Predigt vom Sonntag, 10.02.2019

Predigt zu Markus 4, 35 – 41, 4. Sonntag vor der Passionszeit, 10.02.2019, 9.30 Uhr, St. Laurentius, Neuendettelsau, Pfarrrerin Karin Lefèvre

Liebe Gemeinde,

die biblische Geschichte, in der Jesus bei einem fürchterlichen Sturm seelenruhig im Boot liegt und schläft, kennen wohl die meisten von uns. In den sogenannten synoptischen Evangelien - also bei Matthäus, Markus und Lukas - wird diese kurze Geschichte berichtet. Heute hören wir, wie Markus uns davon schreibt und in welchen Zusammenhang er dies einbettet, weil das zum Verständnis enorm wichtig ist.

Jesus hat sich eines Tages – da stand er noch am Anfang seines Wirkens – in ein Boot gestellt, das am Ufer des Sees Genezareth lag. Allerdings wird der See hier "Meer" genannt. Von hier aus predigt er zu einer großen Menschenmenge und erzählt dabei das Gleichnis vom vierfachen Ackerfeld, was niemand versteht. Nicht einmal die Jünger. Jesus muss ihnen erklären, dass echter Glaube gar nicht so einfach zu finden ist, weil der Lebensalltag mit seinen vielfältigen Problemen und Nöten ständig unser Vertrauen zu Gott bedrängt und erstickt.

Da allerdings, wo das Leben den Glauben nicht ersticken kann, da erweist er eine unglaubliche Macht.

Es ist nötig, dass wir uns das ins Gedächtnis rufen, wenn wir nun hören, wie es genau am Abend dieses Tages weiter geht. Stellen wir uns einmal vor, in welcher Stimmung wir an diesem Abend nach Hause gegangen wären, hätten wir zum engeren Kreis derer gehört, die sich um Jesus versammelt hatten.

Ich wäre ziemlich stolz darauf gewesen, dass Jesus mich tiefer in das Geheimnis des Glaubens eingeführt und mir vieles genauer erklärt hat.

Und dann heißt es:

Am Abend desselben Tages sprach Jesus zu den Jüngern: Lasst uns ans andere Ufer fahren. Und sie ließen das Volk gehen und nahmen ihn mit, wie er im Boot war und es waren noch mehrere Boote bei ihm. Und es erhob sich ein großer Windwirbel und die Wellen schlugen in das Boot, so dass das Boot schon voll wurde, und Jesus war hinten im Boot und schlief auf einem Kissen. Und sie weckten ihn auf und sprachen zu ihm: "Meister, fragst du nicht danach, dass wir umkommen?"

Und er stand auf und bedrohte den Wind und sprach zu dem Meer: "Schweig! Verstumme!" Und der Wind legte sich und es ward eine große Stille.

Und er sprach zu ihnen: "Was seid ihr so furchtsam? Habt ihr noch keinen Glauben?"

Und sie fürchteten sich und sprachen untereinander: "Wer ist der, dass ihm Wind und Meer gehorsam sind!" (Markus 4,35-41)

Ja, liebe Gemeinde, erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Da sind sie gerade noch so stolz gewesen, zum engsten Kreis der Jünger zu gehören und von ihm höchstpersönlich eine besondere Erläuterung vom Reich Gottes erhalten zu haben. Wie hatte Jesus es gerade erklärt: "Mit dem Reich Gottes geht es vielen Menschen so, dass sie das Wort darüber mit großer Freude aufnehmen, aber sie haben keine Wurzel in sich, sondern sind wetterwendisch. Wenn sich Bedrängnis erhebt, kommen sie ziemlich schnell zu Fall."

Ich möchte ja nicht wissen, wie viele der Jünger im Geheimen gedacht haben: Also, ich bin nicht so. Wie selbstbewusst die Jünger am Anfang der Schifffahrt noch waren, macht Markus uns ganz dezent, aber nachdrücklich deutlich, indem er schreibt: Sie, die Jünger, nahmen Jesus mit, wie er im Boot war. Die Jünger haben also das Kommando übernommen und schicken sich an, mit stolzgeschwellter Brust den See Genezareth zu überqueren. Das ist nie einfach; denn er ist berüchtigt dafür, Fischer immer wieder in Seenot zu bringen. So mancher ist schon bei schönstem Sonnenschein hinaus gefahren und dann in dem innerhalb kürzester Zeit aufziehenden Unwetter umgekommen.

Hier wird der See Genezareth von Markus 'Meer' genannt. Damals wusste jedes Kind warum: Das Meer galt als der Ort, an dem chaotische Mächte walten, die den Menschen verschlingen wollen. Alles, was es im Leben an solchen Chaosmächten gibt: Krankheiten, Kriege, Gewaltverbrechen, Revolutionen, Terrorismus usw., das wird im Bild des Meeres aufgegriffen und gilt als gegengöttlich. Nur für uns hier im beschaulichen Mittelfranken gilt das Meer hauptsächlich als Sehnsuchtsort für Urlaubssuchende. In der Bibel ganz und gar nicht. Da träumen die Menschen davon, dass im Reich Gottes das Meer als Symbol der Chaosmächte nicht länger sein wird (Offenbarung 21,1), weil Gottes Frieden sich grundsätzlich und absolut durchgesetzt haben wird.

