Predigt vom 2. Sonntag nach Trinitatis, 13. Juni 2021

Predigt zu 1. Korinther 14, 1-12 (23-25); 2.Sonntag nach Trinitatis, 6. Juni 2021, 9.30 Uhr; St. Laurentius, Neuendettelsau; Oberin Susanne Munzert

10Niemand weiß, wie viele Sprachen es auf der Welt gibt. Und kein Volk ist ohne Sprache.

11Wenn ich eine Sprache nicht verstehe, werde ich für den ein Fremder sein, der sie spricht. Und wer sie spricht, ist umgekehrt ein Fremder für mich.

Paulus hat das an die Gemeinde in Korinth geschrieben. Recht hat er! Die Welt ist ohne Sprache nicht vorstellbar. Selbst die Tiere kommunizieren miteinander. Im Moment ist bei uns im Garten von früh bis spät ein Zwitschern und Pfeifen - da sucht ein Vogel eine Partnerin, da wird das Revier abgesteckt gegenüber dem benachbarten Artgenossen …

Uns Menschen hat Gott die einmalige Fähigkeit geschenkt, mit Sprache die ganze Welt in Worte packen zu können. Wir können komplizierteste Zusammenhänge aus Wissenschaft und Technik beschreiben. Wir können in Worte fassen, was gerade in uns vorgeht und andere an unserem Gefühlsleben teilhaben lassen. Wir können uns aber manchmal auch mit Worten brutaler treffen als mit mancher Waffe.

Mit unserer Sprache beschreiben wir, wie wir die Welt wahrnehmen. Mit unserer Sprache lassen wir die Welt für uns und andere wirklich werden.

Als der Apostel Paulus lebte, war die Welt bei weitem nicht so übersichtlich und eindimensional, wie wir uns das heute gerne vorstellen. Paulus war römischer Bürger.

Er war damit Mitglied eines großen Weltreiches, das auch nach heutigen Maßstäben global war. In seinen Grenzen lebten Menschen unterschiedlichster Nationalitäten und Kulturen. Es war eine der großen Leistungen der römischen Machthaber, dieses bunte Völkergemisch mit seinen vielen verschiedenen Sprachen in einem funktionierenden Staat zusammenzuhalten.

Auch das Christentum war von Anfang an bunt. In den Gemeinden trafen sich Menschen aus verschiedenen Kulturen und Religionen: Juden und Heidinnen, Griechen, Römerinnen und Hebräer. Sie sprachen im wörtlichen Sinn sehr verschiedene Sprachen.

Aber auch in Glaubensdingen kamen sie aus verschiedenen „Sprachkulturen“, nämlich des jüdischen monotheistischen JHWH und der griechischen, der römischen oder der babylonischen Götterwelt.

Die christlichen Gemeinden standen vor der Herausforderung, eine gemeinsame Sprache zu finden. Auch da wieder im ganz wörtlichen Sinn: Lateinisch, Griechisch, Hebräisch? Aber auch und vor allem im umfassenden Sinn: Wie finden wir eine Sprache, die der Botschaft ihres Meisters Jesus entspricht? Welchen Kriterien, welcher „Grammatik“ folgt sie?

Hören wir dazu, was Paulus in seinem ersten Brief, Kapitel 14, Verse 1-3 und 6-12 an die Gemeinde in Korinth schreibt:

