Predigt vom Sonntag, 06.05.2018
Die Lehre Jesu über das Gebet und über das Vaterunser steht bewusst in der Mitte der Bergpredigt; sie gehört zum Kern des Glaubens und ins Zentrum des geistlichen Lebens. Wie bei einem Wagenrad ist das Gebet die Nabe, um die sich alles dreht. Schwung, Nachhaltigkeit und Dynamik können sich nur entfalten, wenn diese Mitte und dieses Zentrum gegeben sind.
Eingeleitet werden die Worte Jesu über das Gebet von einer Warnung: Ihr sollt beim Beten nicht sein wie die Heuchler. Eine Warnung, die auf den ersten Blick in der unserer säkularisierten Welt recht befremdlich wirkt; gilt doch heute als Exot, wer öffentlich betet, etwa in einer Gaststätte vor der Mahlzeit oder ein einem Berggottesdienst im Angesicht vorbeiwandernder Touristen. Doch so ganz fremd und fern ist religiöse Heuchelei auch unserer Zeit nicht. Wenn Politiker sich gern und oft Seite von Würdenträgern aus Kirche und Diakonie zeigen, dann steckt dahinter manchmal auch das Kalkül: Die Nähe zur Kirche steht - vor allem in Bayern und Franken - noch immer für Glaubwürdigkeit und bringt Wählerstimmen. Dafür können wir dankbar sein, aber dabei sollten wir auch wachsam sein: Denn auch hier gilt: an den Früchten sollt ihr sie erkennen, nicht an den Pressefotos- auch nicht an den Kruzifixen in den Amtsstuben.
Wenn Jesus sagt "wenn ihr betet", setzt er selbstverständlich voraus, dass seine Jünger beten.Das war für seine Jüngerinnen und Jünger ungefragt Konsens: Zum Leben In der Nachfolge von Jesus gehört das Gebet. Nicht nur das Beten am Sabbat und Feiertag im Gotteshaus, sondern ein Gebet, das ein dauernder Dialog mit Gott ist: Betet ohne Unterlass! Diese Mahnung des Apostels Paulus zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Christlichen Spiritualität. Betet ohne Unterlass: ob im immer wiederholenden betenden Singen der Psalmen, im Herzensgebet der orthodoxen Christen oder den langen und schönen Liedern in unserer evangelischen Tradition. Dabei geht es nicht um die Suche nach vielen Worten - vor denen warnt uns das Evangelium ja. Betet ohne Unterlass: dahinter steht die Suche nach dem Gespräch mit Gott: Weil sie Gott suchen in ihrem Leben und Alltag, bitten Menschen immer wieder: Herr, lehre uns beten- wie damals die Jünger.
In der Diakonie Neuendettelsau dürfen wir dankbar sein für eine lange und reiche Erfahrung des regelmäßigen Gebets. Ob es die Tagzeitengebete oder die Andachten in unseren Häusern sind oder die private Andacht im stillen Kämmerlein - das Gebet ist wie ein Atem, der unsere Häuser durchzieht. 0der müsste man besser sagen: durchzogen hat? Die Zeiten in denen Menschen uns kamen, die zum größten Teil aus einer ganz selbstverständlichen Tradition von Gebet und Bibellese kamen, sind längst vorbei. Das gilt für Bewohner und Patienten ebenso wie für Mitarbeitende.
Und doch gilt auch heute: Die Schienen für unser Leben werden im Verborgenen gelegt. lm stillen Kämmerlein werden die Kräfte gesammelt, die helfen, den Alltag zu bestehen. Der Kontakt mit der unsichtbaren Welt ist eine Frage des Überlebens in der der sichtbaren Welt: Die Wurzeln eines Baumes sind genauso umfangreich wie sein Blätterwerk.
Gehen wir auf die Suche: wie kann solch ein verborgener Raum für mich aussehen? Wo finde ich die Zeit und den Ort, an dem ich durchzuatmen und zur Ruhe kommen kann. Jesus sagt: wir müssen Gott nicht von uns überzeugen oder ihn gar überreden. Es ist nicht nötig, dass wir viele Worte machen macht Gott müde und das macht uns müde und lustlos. Gott weiß ja schon, was wir brauchen. Beten ist vielmehr zuerst eine Einladung: wir dürfen aufatmen und wir dürfen zur Ruhe kommen.
