Predigt vom 4. Advent, 20. Dezember 2020

Predigt zu 1. Mose 18, 1-15; 4. Advent, 20. Dezember 2020, 9.30 Uhr; St. Laurentius, Neuendettelsau; Pfarrer Heinritz

Liebe Gemeinde, liebe Mitfeiernde in unseren Einrichtungen,

Weihnachten ist das Fest der Überraschungen. Sicher fällt Ihnen so manche Überraschung ein, die Sie an Weihnachten erlebt haben oder die Sie auch anderen an Weihnachten bereitet haben. Als Kind ist es ja immer eine Überraschung, was an Geschenken unter dem Christbaum liegen wird. Werden die Wünsche erfüllt? Werden die Erwartungen gestillt? Manche wunderbare Überraschung kann man auch als Erwachsener erleben. Der unerwartete und überraschende Brief eines alten Freundes, von dem man schon lange nichts mehr gehört hat. Die überraschend schöne Begegnung mit einem Menschen. Oder gar – wie es mir ein Paar vor einiger Zeit erzählt hat – der überraschende Heiratsantrag, obwohl man schon so lange zusammen ist.

Weihnachten ist das Fest der Überraschungen. Vielleicht denkt sich auch der eine oder die andere: Heuer ist es das Fest der bösen Überraschungen - Corona-Weihnachten. Keine großen Familienfeiern. Keine Besuche in Pflegeheimen und Krankenhäusern. Kein Singen der schönen Weihnachtslieder in den Gottesdiensten. Keine Gottesdienstbesucherinnen und -besucher hier in der St. Laurentiuskirche. Es ist schon eigenartig, hier in der leeren Kirche einen Gottesdienst zu feiern, selbst wenn man weiß, dass viele nicht weit von hier an Radio und Bildschirmen mitfeiern. Weihnachten – heuer also ein Fest der bösen Überraschungen? Vielleicht lässt sich ja in diesen außergewöhnlichen Tagen auch außergewöhnlich überraschend Schönes entdecken? Gott will im Dunkel wohnen und hat es doch erhellt, hat Jochen Klepper gedichtet.

Weihnachten ist das Fest der Überraschungen. Natürlich. Nichts weniger als eine göttliche Überraschung ist es, dass der ewige Gott in einem kleinen hilflosen Kind in der Krippe zur Welt kommt. Und nichts weniger als eine göttliche Überraschung ist es, dass dieses Kind als Erwachsener, als ein einfacher Zimmermann aus Galiläa, von den Mächtigen des römischen Reiches gar nicht wahrgenommen, mit seiner Botschaft von der Barmherzigkeit Gottes die Welt wie kein anderer verändern wird, sodass wir immer noch, auch nach zwei Jahrtausenden, seinen Geburtstag feiern.

Weihnachten ist das Fest der Überraschungen. Um überraschende Worte und Wendungen geht es auch in unserem heutigen Bibelwort aus dem Alten Testament. Im 18. Kapitel des 1. Buches Mose lesen wir von Abraham und Sara:

Der HERR erschien Abraham im Hain Mamre, während er an der Tür seines Zeltes saß, als der Tag am heißesten war. 2 Und als er seine Augen aufhob und sah, siehe, da standen drei Männer vor ihm. Und als er sie sah, lief er ihnen entgegen von der Tür seines Zeltes und neigte sich zur Erde 3 und sprach: Herr, hab ich Gnade gefunden vor deinen Augen, so geh nicht an deinem Knecht vorüber. 4 Man soll euch ein wenig Wasser bringen, eure Füße zu waschen, und lasst euch nieder unter dem Baum. 5 Und ich will euch einen Bissen Brot bringen, dass ihr euer Herz labt; danach mögt ihr weiterziehen. Denn darum seid ihr bei eurem Knecht vorübergekommen. Sie sprachen: Tu, wie du gesagt hast. 6 Abraham eilte in das Zelt zu Sara und sprach: Eile und menge drei Maß feines Mehl, knete und backe Brote. 7 Er aber lief zu den Rindern und holte ein zartes, gutes Kalb und gab's dem Knechte; der eilte und bereitete es zu. 8 Und er trug Butter und Milch auf und von dem Kalbe, das er zubereitet hatte, und setzte es ihnen vor und blieb stehen vor ihnen unter dem Baum, und sie aßen. 9 Da sprachen sie zu ihm: Wo ist Sara, deine Frau? Er antwortete: Drinnen im Zelt. 10 Da sprach er: Ich will wieder zu dir kommen übers Jahr; siehe, dann soll Sara, deine Frau, einen Sohn haben. Das hörte Sara hinter ihm, hinter der Tür des Zeltes. 11 Und sie waren beide, Abraham und Sara, alt und hochbetagt, sodass es Sara nicht mehr ging nach der Frauen Weise. 12 Darum lachte sie bei sich selbst und sprach: Nun, da ich alt bin, soll ich noch Liebeslust erfahren, und auch mein Herr ist alt! 13 Da sprach der HERR zu Abraham: Warum lacht Sara und spricht: Sollte ich wirklich noch gebären, nun, da ich alt bin? 14 Sollte dem HERRN etwas unmöglich sein? Um diese Zeit will ich wieder zu dir kommen übers Jahr; dann soll Sara einen Sohn haben. 15 Da leugnete Sara und sprach: Ich habe nicht gelacht –, denn sie fürchtete sich. Aber er sprach: Es ist nicht so, du hast gelacht.

Liebe Gemeinde,

stellen wir uns diese Paar Abraham und Sara einmal vor. Sie sind alt geworden und schon lange zusammen. Durch dick und dünn sind sie miteinander gegangen. Der Aufbruch aus der Heimat ins Ungewisse nur auf das Wort Gottes hin: Ich will dich zu einem großen Volk machen. Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein. Jahre, vielleicht Jahrzehnte ist das her. Durch manche Wirrungen und Irrungen sind sie nun auf ihrem Stück Land angelangt, dem Hain von Mamre. Vieles ist bei Ihnen schon lange Routine. Die Aufgaben sind verteilt. Sie hat drinnen im Zelt ihr Reich. Er ist draußen bei den Herden und Knechten. Mittags in der Hitze macht er seine Pause im Schatten des Zeltes. So eine Routine tut gut. Da ist vieles geklärt. Über vieles muss nicht lange diskutiert und überlegt werden – wie derzeit in unseren Tagen. Es geht seinen gewohnten Gang.

Alt sind sie geworden, die beiden, und – sehr schmerzlich – kinderlos geblieben. Das mit dem von Gott versprochenen großen Volk sollte nun doch nicht so werden, wie es verheißen war. Mit einem Trick sind sie trotzdem zu einem Erben gekommen. Abraham hat mit der jungen Magd Saras geschlafen und mit ihr einen Sohn gezeugt. Leihmutterschaft gewissermaßen. Auch damit haben sie sich nun abgefunden und arrangiert.

Ihrem Gott sind die beiden immer treu geblieben, auch wenn sie nicht mehr alle Verheißungen glauben können. Dass Gott alle Hoffnungen und Erwartungen erfüllt, ist für sie nicht die Voraussetzung ihres Glaubens. Im Gegenteil. Ihre Verbundenheit mit ihrem Gott bleibt auch dann bestehen, wenn nicht alles so läuft, wie sie es erwartet und gerne gehabt hätten. So haben sie es sich also eingerichtet im Leben.

Und dann kommen diese drei Männer in der Mittagshitze des Tages. Drei Männer? Oder sind es drei Engel? Oder ist es der Herr selbst? Das bleibt die ganze Zeit in der Schwebe. Abraham läuft ihnen entgegen. Er lädt sie ein. Gastfreundschaft ist für ihn selbstverständlich. Man weiß ja nie, ob man nicht doch Engel beherbergt. Oder ob man im Fremden dem Herrn begegnet. Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt … Lieber doch einen Platz freihalten für einen unerwarteten Gast.

