Predigt von Pfarrer i. R. Matthias Weiß am Pfingstmontag, 20. Mai 2024, Apostelgeschichte 2, 1-4, in St. Laurentius, Neuendettelsau
Liebe Gemeinde!
Mit Pfingsten ist das so eine Sache, so soll mal jemand gesagt haben, da gibt es keine Krippe, da gibt es kein Christkind, da gibt es auch keinen Osterhasen, da gibt es nur den Heiligen Geist. So ist das: Weihnachten ist ein recht anschauliches Fest, Ostern vielleicht gerade auch noch, aber Pfingsten, das ist schon fast in Vergessenheit geraten. Und was da gefeiert wird, um wen es denn da geht, der Heilige Geist, ja was ist das eigentlich, der Heilige Geist?
Was das ist, der Heilige Geist, das weiß ich auch nicht. Das weiß überhaupt niemand und das wird auch in der Bibel nicht gesagt. Wohl aber wird immer wieder erzählt, wie wir den Geist spüren können, wie er wirkt und was er tut. Darauf kommt es an. Und darüber wird in der Bibel was erzählt.
Da wird in der Apostelgeschichte 2, 1-4 erzählt:
1 Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle beieinander an einem Ort. 2 Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Sturm und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. 3 Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt und wie von Feuer, und setzten sich auf einen jeden von ihnen, 4 und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen zu reden eingab.
Gleichzeitig in mehreren Sprachen - Was war jetzt das? Was verstanden? Nein? Das war jetzt was in mehreren Sprachen, die Pfingstgeschichte. In ihr wird erzählt, dass mit einem Mal Menschen unterschiedlicher Sprache alles verstehen konnten, was Petrus und die anderen Jünger erzählten. Ein Sprachenwunder! Alle verstehen, obwohl sie unterschiedliche Sprachen sprechen. Ich kann mich gut daran erinnern, wie ich in einem Land, dessen Sprache ich nicht verstehe, eine Theateraufführung besucht habe. Ich verstand deren Sprache nicht, und doch dachte ich, ich verstehe alles. Denn irgendwie war da ein Draht da zwischen denen da vorne und mir. Ich spürte, was sie zu sagen hatten, auch wenn sie in einer mir fremden Sprache redeten.
Und umgekehrt, ich brauche nur vor dem Fernseher etwa eine Polittalkshow (was für ein Wort!) zu verfolgen - die reden alle deutsch, aber ich verstehe kein Wort. Wenn jemand nichts zu sagen hat, dann verstehe ich eben auch dann nichts, wenn so ein Mensch noch so sehr in meiner Muttersprache redet. Da ist eben kein innerer Draht da von denen zu mir, die sind innerlich weit weg von mir, und ich verstehe nichts.
An Pfingsten aber sind sich Menschen, ganz unterschiedliche, ja vielleicht sogar verfeindete Menschen, nahegekommen. Sie haben sich verstanden. Sie haben sich gegenseitig zugehört, sich gegenseitig ernst genommen. Dass da die eine in einer Sprache redete, der andere in einer anderen, das war egal. Sie haben sich verstanden. Das war das Wunder, welches der Heilige Geist damals in Jerusalem getan hat. Wie gut täte es uns und der Welt, wenn von diesem Wunder heute noch was zu spüren wäre! Alle verstehen sich! Was könnte an Konflikten und Kriegen nicht alles vermieden werden! Wie würden ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger und wir miteinander umgehen!
Dass sie sich alle verstehen konnten, kam daher, dass diese Menschen, diese ganz unterschiedlichen Menschen, auf einmal Feuer und Flamme füreinander waren. Hier hängen lauter Feuerflammen. Feuerflammen setzten sich auf die Anhänger und Anhängerinnen Jesu. Sie wurden Feuer und Flamme. Ein Feuer, das brennt und plötzlich aus einem verzagten und verängstigten Haufen eine Schar mutig Bekennender macht.
Vielleicht kommt uns das wie eine großartige Geschichte vor, die damals geschehen ist, von uns aber so nicht erlebt werden kann. Aber wer sagt das denn? Wer sagt denn, dass wir nicht von diesem Feuer erfasst werden können? Dass ich von einem wehenden Brennen erfasst werde, und dieses Feuer mich aus einem verzagten zu einem mutigen, aus einem traurigen zu einem frohen, aus einem trübsinnigen zu einem hoffnungsvollen Menschen macht? Ich Feuer und Flamme werde?
Vielleicht haben wir ja sogar in unserem bisherigen Leben schon viel mehr von diesem Feuer erlebt, als es uns bewusst ist. Da ist er, der Geist, der wie ein Feuer wirkt. Ich muss ihn nur in mein Leben hereinlassen, es zulassen, dass er bei mir was entzündet. Dass er wie ein Feuer in mir brennt und Neues bewirkt, von dem ich bisher nicht zu träumen wagte. Ihn an mich heranlassen, das heißt, mich öffnen für Neues, Unerwartetes in meinem Leben. Dass ich Überraschungen für möglich halte.
Wer hätte denn schon gedacht, dass aus einem derart verängstigten und mutlosen Haufen eine Schar von Menschen wird, die mutig und zuversichtlich auftreten? Warum soll dann der Geist Gottes nicht auch in meinem Leben Neues bewirken können? Und noch was: Ein Zeichen für den Heiligen Geist ist oft die Taube. Das kommt aus der Erzählung von der Taufe Jesu, wo der Geist Gottes wie eine Taube vom Himmel herabgekommen ist. Oft finden wir die Taube über den Kanzeln in den Kirchen, denn der Geist Gottes soll ja was tun, damit die, die da predigen, auch so predigen, dass die Menschen das verstehen!
In unserer Zeit ist die Taube auch das Zeichen für Menschen geworden, die bewusst für den Frieden in der Welt eintreten, die „Friedenstaube“. Leben ist nur möglich, wenn Frieden ist. Ob die Taube nun deswegen zum Zeichen des Friedens geworden ist, weil sie das Zeichen für den Heiligen Geist ist, weiß ich nicht. Und doch scheint mir das gut zu passen. Denn der Geist Gottes ist ein Geist des Lebens, und Leben kann nur da gedeihen, wo Frieden ist. Gottes Geist will Frieden bewirken. Dass Menschen unterschiedlicher Gesinnung, unterschiedlicher Hautfarbe, unterschiedlicher Nationalität sich verständigen können, keine Angst voreinander haben, und daher damit aufhören können, sich zu bekriegen.
Wir haben keinen Frieden auf Erden, schlimme Kriege sind im Gang. Gottes Geist aber will den Frieden auf Erden. Vom Frieden haben die Engel auf dem Hirtenfeld gesungen. Gottes Geist will den Frieden, den Jesus meinte, als er sagte: „Liebt eure Feinde!“ Und so möge der Geist Gottes denen beistehen, welche die Friedenstaube als Zeichen mit sich tragen, der Geist, der wie eine Taube vom Himmel herabgefahren ist. Und hoffen wir, dass dieser Geist endlich mehr Gehör bekommt als die vielen anderen Stimmen, welche nicht von diesem Geist, sondern von Angst und Hoffnungslosigkeit beseelt sind und daher den Hass säen, einander Gewalt antun, Kriege führen. An Pfingsten, dem Fest des Geistes Gottes, sollten wir auch in diesem Sinne um Gottes Geist bitten. Um den Geist, der Frieden schafft. Er ist da, er ist gekommen. Wir brauchen uns ihm nur zu öffnen. Wunder sind immer noch möglich. Amen.