1 Bleibt unbeirrt auf dem Weg der Liebe! Strebt nach den Gaben, die der Heilige Geist schenkt –vor allem aber danach, als Prophet zu reden. 2 Wer in unbekannten Sprachen redet, spricht nicht zu den Menschen, sondern zu Gott. Denn niemand versteht ihn. Was er unter dem Einfluss des Geistes sagt, bleibt vielmehr ein Geheimnis. 3 Wer dagegen als Prophet redet, spricht zu den Menschen. Er baut die Gemeinde auf, er ermutigt die Menschen und tröstet sie. 4 Wer in unbekannten Sprachen redet, baut damit nur sich selbst auf. Wer aber als Prophet redet, baut die Gemeinde auf. 5 Ich wünschte mir, dass ihr alle in unbekannten Sprachen reden könntet. Noch lieber wäre es mir, wenn ihr als Propheten reden könntet. Wer als Prophet redet, ist bedeutender als derjenige, der in unbekannten Sprachen redet –es sei denn, er deutet seine Rede auch. Das hilft dann mit, die Gemeinde aufzubauen. 6 Was wäre, Brüder und Schwestern, wenn ich zu euch komme und in unbekannten Sprachen rede. Was habt ihr davon, wenn ich euch nichts Verständliches vermittle? Das kann eine Vision sein oder eine Erkenntnis, eine prophetische Botschaft oder eine Lehre. 7 So ist es ja auch bei den Musikinstrumenten, zum Beispiel bei einer Flöte oder Leier: Nur wenn sich die Töne unterscheiden, kann man die Melodie der Flöte oder Leier erkennen. 8 Oder wenn die Trompete kein klares Signal gibt, wer rüstet sich dann zum Kampf? 9 Genauso wirkt es, wenn ihr in unbekannten Sprachen redet. Wenn ihr keine verständlichen Worte gebraucht, wie soll man das Gesagte verstehen können? Ihr werdet in den Wind reden! 10 Niemand weiß, wie viele Sprachen es auf der Welt gibt. Und kein Volk ist ohne Sprache. 11 Wenn ich eine Sprache nicht verstehe, werde ich für den ein Fremder sein, der sie spricht. Und wer sie spricht, ist umgekehrt ein Fremder für mich.12 Das gilt auch für euch. Ihr strebt nach den Gaben des Heiligen Geistes. Dann strebt nach Gaben, die die Gemeinde aufbauen. Davon könnt ihr nicht genug haben. (…) 23 Da kommt die Gemeinde zusammen, und alle reden in unbekannten Sprachen. Wenn jetzt Unkundige oder Ungläubige hereinkommen, werden sie euch nicht für verrückt halten? 24 Oder alle in der Gemeinde reden als Propheten. Wenn jetzt ein Ungläubiger oder Unkundiger dazukommt, fühlt er sich von allen zur Rechenschaft gezogen. Er weiß sich von allen geprüft. 25 Was in seinem Herzen verborgen ist, kommt ans Licht. Er wird sich niederwerfen, Gott anbeten und bekennen: »Gott ist wirklich mitten unter euch!«

Der Liebe geht es um die anderen. Die Liebe will den anderen/die andere verstehen – und verstanden werden. Wenn sich zwei Menschen lieben, haben sie einen Zugang zueinander gefunden. Sie haben eine „gemeinsame Sprache“ gefunden.

Deshalb ist es wichtig, dass wir so sprechen, dass die anderen uns verstehen. „Redet wie ein Prophet/eine Prophetin“, schreibt Paulus. Sprecht so, dass die Menschen euch verstehen! Klar und deutlich. Wie eine Melodie, die die anderen mitsingen können und wollen.“

7So ist es ja auch bei den Musikinstrumenten, zum Beispiel bei einer Flöte oder Leier: Nur wenn sich die Töne unterscheiden, kann man die Melodie der Flöte oder Leier erkennen. 8Oder wenn die Trompete kein klares Signal gibt, wer rüstet sich dann zum Kampf?“

Vor kurzem habe ich von einer Begebenheit gelesen, die eine Frau aus Berlin erlebt hat. Sie erzählt:

„Nachmittags in der S-Bahn, meine Tochter singt lauthals Bruder Jakob und fordert eine andere Sprachvariante. Ich kann nur mit Französisch dienen. Da beugt sich eine Frau zu uns rüber und singt die englische Version. ‚Jetzt auf Türkisch!‘, ruft ein Mann. Und siehe da, die Frau kennt auch die türkische Version! ‚Toll – ick bin zwar Türke, aba dat hab ick noch nie jehört!‘, staunt der Mann, worauf noch einige Strophen in anderen Sprachen durch den Waggon schallen. Berlin – du bist wunderbar!“[1]

Normalerweise vermeiden es die Menschen in der S-Bahn tunlichst, sich auch nur anzusehen. Nun verbindet sie eine einfache Melodie, in verschiedenen Sprachen gesungen.

