Predigt vom Ostersonntag, 4. April 2021

Predigt zu Exodus 14, 8-14.19-23.28-30a; 15, 20-21; Ostersonntag, 4. April 2021, 9.30 Uhr; St. Laurentius, Neuendettelsau; Rektor Dr. Mathias Hartmann

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Der Predigttext für den Ostersonntag steht im 2. Buch Mose im 14. und 15. Kapitel:

14 8 Und der HERR verstockte das Herz des Pharao, des Königs von Ägypten, dass er den Israeliten nachjagte. Aber die Israeliten waren mit erhobener Hand ausgezogen. 9 Und die Ägypter jagten ihnen nach, alle Rosse und Wagen des Pharao und seine Reiter und das ganze Heer des Pharao, und holten sie ein, als sie am Meer bei Pi-Hahirot vor Baal-Zefon lagerten. 10 Und als der Pharao nahe herankam, hoben die Israeliten ihre Augen auf, und siehe, die Ägypter zogen hinter ihnen her. Und sie fürchteten sich sehr und schrien zu dem HERRN 11 und sprachen zu Mose: Waren nicht Gräber in Ägypten, dass du uns wegführen musstest, damit wir in der Wüste sterben? Warum hast du uns das angetan, dass du uns aus Ägypten geführt hast? 12 Haben wir's dir nicht schon in Ägypten gesagt: Lass uns in Ruhe, wir wollen den Ägyptern dienen? Es wäre besser für uns, den Ägyptern zu dienen, als in der Wüste zu sterben. 13 Da sprach Mose zum Volk: Fürchtet euch nicht, steht fest und seht zu, was für ein Heil der HERR heute an euch tun wird. Denn wie ihr die Ägypter heute seht, werdet ihr sie niemals wiedersehen. 14 Der HERR wird für euch streiten, und ihr werdet stille sein.

19 Da erhob sich der Engel Gottes, der vor dem Heer Israels herzog, und stellte sich hinter sie. Und die Wolkensäule vor ihnen erhob sich und trat hinter sie 20 und kam zwischen das Heer der Ägypter und das Heer Israels. Und dort war die Wolke finster und hier erleuchtete sie die Nacht, und so kamen die Heere die ganze Nacht einander nicht näher. 21 Als nun Mose seine Hand über das Meer reckte, ließ es der HERR zurückweichen durch einen starken Ostwind die ganze Nacht und machte das Meer trocken, und die Wasser teilten sich. 22 Und die Israeliten gingen hinein mitten ins Meer auf dem Trockenen, und das Wasser war ihnen eine Mauer zur Rechten und zur Linken. 23 Und die Ägypter folgten und zogen hinein ihnen nach, alle Rosse des Pharao, seine Wagen und Reiter, mitten ins Meer.

28 Und das Wasser kam wieder und bedeckte Wagen und Reiter, das ganze Heer des Pharao, das ihnen nachgefolgt war ins Meer, sodass nicht einer von ihnen übrig blieb. 29 Aber die Israeliten gingen trocken mitten durchs Meer, und das Wasser war ihnen eine Mauer zur Rechten und zur Linken. 30 So errettete der HERR an jenem Tage Israel aus der Ägypter Hand.

15 20 Da nahm Mirjam, die Prophetin, Aarons Schwester, eine Pauke in ihre Hand, und alle Frauen folgten ihr nach mit Pauken im Reigen. 21 Und Mirjam sang ihnen vor: Lasst uns dem HERRN singen, denn er ist hoch erhaben; Ross und Reiter hat er ins Meer gestürzt.

Liebe Gemeinde!

Ist das nicht eine beeindruckende Geschichte – die Erzählung vom Durchzug der Israeliten durch das Schilfmeer? Wie viele der alttestamentlichen Erzählungen ist sie ungewöhnlich und beeindruckt nachhaltig. Sie wurde über Jahrhunderte weitergegeben und unzählige Male erzählt, bis heute gehört sie zum Standardrepertoire im Kindergottesdienst und Religionsunterricht. In der bildenden Kunst, in Literatur und Film wurde und wird sie immer wieder zitiert und aufgenommen. Die Erzählung von der Befreiung des Volkes Israel aus Ägypten gehört zum religiösen Grundbestand des Judentums und des Christentums – so kommen Bezüge zu dieser Erzählung im ganzen Alten und Neuen Testament vor, und auch in der Osterliturgie gehört sie als Befreiungsgeschichte schon lange dazu. Und das hat einen ganz einfachen Grund: Es ist eine Hoffnungsgeschichte! Die Erzählung vom Schilfmeer ist genauso wie die von der Auferstehung Jesu aus dem Neuen Testament eine Hoffnungsgeschichte, die eine besondere Kraft entfaltet.

