Predigt vom ersten Weihnachtsfeiertag, 25. Dezember 2021

Predigt zu 1. Johannes 3, 1-2; 1. Weihnachtsfeiertag, 25. Dezember 2021, 10.00 Uhr; St. Laurentius, Neuendettelsau; Pfarrer Dr. Peter Munzert

Liebe Gemeinde,

zur Einstimmung auf unseren biblischen Predigttext lese ich:

Julias Geschichte

von Alexander Seidel[1]

„Julia lebt seit ihrer Kindheit mit ihrer Mutter auf einem kleinen Pferdehof. Einen Vater hat sie nie gehabt. Wenn sie nach ihm fragte, blieb ihre Mutter immer recht einsilbig. Irgendwie war ihr da nichts zu entlocken, was da gewesen war. Inzwischen ist Julia Mitte zwanzig und macht nach dem Studium die ersten erfolgreichen Schritte ins Berufsleben. In der Agentur, bei der sie arbeitet, hat sie sich inzwischen auch mit einem netten jungen Mann angefreundet.

So schön das alles klingt: Über der Zukunft von Julia und ihrer Mutter hängen düstere Wolken: Der Pferdehof, an dem Mutter wie Tochter hängen, ist hoch verschuldet. Nur mit Mühe können sie die Futterkosten bezahlen – aber mit ihren Kreditraten sind sie im Verzug. Alle Versuche, mit der Bank zu verhandeln, sind gescheitert. Zum Jahresende soll das Gestüt zwangsversteigert werden. Eine Katastrophe….

Julia lernt in der Firma, in der sie arbeitet, einen interessanten Kunden kennen: Ein sehr wohlhabender adliger Herr, der lange im Ausland tätig war, und nun in seine Heimatregion zurückgekehrt ist. Julias Kollegen fällt die Ähnlichkeit zwischen ihr und diesem Herrn zuerst auf: Die Gesichtszüge, vor allem das Kinn. Die Art, sich zu bewegen. Ja, und da ist so ein eigenartiges Muttermal, das Julia und dieser Adlige an genau der gleichen Stelle ihrer Schläfe haben.

Sie wissen, worauf es hinausläuft: Dieser Mann ist tatsächlich Julias Vater, und nach einigem Hin und Her klärt sich vieles – auch so manches Missverständnis – auf, und Julias Vater rettet als Investor den Pferdehof vor dem Untergang.“

Diese Geschichte, liebe Schwestern und Brüdern, erzählt auf bewegende Art und Weise von der Entdeckung des unbekannten Vaters, der im entscheidenden Moment in das Leben der Tochter tritt und sie und ihre Existenz sichert.

Julia und ihr Vater ähneln sich schon rein äußerlich, von der Mimik, der Art sich zu bewegen, und sie haben das gleiche Muttermal an der Schläfe. Julia erkennt, wer ihr Vater ist. Dieser bekennt sich zu Julia, seiner Tochter, und übernimmt Verantwortung. Die Familie findet zusammen und möchte sich eine gemeinsame Zukunft aufbauen.

Diese Geschichte erzählt auf moderne Art und Weise, was es heißt, Gottes Kinder zu sein. Ich lese dazu unseren heutigen Predigttext. Es sind die Verse 1-2 aus dem 1. Johannesbrief, Kapitel 3.

1 Seht doch, wie sehr uns der Vater geliebt hat! Seine Liebe ist so groß, dass er uns seine Kinder nennt – und wir sind es wirklich! Als seine Kinder sind wir Fremde für diese Welt, weil Gott für sie ein Fremder ist. 2 Meine Lieben, wir sind also schon jetzt Kinder Gottes. Aber was das bedeutet, ist noch gar nicht in vollem Umfang sichtbar. Wir wissen jedoch: Wenn Christus kommt, werden wir ihm ähnlich sein, denn wir werden ihn sehen, wie er wirklich ist.

„Herr Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege.“

Das Bild von der Kindschaft ist eingängig. Es bedeutet zunächst:

1. Wir sind Gottes Kinder – jede und jeder von uns hat eine besondere, enge Beziehung zu Gott. Das ist eine enge, familiäre Beziehung, die weit über Freundschaft hinausgeht. Familie ist etwas Unauflösbares, da steigt man nicht einfach aus.

