen? Du aber, Menschensohn/Menschentochter, habe keine Angst vor ihnen und auch nicht vor ihrem Reden bzw. heute vor ihren Hassmails und der Hetze im Internet, mit der sie dich bedrohen und fertig machen wollen?

Damals ist Hesekiel aufgefordert worden, die Schriftrollen zu essen. Zweimal steht da direkt hintereinander die Aufforderung „Iss, iss, was ich dir gebe!“ Und da verwandeln sich die Schriftrollen, die vorne und hinten mit Klage, Ach und Weh beschrieben sind, in süße Speise.

Das ist eines der schönsten und ermutigendsten Bilder, die ich kenne. Denn sie machen mir deutlich, dass es nicht darum geht, die Bibel einfach nur so zu lesen und ihre Worte zur Kenntnis zu nehmen, sondern sie in ihrer tiefsten Bedeutung zu verdauen. Das ist ein langsamer und sorgfältiger Prozess, der seine Zeit braucht. Doch so wird das, was ich lese und meditiere, zum festen Grund, der mir Halt gibt, und zur Hoffnungsquelle, wenn meine Welt aus den Fugen und ins Wanken gerät.

Vor Gott gibt es kein „Zu Spät“! Vor Gott gibt es kein „Du gehörst zur falschen Gruppe, deine Vergangenheit spricht gegen dich!“

Hesekiel macht deutlich: Du kannst jederzeit und ohne dein Gesicht zu verlieren, deine Einstellung und dein Verhalten zum Guten ändern. Gott geht immer wieder von Neuem auf uns zu. Gott gibt niemanden auf. Er wirbt auf jede erdenkliche Weise um jeden einzelnen Menschen.

Gottes Liebe ist grenzenlos und zeitlos. Sie stößt niemanden zurück, egal wie groß die Schuld auch sein mag.

Das Zauberwort heißt Umkehr. Umkehr aber heißt, sich einsetzen für Gerechtigkeit und für das Leben. Und dies wirklich unter die Leute bringen und dabei für Versöhnung zu werben, auch wenn diese uns Angst einjagen wollen und gefährlich sind.

Für diese Botschaft der Umkehr, für dieses Umdenken, für dieses Angebot einer zweiten Chance sucht Gott Menschen, die sich trauen, das zu verbreiten, allen Widerständen zum Trotz. Denn diese Erfahrung, zu Gott umkehren zu dürfen und mit offenen Armen empfangen zu werden, ist für alle, die es erleben, etwas ungeheuer Köstliches und verwandelt und vertreibt alle Bitterkeit.

Es stellt einen Menschen buchstäblich auf seine Füße. Denn nur so gelingt ein Neuanfang - auch ein neues Hören und Verarbeiten von Gottes Botschaft.

Unser Glaube beruht auf einem tiefen Vertrauen in Gottes Liebe zu uns und zur gesamten Schöpfung. Das sollen und wollen wir festhalten - gerade in schweren Zeiten, in denen vieles dagegen spricht.

Hesekiel hat den Untergang seiner Welt erlebt. Wir wissen auch nicht mehr, wie sein Leben nach seinem 50. Lebensjahr weiterging. Aber wir kennen sein Zeugnis davon, wie Gott ihn immer wieder gestärkt und aufgerichtet hat. Seine Worte haben heute noch Bestand. Sie gelten auch für uns. Jesus hat sie bestätigt und sein Versprechen dazu gesetzt: Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende. Daran sollen wir einander erinnern, wann immer uns Angst befällt. Amen

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alles, was unsere Vernunft denken und sagen kann, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

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