Doch kommen wir zurück zu den Jüngern, die nach diesem erfüllenden Tag das Kommando übernommen haben. Jesus hat es ihnen überlassen. Tief und fest, geborgen wie ein kleines Kind in den Armen der Eltern, schläft er.

Doch die Chaosmächte nehmen keine Rücksicht auf das aufgeblähte Ego der Jünger. Unerbittlich schlagen sie zu, und die Wellen überfluten das Boot. So ist das oft mit Schicksalsschlägen: Wir fühlen uns locker und entspannt, meinen, unser Leben voll im Griff zu haben, machen Pläne, übernehmen das Kommando, und dann kann alles von einer Minute auf die andere völlig auf den Kopf gestellt werden.

So, nun muss ich aber doch mal eine gewaltige Lanze für die Jünger brechen. Denn was sie nun tun, das spricht doch ganz und gar für sie: Ja, sie haben Angst. Sie haben ja auch allen Grund dafür. Schließlich stehen sie mit ihrem Boot kurz vor dem Kentern. Und nicht zuletzt tun sie ja das Richtige, sie wenden sich an Jesus, sie wecken ihn auf. Sie vertrauen doch darauf, dass er die richtige Adresse ist, an die sie sich wenden können. "Interessiert es dich nicht, dass wir umkommen?"

Sie verstehen nicht, warum Jesus so seelenruhig im Sturm schlafen kann. Aber sie wissen, dass er der Richtige ist, um ihnen zu helfen. Wenn sie auch nicht sagen können, was sie dabei erwarten sollen.

Was sie dann erfahren, übersteigt alle ihre Erwartungen bei Weitem. Dass ein kurzer Befehl bestehend aus zwei Worten "Schweig!" und "Verstumme!" dafür ausreicht, wo sie doch bis zur Erschöpfung versucht hatten, Wasser aus dem Boot zu schöpfen, das erschüttert diese erfahrenen Fischer zutiefst.

Deshalb hatte ich auch immer sehr zwiespältige Gefühle, sooft ich das Ende der Geschichte las, wenn Jesus zu den Jüngern sagt: "Was seid ihr so furchtsam? Habt ihr noch keinen Glauben?"

Erstens haben sie ja kurz vor dem Kentern - und damit vor dem Ertrinken - gestanden und zweitens hatten sie sich doch vertrauensvoll an Jesus um Hilfe gewandt. Und den Vorwurf in ihrer Stimme, den können wir ihnen wahrlich nicht vorwerfen!

Nein, die Lösung ist so einfach nicht. Und eigentlich bin ich auch nur aufgrund meiner bescheidenen Griechischkenntnisse darauf gestoßen und habe das Wortspiel im Bericht des Markus erkannt: Sie, die Jünger, wecken Jesus auf. (egeirw steht da) Dieses Wort (egeirw) taucht dann ganz am Ende des Evangeliums wieder auf – und zwar so richtig spektakulär! Denn da berichtet Markus davon, dass der von den Toten erweckte Jesus Maria Magdalena erschienen ist und sie beauftragt, es denen zu verkünden, "die da Leid trugen und weinten!" (Markus 16,10). Doch die Jünger glauben weder Maria noch den beiden anderen, denen Jesus ebenfalls begegnet ist und denen er denselben Auftrag gegeben hat. So muss Jesus am Ende selbst den Elf erscheinen und sich ihnen offenbaren. Da schimpft er sie dann wegen "ihres Unglaubens und ihres Herzens Härte(!), weil sie denen nicht geglaubt haben, die Jesus als von den Toten auferstandenen (egeirw) gesehen haben.

Genau hier, wo es um Jesu Auferstehung von den Toten geht, wird wieder jenes Verb benutzt, mit dem die Jünger Jesus im Sturm aus dem Tiefschlaf geweckt haben.

Von allen Chaosmächten, die uns in Angst und Schrecken versetzen, ist der Tod die größte und schlimmste. Und da gibt es nur einen, an den wir uns vertrauensvoll wenden sollen. Doch das lässt sich in kein Bekenntnis fassen, sei es wortreich oder wortkarg. Das ist reine Vertrauenssache, die ein weiches empfindsames Herz verlangt. Da muss, um es anders auszudrücken, die Beziehung stimmen. Da muss ein Band geknüpft sein, das stärker ist als der Tod. Die Bibel kennt ein solches Band und nennt es LIEBE.

Die Liebe zu dem Gott, aus dem alles Leben kommt, der alles Leben erhält und in dem es seine Vollendung findet. Die Liebe ist die einzige Macht, die diese furchtbare Chaosmacht, den Tod, überwindet. In unzähligen Bildern, Gleichnissen, ja mit dem eigenen Leben, Sterben und Auferstehen, hat Jesus davon geredet und um unser Vertrauen geworben: "In der Welt habt ihr Angst. Aber seid getrost, ich habe die Welt – also die Ursache aller Angst - überwunden", so wirbt er um unser Herz und unser Vertrauen. Amen

Und der Friede Gottes, welcher höher ist, als alles, was unsere Vernunft denken und sagen kann, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

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