2. Gott liebt seine Kinder und bekennt sich zu ihnen. Sei es nun, dass wir Gott Vater nennen oder auch Mutter. Wir versuchen zu beschreiben, wie Gott uns liebt, uns nahesteht, für uns eintritt – eben wie ein guter Vater und wie eine gute Mutter.

3. Alles wissen wir von Gott noch nicht. Er hat auch fremde, manchmal sogar verborgene oder dunkle Seiten. Oft können wir nicht verstehen, was Gottes Plan für diese Welt oder für uns persönlich ist. Manches erschließt sich eben erst im Lauf der Zeit. Wir können uns zwar vieles denken, wissen aber längst nicht alles über Gott. Aber es ist uns verheißen, dass Gott uns durch unser Leben hindurch begleitet, für uns sorgt und für uns eintritt – unser Leben lang.

Liebe Schwestern und Brüder,

unsere Geschichte mit Julia hat ein Happy End. Bis es aber soweit war, hat es eine lange Durststrecke mit vielen Sorgen und Ängsten gegeben. Julias Mutter konnte ihr lange nicht erzählen, wer ihr Vater war. Die gemeinsame Geschichte war nicht so einfach. Wie es halt manchmal im Leben ist. Es läuft nicht immer glatt, und es bleiben Schmerz, vielleicht auch ein schlechtes Gewissen oder Ärger über andere, die einen verletzt haben, oder auch Enttäuschung über eigene Fehlentscheidungen. All das wirkt noch lange nach. Bei Julia kommt dann alles zu einem glücklichen Ende. Die Geschichte hat in diesen Tagen auch etwas von einer Weihnachtsgeschichte.

Weihnachten ist das Fest, in dem unsere Verletzlichkeit und Schutzbedürftigkeit eine besondere Rolle spielen. Jesus ist als Baby auf Schutz, Fürsorge und Wärme angewiesen. Er ist ganz Mensch. Und wir sind es auch. Als Menschen sind wir verletzlich, benötigen Sorge und Begleitung bis ans Lebensende, und als Menschen irren wir nur zu häufig und verlaufen uns auch in manchen Fehlern und Wirrungen des Lebens.

Doch anders als in der Geschichte von Julia wissen wir von Anfang an, wer unser Vater ist. In der Taufe spricht Gott sein großes JA zu uns und bekennt sich zu uns. Wir gehören zu ihm, wir gehören zusammen. So wie wir sind. In all unserer Unterschiedenheit sind wir eine große Familie, Schwestern und Brüder in Jesus Christus.

Wir kennen uns gut, manche hier in der Kirche oder in unseren Häusern besser, andere weniger. Und auch das gehört zu einer Familie dazu: Wir können uns nicht immer aussuchen, mit wem wir eine Bankreihe teilen. Ich weiß auch nicht, wohin uns der gemeinsame Weg mit Gott im Einzelnen im Leben führt. Aber ich weiß gewiss, dass Gott diesen Weg mit uns geht. Gott wird uns nicht im Stich lassen – viel mehr, er lädt uns ein, an seinen Tisch zu kommen und gemeinsam mit ihm das Abendmahl zu feiern.

Wir hoffen und wünschen uns dies für unsere Familien und Freunde, aber auch im Größeren für unseren Ort, unser Land und all die Völker und Nationen, die auf dieser Erde leben.

Wir sind Geschwister, auch wenn wir uns oft nicht so fühlen und nicht so verhalten. Weihnachten erinnert uns daran, dass wir zusammengehören und dass das gemeinsame Bemühen um den Frieden nicht zu ersetzen ist. Egal, wo wir sind und wer wir sind.

Wie heißt es so schön – schmunzelnd: Familie kann man sich nicht aussuchen. Aber – Gott hat sich uns ausgesucht. Und er sagt JA zu uns.

Amen.

Kanzelsegen



[1] https://www.pastors-home.de/?p=3254, Zugriff vom 23.12.2021.

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