Predigt vom Drittletzten Sonntag im Kirchenjahr, 8. November 2020

Predigt zu 1.Thessalonicher 5, 1-11; Drittletzter Sonntag im Kirchenjahr, 8. November 2020, 9.30 Uhr; St. Lauentius, Neuendettelsau, Pfarrerin i.R. Karin Lefèvre

Gnade sei mit euch und Friede. Amen

Liebe Gemeinde,

unser heutiger Bibelabschnitt stammt aus dem ältesten Schriftstück des Neuen Testaments. Lange ehe das erste Evangelium aufgeschrieben wurde, hat Paulus seine Briefe an die christlichen Gemeinden geschrieben, um ihnen Hilfe und Orientierung zu geben. Der allererste Brief des Paulus stammt wahrscheinlich aus dem Jahr 50 nach Christus und ist an die Gemeinde von Thessalonich gerichtet. Dieser Brief beginnt mit den Worten, mit denen ich Sie auch gerade gegrüßt habe: Gnade sei mit euch und Friede!

Gnade und Friede von Gott – das ist der feste Boden, auf dem wir stehen. Gnade und Friede von Gott ist das, was wir brauchen, wenn es in unserem Leben stürmisch und gefährlich wird.

Als Paulus seine Briefe schrieb, waren die Römer noch immer unglaublich mächtig. Es waren die römischen Kaiser, die beanspruchten, Gnade und Frieden zu bringen. Sie forderten im Namen dieses Zieles die völlige Unterwerfung unter ihre Herrschaft. Das Wort des Kaisers wurde Evangelium genannt. Wer sich dem verweigerte oder ein anderes Evangelium verkündigte, wurde mit aller Gewalt niedergeknüppelt, denn er oder sie stand dann ja dem römischen Frieden als Konkurrenz und damit feindlich gegenüber.

Wie sollte sich in einer so gestalteten Welt die Botschaft Jesu ausbreiten können? Dieser Konflikt konnte doch nur in einer Katastrophe enden. Und nur Gott konnte diese Katastrophe zu einem guten Ende führen, indem er sein Reich des wahren Friedens nach einem katastrophalen Untergang aufrichten würde. Anders konnte man sich das damals gar nicht vorstellen. Auch Paulus nicht. Er rechnete damit, noch zu seinen Lebzeiten das Ende der bekannten Weltzeit und den Beginn der neuen Welt Gottes zu erleben. Und so schreibt er am Ende seines Briefes an die Thessalonicher:

1Nun zu der Frage nach Zeiten und Fristen, egal ob nach weltlichem Datum oder in geistlichen Fristen und Abläufen gerechnet. Dazu brauche ich euch, Schwestern und Brüder, eigentlich nicht zu schreiben. 2 Denn ihr wisst selbst ganz genau: Der Tag des Herrn kommt unerwartet wie ein Dieb in der Nacht. 3 Gerade sagen die Leute noch: Wir leben in Frieden und Sicherheit! Da wird das Verderben ganz plötzlich über sie hereinbrechen – so wie bei einer schwangeren Frau plötzlich die Wehen einsetzen. Dann gibt es kein Entkommen.4 Brüder und Schwestern! Ihr lebt nicht im Dunkel. Deshalb wird der Tag des Herrn euch nicht überraschen wie ein Dieb. 5 Denn ihr seid alle Kinder des Lichts und Kinder des Tages. Wir gehören nicht zum Bereich der Nacht oder der Dunkelheit. 6 Wir wollen also nicht schlafen wie die anderen. Wir wollen vielmehr wach und nüchtern sein! … gewappnet mit Glauben und Liebe als Brustpanzer, und der Hoffnung auf Rettung als Helm. 9 Denn Gott hat uns nicht dazu erwählt, dass wir seinem Strafgericht verfallen, sondern dazu, dass wir gerettet werden durch unseren Herrn Jesus Christus. 10 Der ist für uns gestorben, damit wir zusammen mit ihm leben – ganz gleich, ob wir am letzten Tag noch am Leben sind oder schon vorher entschlafen. 11 Deshalb macht euch gegenseitig Mut und baut einander auf, wie ihr es ja schon tut.

Liebe Gemeinde,

wer von uns hat in dem vergangenen Jahr 2019 damit gerechnet, dass uns dieses Jahr 2020 eine weltweite Pandemie bringt? Wer von uns hat sich vorstellen können, dass Tausende auf die Straße gehen, weil sie die Gefahr eines potentiell tödlichen Virus leugnen und stattdessen davor warnen, dass die geplanten Impfungen nur ein Vorwand seien, um den Bürgerinnen und Bürgern heimlich einen Mikrochip einzupflanzen, der der totalen staatlichen Überwachung dienen soll?

