Predigt vom Palmsonntag, 28. März 2021

Predigt zu Hebräer 11, 1-3 und 12, 1-3; Palmsonntag, 28.03.2021, 9.30 Uhr; St. Laurentius, Neuendettelsau; Pfarrer Dr. Peter Munzert

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen

Predigttext Hebräer 11,1-3 und 12,1-3:

11,1 Das Gottvertrauen ist die Grundlage dessen, was wir Menschen hoffen, und ein Überzeugtsein von Dingen, die nicht sichtbar sind. 2 Für dieses Gottvertrauen wurden schon die Alten gerühmt. 3 Im Vertrauen auf Gott erkennen wir, dass die Welt durch Gottes Wort erschaffen worden ist, so dass aus dem Unsichtbaren das Sichtbare geworden ist.

12,1 Deshalb gilt auch für uns: Weil wir von Menschen [wie von einer Wolke] umgeben sind, die Zeugnis ablegen, wollen wir alle Last und Fesseln abwerfen, die durch die Übertretungen der Tora entstanden sind. Lasst uns standhaft den vor uns liegenden Kampf aufnehmen 2 und dabei aufsehen zu Jesus, der das Gottvertrauen begründet und vollendet hat. Er hat das Kreuz auf sich genommen um der Freude willen, Entehrung ignoriert und sich schließlich zur Rechten des Thrones Gottes gesetzt. 3 Denkt an ihn, der von gottfernen Menschen derartige Empörung gegen sich erduldet hat, damit ihr nicht müde werdet und nicht den Mut verliert.

(vom Autor überarbeitete Übersetzung der Bibel in gerechter Sprache und der Basisbibel)

Liebe Schwestern und Brüder!

„Ich glaube“ – diese Worte sage ich mehrmals am Tag. „Ich glaube“ – das bedeutet dann meist so viel wie „ich meine“ oder „ich denke“. Da schwingt ein wenig Unsicherheit mit, vielleicht ein kleiner Zweifel. So ganz sicher bin ich mir da nicht. Es wäre wohl anders, wenn ich sagen würde „Ganz klar. Ja, da bin ich mir ganz sicher, davon bin ich fest überzeugt. Da könnt ihr euch drauf verlassen.“

Wie ist nun der Glaube? Unsicher oder sicher? Geht beides gleichzeitig? Was überwiegt? Sie kennen sicher alle den Satz “Das musst du aber glauben“, so als gäbe es keinen Widerspruch. Aber das Leben ist doch anders.

Stellen Sie sich vor, Sie gehen zum Arzt, weil Sie seit Tagen so ein Drücken im Unterbauch haben. Es zwickt etwas, das tut es ja öfter, aber jetzt hört es nicht mehr auf. Sie glauben, Sie seien krank, ach was, Sie sind fest überzeugt, das müsse der Darm sein, der drücke öfter, jetzt sei der aber schwer entzündet, oder es sei womöglich die Gallenblase, oder am Ende noch etwas Schlimmeres – Ihnen wird schon ganz schwindlig vor Angst. Dann kommt der Notarzt, untersucht Sie gründlich, macht ein ernstes Gesicht und stellt dann erleichtert fest: Sie haben wohl was Falsches gegessen, aber sonst sind Sie kerngesund. Was antworten Sie? Das kann ich nicht glauben.

Glaube hat zu tun mit festen Überzeugungen. Und feste Überzeugungen sind tief in uns verankert. Wir können uns auf sie verlassen, sie tragen uns und geben uns Halt. Wir leben von diesen Überzeugungen. Sie sind ein Teil von uns - und wir werden sie nie mehr los.

Urvertrauen ist auch so ein schönes Wort, das dies ausdrückt. Ich vertraue dir. Ich kann dir trauen, oder ich baue auf dich. Ich habe von Anfang an ein festes Vertrauen, dass alles gut wird. Das trägt mich. Darauf kann ich mich verlassen.

Vertrauen, überzeugt sein, glauben, an etwas festhalten – ich habe mal ein wenig in den verschiedenen deutschen Übersetzungen zu unserem Bibeltext geblättert. Alle diese Übersetzungen sind redlich, denn sie drücken eines gemeinsam aus, nämlich dass die Unsicherheit zum Glauben immer dazu gehört. Das ist so ein kleiner Funken Zweifel. So eine kleine Vorsicht, dass es vielleicht doch anders sein könnte.

Denken Sie doch bitte noch einmal an unsere kleine Arztgeschichte. Der Arzt sagt, es sei alles in Ordnung. Der Patient hört das und denkt: Eigentlich kann ich beruhigt sein, aber wenn der Arzt nun doch nicht Recht hat, wenn er was übersehen hat und ich doch krank bin? Es ist dieses kleine „Aber“, dass immer da ist. Wir können es nicht so einfach wegschieben. Es kommt immer wieder hoch, wie so ein wenig Unruhe oder innere Angst, dass doch nicht alles auf dieser Welt glattgeht.