Ich möchte gerne mit Ihnen etwas über diese beiden in diesem Gottesdienst gehörten Hoffnungsgeschichten nachdenken und mit Ihnen überlegen, was sie heute für uns bedeuten können.

Der erste Gedanke: (1) Wir Menschen brauchen Hoffnungsgeschichten! Die Wirkung, die die beiden Erzählungen in der Vergangenheit entfaltet haben und auch heute noch entfalten, macht deutlich, dass es ein Grundbedürfnis von uns Menschen ist, Geschichten zu hören, die Hoffnung verbreiten. Aktuell hören wir ganz viele Geschichten – in den Medien oder auch persönlich von Menschen, die wir treffen oder mit denen wir anders in Kontakt sind. „Hast du schon gehört?“, so beginnen die persönlich weitererzählten Geschichten. Und leider gibt es aufgrund der Corona-Pandemie im Moment eher Furchterregendes als Hoffnungweckendes zu berichten. Ich merke an mir selbst und an vielen Menschen in meiner Umgebung, wie gut es tut, wenn positive, hoffnungsvolle Nachrichten die Runde machen. Die Nachricht von der Zulassung des ersten Impfstoffes gegen den Corona-Virus kurz vor Weihnachten, von den ersten Impfungen in den Senioreneinrichtungen kurz nach dem Fest – das waren Nachrichten, die aufatmen ließen und Hoffnung gemacht haben. Aktuell machen eher die düsteren Nachrichten zur dritten Welle die Runde. Und ich merke, dass es unsere Aufgabe ist, in der schwierigen Zeit Hoffnung zu verbreiten und weiterzugeben.

Wir als Christen haben Grund, von der Hoffnung zu reden und Hoffnungsgeschichten zu erzählen. Die Geschichte von der Auferstehung Jesu macht deutlich: Gott ist stärker als der Tod! Und: Gott hat eingegriffen und den Tod besiegt! Es ist gut, aus dieser Hoffnung zu leben und diese Hoffnung weiterzugeben.

Der zweite Gedanke: (2) Auch in Hoffnungsgeschichten steckt die Ambivalenz des Lebens drin. Wenn wir uns die beiden Hoffnungsgeschichten näher anschauen – den Durchzug der Israeliten durch das Schilfmeer und die Auferstehung Jesu – dann sind das keine „Heile-Welt-Geschichten“. Da ist nicht alles rosarot und voller Sonnenschein, da gibt es durchaus auch dunkle Schatten. In der alttestamentlichen Geschichte ist einerseits von der Errettung der Israeliten die Rede – andererseits wird vom Tod der ägyptischen Soldaten berichtet. Diese Ambivalenz ist auch den frühen jüdischen Auslegern der Geschichte bereits bewusst gewesen. Im Talmud – der sehr alten Auslegung der heiligen Texte des Judentums – erzählen die Rabbiner zu dieser Geschichte, dass die Engel im Himmel nach der Rettung der Israeliten am Schilfmeer ein Loblied anstimmen wollten, worauf ihnen Gott dies verboten haben soll. Zwar hat Gott eingegriffen und sich auf die Seite der Unterdrückten und Bedrohten gestellt – doch freut er sich nicht über diese Rettung, weil er selbst – mit dem Tod der Menschen, die er geschaffen hat – einen hohen Preis dafür gezahlt habe. Auch die Geschichte von der Auferstehung hat ja auch eine dunkle Seite, nämlich die des Todes Jesu am Kreuz.

Hoffnungsgeschichten, so wichtig sie für uns sind, sollten nicht diese Ambivalenz des Lebens verharmlosen, die wir kennen und immer wieder erleben. Hoffnung haben bedeutet nicht, die dunklen Seiten des Lebens und die schwierigen Erfahrungen auszublenden. Wenn wir in Zeiten von Corona von Hoffnung reden, dann dürfen wir nicht eine „Alles-wird-gut-Stimmung“ verbreiten. Auch wenn wir das vielleicht gerne tun würden – dafür gibt es keine Grundlage! Für manche Menschen ist diese Pandemie nicht gut ausgegangen und für manche wird sie das auch in der Zukunft nicht. „Alles wird gut!“ ist vielleicht Zweckoptimismus – aber ganz bestimmt nicht das, was wir unter Hoffnung verstehen sollten. Wir dürfen auch bei unseren Hoffnungsgeschichten die dunkle Seite, die Ambivalenz des Lebens, nicht ausblenden.