3Wer …. als Prophet redet, spricht zu den Menschen. Er baut die Gemeinde auf …“

(Die c-Flöte spielt die Melodie von „Bruder Jakob“: fröhlich, beschwingt.)

Ich merke schon, Sie haben Lust, mitzusingen! Machen wir das doch! [Die Gemeinde singt begleitet von der Flöte „Bruder Jakob".]

So wie die Flöte: Der frohen Botschaft eine Melodie geben: „Gott liebt dich!“. Beschwingt, aufbauend, einladend. Damit die Menschen sie mitsingen wollen. Damit sie entdecken, wie gut es tut, gemeinsam in Gottes Melodie einzustimmen.

Der Sehnsucht der Menschen nach Lebensglück und erfülltem Leben eine Sprache geben. Andere dazu einzuladen, dazuzukommen. Miteinander leben und feiern, dass Gott uns das Leben geschenkt hat.

Macht Eure Gemeinde zu einem Ort der Lebensfülle, wo genau diese Sprache gesprochen und diese Melodie gesungen wird.

3Wer … als Prophet redet, spricht zu den Menschen. … er ermutigt die Menschen …“

(Die Posaune spielt die Melodie: zuversichtlich, zusprechend.)

Diesmal klang die Melodie etwas anders. Die Posaune gibt ihr Elan: „Auf geht´s!“ –

Was gibt mir den Mut und die Zuversicht, am Morgen aufzustehen und den Tag anzugehen?

Wir brauchen ermutigende und stärkende Worte für unseren Alltag:

„Du gehst nicht allein. Gott geht deine Wege mit dir. Er führt dich auf grüne Auen. Und auch in den finstern Tälern bist du nicht allein. Fürchte dich nicht! Es wartet eine Zukunft auf uns. Geht und erzählt den Menschen davon! Gebt Signale zum Aufbruch! Macht Eure Gemeinde zu einem Kraft-Ort, wo genau diese Sprache gesprochen und diese Melodie gesungen wird.

3Wer … als Prophet redet, spricht zu den Menschen. Er … tröstet sie.

(Die Bass-Flöte spielt die Melodie: ruhig, tröstend.)

Die Bass-Flöte spielt dunkle, tiefe Töne. Ich spüre sie tief in meinem Körper: beruhigend, wohltuend, tröstend.

Tröstet, tröstet mein Volk[2], fordert Gott durch den Propheten Jesaja. Nach Worten des Trostes sehnen wir uns: „Ich bin da, halte deine Hand …“

Manchmal stehen wir aber auch sprachlos vor dem Elend und Unheil, das wir im eigenen Leben erleben oder bei anderen miterleben. Manchmal finden sich einfach keine Worte. Dann können Gesten oder Berührungen sprechen. Dann kann Musik unser dunkles Herz füllen.

Werdet nicht müde, den Menschen den Trost Gottes weiterzugeben. Mit Jesus hat Gottes Heil ein Gesicht bekommen: „Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium gepredigt.[3]

Gebt der Liebe Gottes in der Welt eine Sprache: „Ihr seid geborgen in Gottes Hand!“

Macht Eure Gemeinde zu einem Ort, wo die Sprache des Trostes gesprochen und die Melodie des Heils gesungen wird. Gemeinsam gespielt und gesungen ergibt dies alles einen „Dreiklang“: Gemeinschaft leben – Mut machen – trösten.

Darunter als Grundton, als „Basso continuo“: 1Bleibt unbeirrt auf dem Weg der Liebe!“

Denn die Liebe Gottes hört niemals auf.[4] Das ist die Sprache, auf die die Welt wartet. Prophetische Worte, die wir Menschen brauchen für unser Leben. Bleiben wir unbeirrt auf dem Weg der Liebe.

Stimmen wir mit ein in das große Konzert der Liebe Gottes.

Amen.



[1] Zeit-Kalender „Was mein Leben reicher macht“ 2021, 7. Juni 21 Nikola Seiler, Berlin

[2] Jes 40,1

[3] Mt11,5

[4]
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