Ich habe nicht im Traum daran gedacht! Wohl keiner von uns hier! Ja, das Virus, es kam ganz unerwartet, obwohl Wissenschaftler schon seit langem vor der Wahrscheinlichkeit einer solchen Pandemie gewarnt haben. Wenn wir ehrlich zurückblicken in die Geschichte, dann müssen wir doch ganz nüchtern feststellen: Wir leben schon immer auf dünnem Eis: Kriege, Katastrophen und Krankheiten, also Schicksalsschläge, sie gehören doch in jeder Generation zum Leben!

Und immer gibt es Menschen, die Gefahren leugnen und solche, die Gefahren hochspielen und dabei versuchen, Kapital daraus zu schlagen. So war es zur Zeit des Paulus und so ist es bis in die heutige Zeit geblieben. Oder wie Paulus es in seinem Brief an die Thessalonicher ausdrückt: 3 Gerade sagen die Leute noch: Wir leben in Frieden und Sicherheit! Da wird das Verderben ganz plötzlich über sie hereinbrechen.

Schlimm ist es aber, wenn Menschen dabei stehen bleiben, wenn sie stecken bleiben in ihrer Angst oder in ihrer Leugnung der wahren Situation. Beides bekommen wir in voller Ausprägung gerade mit. Da bekommt das, was Paulus schreibt, eine erschreckende Aktualität: Geht nicht unter im Dunkel der Angst. Ihr seid doch Kinder des Lichts! Ihr seid doch Kinder Gottes! Gott hat euch schon durch Jesus aus dem Gericht gerettet. Ihr seid zum Heil bestimmt! Gnade und Frieden von Gott sind euch verheißen!

Während Paulus das schreibt, hört er schon den Widerspruch, den manch ehrliche Schwester, manch ehrlicher Bruder im Glauben anmeldet: Aber es ist doch gerade gefährlich! Ich habe doch Angst. Ich bin doch gerade einsam und allein. Ich weiß nicht, ob und wie mich mein Glaube da durchtragen soll.

Gerade weil ich nüchtern und wach die Nachrichten verfolge, könnte ich manchmal schier durchdrehen, so hilflos fühle ich mich in einer unüberschaubar und verrückt gewordenen Welt! Kann Gott nicht ein bisschen deutlicher zeigen, dass er da ist und auf mich und meine Lieben aufpasst! Wo bekommen wir denn in diesen verwirrenden Tagen Gottvertrauen her? Denn darum geht es doch, das ist es doch, was uns als gläubige Menschen ausmacht: Vertrauen darauf, dass wenn das dünne Eis unter uns bricht, jemand da ist, der es gut mit uns meint und uns auffängt!

Paulus nimmt all diese Fragen und Ängste auf. Deshalb schreibt er ja: Ihr müsst wach und nüchtern bleiben. Und fügt etwas Ungewöhnliches hinzu: Ihr braucht die richtigen Waffen! Jawohl, Paulus schreibt von Waffen. In einem geistlichen Krieg braucht ihr geistliche Waffen, schreibt er. Ihr braucht eine gute Abwehr. Glaube und Liebe sind so eine gute Abwehrwaffe. Und ihr müsst euren Kopf schützen. Dieser Schutz ist die Hoffnung auf Rettung.

Wobei er mit Rettung nicht nur die Rettung vor der gegenwärtigen offensichtlichen Gefahr meint, sondern ganz grundsätzlich redet. Paulus schreibt.

Unter euch muss es Menschen geben, die die Liebe und die Hoffnung verkörpern. Die müsst ihr stärken. Und von denen müsst ihr auch Ermutigung annehmen. Das ist ein gegenseitiges Geben und Nehmen. Seid füreinander da! Macht euch gegenseitig Mut; baut einander auf.

Übersetzt für uns hier in Neuendettelsau im Jahr 2020 kann das heißen: Überlegt, welche Menschen in eurer Nähe zum Beispiel einen Anruf brauchen können, indem ihr einfach mal Hallo sagt und fragt, wie es geht und ob ihr was tun könnt. Oder indem ihr jemanden, der viel allein ist, einfach mal zu einem Spaziergang einladet – natürlich mit dem gebührenden Abstand, der gerade geboten ist. Die Schüchternen unter euch können auch eine aufmunternde Grußkarte in einen Briefkasten werfen – ruhig mit der eigenen Telefonnummer hinter dem Namen als Angebot: Sie dürfen mich gerne anrufen, wenn Ihnen danach ist.

Das klingt jetzt vielleicht nach nichts Besonderem – aber es sind die kleinen Dinge, die - regelmäßig ausgeübt - den Unterschied machen können. Dazu kommt: Glaube, Liebe und Hoffnung sind deshalb so gute Abwehrwaffen, weil sie nicht nur andere stärken, sondern auch diejenigen, die sie verbreiten. Was sich zur Zeit des Paulus bewährt hat, wird auch heute unter uns noch seine Kraft entfalten. Amen

Gnade sei mit euch und Friede!

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