Und der dritte Gedanke: (3) Hoffnung gibt Kraft gerade in schweren Situationen. Wenn wir darauf schauen, wann und warum die beiden Erzählungen, die Hoffnungsgeschichten, über Jahrhunderte weitergegeben wurden, dann fällt auf, dass sie gerade in schwierigen Situationen eine besondere Kraft entfaltet haben. Der Auszug aus Ägypten wurde für das Volk Israel gerade in Zeiten der Bedrohung durch die Nachbarvölker oder im Exil zu einer kraftspendenden Geschichte. Die Grundaussage dieser Erzählung ist in Vers 14 zu lesen: „Gott wird für Euch streiten und ihr werdet stille sein.“ Diese Hoffnungsgeschichte sagt aus: In Zeiten der Bedrohung und Bedrückung seid ihr nicht alleine, Gott ist auf eurer Seite! Er geht mit euch durch diese Situation, in der ihr euch hilflos und machtlos fühlt, und er steht euch bei. Ganz ähnlich bei der Erzählung von der Auferstehung Jesu. Da ist die Grundaussage: Gott hat Macht über den Tod. Da wo wir hilflos sind, ist er da und greift ein.

Die Aussage beider Geschichten lautet nicht: „Alles wird gut!“, sondern: „Gott ist bei Euch, gerade in schwierigen und bedrohlichen Situationen.“ Der Regimekritiker und spätere Staatspräsident der Tschechischen Republik, Vaclav Havel, soll über Hoffnung Folgendes gesagt haben: „Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn macht, egal wie es ausgeht.“ Diese Hoffnung hat es Vaclav Havel ermöglicht, auch große persönliche Risiken beim Kampf gegen das kommunistische Regime in der Tschechoslowakei einzugehen und sich für eine bessere Zukunft der Menschen in seinem Land einzusetzen. Diese Hoffnung hat ihm Kraft dafür gegeben.

Auch die Hoffnung aus unserem Glauben heraus kann uns Kraft geben. Vielleicht würden wir es in Abwandlung des Zitats von Havel so formulieren: „Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass Gott bei uns ist und uns beisteht, egal wie es ausgeht.“

Und weil uns diese Hoffnung Kraft gibt, darum können wir uns dafür einsetzen, dass sich Situationen zum Positiven verändern. Denn anders als die Israeliten in der Erzählung vom Schilfmeer erleben wir heute die Hilfe Gottes meist nicht durch ein Naturwunder, sondern eher durch andere Menschen. Durch die Kraft Gottes können Menschen scheinbar hoffnungslose Situationen verändern. Und das erleben wir immer wieder – auch in der aktuellen Pandemiesituation. Und von diesen Erfahrungen können unsere Hoffnungsgeschichten handeln, die wir weitererzählen und die anderen Menschen wieder Kraft geben können.

Eine Hoffnungsgeschichte, die durch alle Medien ging und viel Aufmerksamkeit geweckt hat, handelt von Özlem Türeci und Ugur Sahin, dem Wissenschaftlerehepaar, die mit ihrer Firma Biontech als erste einen Impfstoff gegen das Corona-Virus entwickelt hatten und so aktuell einen wichtigen Beitrag zur Rettung vieler Menschenleben geleistet haben. Aber es gibt auch weniger spektakuläre, aber darum nicht weniger wichtige Geschehnisse, die Grundlage für Hoffnungsgeschichten sein können. Viele handeln von der wichtigen Leistung der Pflegerinnen und Pfleger in unseren Krankenhäusern und Senioreneinrichtungen und der Ärztinnen und Ärzte, die im letzten Jahr Herausragendes geleistet und vielen Menschen angesichts der Bedrohung durch eine Covid-19 Erkrankung weitergeholfen und neue Perspektiven geschenkt haben.

Ich denke dabei zum Beispiel an einen jungen Mann aus Ansbach, der schwer an Covid 19 erkrankte und in der Rangauklinik behandelt und gepflegt wurde. Nach wochenlanger Therapie kämpfte er sich mühsam zurück ins Leben und war den Ärztinnen und Ärzten, den Pflegerinnen und Pflegern und den Physiotherapeutinnen und –therapeuten sehr dankbar für die professionelle und einfühlsame Begleitung auf diesem schweren Weg. Schließlich konnte er wieder nach Hause entlassen werden. Ja, das ist wirklich eine Hoffnungsgeschichte! Keine nach dem Motto „Alles wird gut“, sondern eine, die deutlich macht, dass es sich lohnen kann, seine Kraft und seine Energie für andere Menschen in schwierigen Situationen einzusetzen. Lassen Sie uns untereinander mehr solche Geschichten erzählen – gerade an Ostern!

Ich wünsche Ihnen für dieses Osterfest und die kommende Zeit diese feste Hoffnung, von der die beiden biblischen Geschichten – der Durchzug durch das Schilfmeer und die Auferstehung Jesu – erzählen. Und ich wünsche Ihnen, dass Ihnen diese Hoffnung Kraft gibt, auch in schwierigen Situationen das Vertrauen auf Gott zu bewahren.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus.

Amen.

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