Abraham wäscht die von der Wanderung staubigen Füße seiner Gäste. Er lässt Kalbsbraten bereiten und Sara backt frisches Brot. Ein Festessen im Schatten des Baumes gibt es. Dann das Gespräch beim Essen und die Worte des Gastes: Ich will wiederkommen in einem Jahr und dann wird Sara einen Sohn haben. – Buff. Da ist sie, die Überraschung: diese schier unglaublichen Worte. In ihrem Alter, nach der Menopause soll Sara noch einen Sohn bekommen! Als Sara das hört, lacht sie still in sich hinein. Was ist das für ein Lachen?

Vielleicht ist es ein spöttisches Lachen des Unglaubens, wie man über absurde Äußerungen manchmal lacht. „Alles was recht ist, aber in meinem Alter, da kriegt man keine Kinder mehr.“

Vielleicht lacht sie aber auch freudig über diese Vorstellung, in ihrem Alter noch einmal Liebeslust und Leidenschaft zu erfahren. Eine lang verschollene Vorstellung, nach so vielen Jahren, nach so viel Routine und Gewohnheit noch einmal leidenschaftlich mit Abraham zu schlafen. Manchmal lacht man ja innerlich, wenn schöne, glückliche Erinnerungen wachgerufen werden und man sich vorstellt, wie es wäre, wenn überraschend das Normale, Gewohnte, Routinierte durchbrochen wird?

Der Gast draußen am Tisch nimmt das stille Lachen Saras wahr. Er blickt ihr in die Seele und Sara fühlt sich ertappt. Sie leugnet: „Ich habe gar nicht gelacht.“ Sie fürchtet sich, weil da einer in ihr Innerstes sieht, ob da nun spöttischer Unglaube oder sexuelle Leidenschaft war. Dieser besondere Gast dort vor dem Zelt, der Herr, er blickt in die Seele mit ihren Abgründen und Leidenschaften, mit ihren Sorgen, Enttäuschungen, Erwartungen und Hoffnungen und – auch das erstaunlich und überraschend – er verurteilt nicht. Er stellt nur fest: Doch, du hast gelacht. Da ist kein Wort der Verurteilung, vielleicht, weil er selber weiß, wie schwer es sein kann, göttlichen Verheißungen und Zusagen zu glauben und zu vertrauen. Sie weisen oft so weit über uns hinaus: Heil, Rettung, Erlösung, Frieden in einer heillosen und unfriedlichen Welt. Wie schwer kann es sein, diesen Verheißungen zu glauben. Doch sollte dem Herrn etwas unmöglich sein?

Wir wissen, wie die Geschichte ausgeht. Die alte Sara wird überraschend schwanger. Sie bringt einen Sohn zur Welt und nennt ihn Isaak. Das heißt übersetzt so viel wie: Gott hat mich zum Lachen gebracht. Wie schön, wenn Gott einen zum Lachen bringt.

Weihnachten ist das Fest der Überraschungen. Vielleicht werden wir heuer auch zum Lachen gebracht, anders, als wir denken. Vielleicht werden wir heuer sogar besonders überrascht, weil unsere liebgewonnenen Gewohnheiten und Rituale an diesem Weihnachtsfest nicht so sein können wie immer. Es könnte doch sein, dass wir nicht nur merken, was fehlt, sondern dass wir entdecken, wie wertvoll oder auch wie unwichtig manches so selbstverständlich Gewordenes ist. Es könnte doch sein, dass wir freudig überrascht sind über mehr Stille und weniger Feiertagsstress. Es könnte doch sein, dass wir ganz neue Erfahrungen und Begegnungen in dieser außergewöhnlichen Zeit machen. Es könnte doch sein, dass wir in diesen Tagen die Botschaft der Engel ganz neu hören: Fürchtet euch nicht! Habt keine Angst. Der Herr ist nah. Lassen wir uns doch überraschen!

Ich wünsche Ihnen überraschend schöne Erfahrungen anden Weihnachtstagen. Ich wünsche Ihnen, dass Sie an Weihnachten etwas zumLachen haben. Amen. 

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