In Hebräerbrief ist daher von einer „Wolke der Zeugen“ die Rede. Das meint eine große Zahl von Menschen, die Gott geglaubt haben und ihm gefolgt sind. Da ist zum Beispiel Abraham. Er folgt Gottes Wort und zieht in ein neues Land. Sara glaubt, dass Gott Kinder schenken kann, und dann wird sie im hohen Alter schwanger. Da ist von Noah die Rede, der Gott glaubt und seinem Wort gehorcht, die Arche baut und so die Sintflut unbeschadet überlebt. Die Wolke der Zeugen ist groß.

Wir sollen ihnen vertrauen und ihren Erfahrungen mit Gott Glauben schenken. So meint es der Hebräerbrief. Alles abwerfen, was uns müde und träge macht, was uns verzweifeln lässt oder von Gott entfernt und einfach den Menschen nachfolgen, die den rettenden Gott erlebt haben.e

Es ist wie das Sprichwort: „Beispiele sind mehr, als alle Red‘ und Lehr‘.“ Der Hebräerbrief widmet ein ganzes Kapitel den Menschen, die uns mit gutem Beispiel im Glauben vorangegangen sind. Und alle, von denen da die Rede ist, haben irgendwann mal gezweifelt, waren einmal unsicher oder mürrisch, oder waren schlicht gebrannte Kinder, die schon zu viel Enttäuschendes in ihrem Leben erlebt hatten.

Paul Tillich, ein großer Theologe des 20. Jahrhunderts, sagte einmal: Glauben ist wie Fahrradfahren. Da fährt man auch mal Schlangenlinien und ist mal auf der einen und dann wieder auf der anderen Seite. Das ist mir im Gedächtnis geblieben. Glauben ist wie Fahrradfahren. Das ist nicht despektierlich gemeint, sondern ehrlich. Denn wir alle kennen Situationen und Phasen im Leben, wo der Glaube tief und fest ist und dann wieder brüchig wirkt.

In den kommenden Tagen an Ostern sprechen wir viel von der Auferstehung der Toten. – Können wir das glauben? Das ist gegen alle Natur. Es ist ein ungeheures Wunder und fordert unseren Glauben heraus. Vor wenigen Tagen verstarb eine der größten, kritischen, katholischen Theologinnen des 20. Jahrhunderts, Professorin Ute Ranke-Heinemann. Sie zweifelte in der katholischen Kirche die Jungfrauengeburt an. Dafür musste sie viel Kritik und sogar Anfeindung einstecken. Sie konnte und wollte daran nicht glauben - aber daran, dass Gott uns Menschen glücklich sehen will und wir dafür eine ganze andere Lehre in der Kirche bräuchten, die uns Menschen ernst nimmt, so wie wir sind. Menschlich, oft voller Unsicherheiten und Widersprüche, aber doch ernst und guten Willens. Wir suchen Gott und brauchen seinen Zuspruch, das gute Wort, das er uns schenkt und Menschen, die die frohe Botschaft weitertragen.

Gott kommt zu uns und schenkt uns sein Vertrauen. Es ist wohl so, wie wenn man tröstend in den Arm genommen wird und sich fallen lassen kann. Ja, Gott hält uns. Wie wenn ein Kind nachts aufwacht und weint, weil es schlecht geträumt hat, und die Mutter und der Vater es wärmend in den Arm nehmen und ihm Geborgenheit schenken. Wie wenn der Arzt der Patientin seine Hand auf ihre Hand legt, weil er ihre Angst spürt und sie beruhigt, bis sie sich entspannt und dem Arzt lächelnd danken kann.

Es ist eine Metapher für den Palmsonntag, ein Symbol für den Palmsonntag, dass Jesus Christus auch in unser Herz einzieht und nicht nur in die Stadt Jerusalem. So begegnen wir einander.

Der Glaube bleibt ein wenig ein Geheimnis, ein Geheimnis Gottes. Manche Menschen glauben fester und tiefer, andere sehen es etwas lockerer, andere wiederum können nicht glauben. Sie müssen sehen, was sie glauben sollen, so wie der Jünger Thomas, der in Jesu Wundmalen ertasten muss, dass ihm der auferstandene Christus selbst begegnet. Thomas hört, spürt und sieht mit all seinen Sinnen das Wunder Gottes, und dann kann er es glauben.

Wir tun uns heute schwer, in der modernen Welt an Wunder oder andere Dinge zu glauben, die unsere Vernunft übersteigen, die die Grenzen der Wissenschaften strapazieren, weil Unmögliches auf einmal möglich sein soll.

Es geht nicht vorrangig um ein sachliches, ein unpersönliches Wissen. Es geht um uns, um unser eigenes Leben und um unseren persönlichen Glauben. Es geht um das, was wir glauben, was uns guttut, was uns hilft. Wir sind in Neuendettelsau weiß Gott nicht leichtfertig und suchen doch nicht nur unsere eigene Zufriedenheit.

Es geht darum, dass Gott in unser Leben tritt, dass unser Glaube uns hilft, uns für Gott zu öffnen, ihm zu vertrauen und ihm zu folgen. Glaube ist eine Beziehung, eine tiefe und feste und auch strapazierfähige Beziehung zu Gott:

Wie in einer langen und liebevollen Partnerschaft – man lernt einander kennen und vertrauen, auch wenn es mal knirscht, und liebt einander dafür.

Wenn wir jetzt einander davon erzählen, dann gehören auch wir zur Wolke der Zeugen.

Amen.

Der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.

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