Wie komme ich zur Ruhe, wie finde ich zu mir selbst, zu Gott? Neben dem Kämmerlein, dem ausgesonderten Ort leiten uns die einzelnen Bitten des Vaterunsers dazu an. Sie leiten und auf den Weg zu uns selbst und zu Gott.
Die Anrede „Unser Vater“ erinnert daran: im Gebet tritt Jesus an unsere Seite. Mit ihm und im Blick auf ihn können wir ,,Vater" zu Gott sagen.
UNSER Vater: da sind Schwestern und Brüder, mit denen, wir auch da verbunden sind, auch da, wo wir einsam und im Verborgenen beten. Bonhoeffer in der Einsamkeit seiner Gefängniszelle hat das Erfahren: Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet, so lass uns hören jenen vollen Klang der Welt, die unsichtbar sich um uns weiter, all deiner Kinder hohen Lobgesang.
Geheiligt werde dein Name - Hier geht es um das, was kostbar, unantastbar ist, um den bestimmenden Faktor im Leben. Wo dein Herz ist da ist dein Gott (Luther). Was Dir heilig ist, das betest Du an. Das ist Dein Gott. Wo unsere Herzen sind, da sind unsere Götter. Diese ,,Bitte" meint nichts anderes als das: Gott soll wieder im Mittelpunkt stehen – damit ich die Mitte in meinem Leben finde.
Dein Reich komme: Wir beten darum, dass seine Deine Herrschaft aufgerichtet, sichtbar wird auf Erden: Der Himmel soll auf die Erde kommen - Dorthin, wo wir leben. Es ist Ruf der Christen, der am Ende des NT und am Ende des Abendmahlsgebetes steht: Herr komm- Amen, ja komm Jesus. Dein Reich komme.
Der Blick geht nun hin zu den Dingen Alltags:
Unser tägliches Brot gib uns heute. ln dieser Bitte drücken sich Vertrauen und Bescheidenheit aus und die Verantwortung füreinander: es geht um unser aller Brot und Überleben. Vor diesem Gebet schmilzt jeder Egoismus und es kommen die in den Blick, die Hunger und Durst und keinen 0rt zum Leben haben. Das rechte Maß zu finden, für das was ich brauche und was die anderen brauchen- darum zu bitten haben auch wir bitter nötig, denen es am täglichen Brot wahrhaftig nicht fehlt.
Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir denen vergeben haben die an uns schuldig geworden sind. Wir brauchen uns nicht den Kopf zerbrechen über jede kleine Verfehlung im Alltag. Aber wir brauchen es täglich, dass wir neu anfangen können mit Gott, miteinander, mit uns selbst. Die Suche nach Gott führt uns auf den Weg der Vergebung – oder wir sind auf dem Holzweg.
Führe nicht in Versuchung. Zu heftigen Diskussionen haben jüngst die Ausführungen von Papst Franziskus über diese Bitte geführt. In der Tat, Gott versucht uns nicht zum Bösen; es ist das Leben, das uns ständig versucht und herausfordert. Wir können uns dem nur stellen mit der Bitte: Rette uns vor dem Bösen! Das macht uns wachsam, aber nicht furchtsam; wachsam für die kleinen Schritte, die zum Guten oder zum Bösen führen.
Denn Dein ist das Reich und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Am Ende geht das Gebet über in die Anbetung: Zwar steht dieser abschließende Lobpreis nicht in den ältesten Textzeugen, aber er ist mehr als folgerichtig: Im Gebet kommen wir bei Gott an und im Gebet kommt Licht und Klarheit von Ihm an in meinem Leben. Wo ich aufhöre, in einem Glas mit Sand zu rühren, sinkt das Schwere auf den Grund und alles wird wieder klar. So ist es, wenn wir die Sorgen ausgesprochen und damit losgelassen haben.. Wir können uns lösen und finden zur Ruhe; wir kommen heraus aus Suchen und Hoffnungslosigkeit und finden hinein in das Reich Gottes und in das Vertrauen zu dem, der im Himmel und bei uns ist.
Pfr. Peter Schwarz, St. Laurentius Neuendettelsau