Predigt vom 1. Sonntag nach dem Christfest, 27. Dezember 2020

Predigt zu Lukas 2, 25-32; 1. Sonntag nach dem Christfest, 27. Dezember 2020, 9.30 Uhr; St. Laurentius, Neuendettelsau; Pfarrer Norbert Heinritz

Liebe Gemeinde,

heuer dauern die Weihnachtsfeiertage einen Tag länger. Der erste Sonntag nach dem Weihnachtsfest folgt direkt auf den zweiten Weihnachtsfeiertag. Wir haben somit gewissermaßen einen dritten Weihnachtsfeiertag. Ob das heuer das Fest glücklicher, erfüllter und fröhlicher macht?

Ein außergewöhnliches Weihnachtsfest ist das heuer. Wie haben Sie diese Tage erlebt? Hatten Sie Besuch? Konnten Sie überhaupt welchen haben? Haben Sie viel telefoniert? Haben Sie die Gottesdienste hier aus St. Laurentius oder welche im Fernsehen mitgefeiert?

Ein außergewöhnliches Weihnachtsfest ist das heuer. Nur im kleinen Kreis kann gefeiert werden. Am besten sollte man sich mit niemandem treffen. Die Angst, dass sich das Corona-Virus noch mehr ausbreitet und am Ende die Kliniken überfordert sind, beherrscht das Land. Die Gemeinden dürfen in den Gottesdiensten nicht singen. Oder es werden - wie hier bei Diakoneo - die Gottesdienste erst gar nicht mit Besucherinnen und Besuchern gefeiert.

Auf dem Wunschzettel waren heuer ganz besondere Wünsche gestanden: sinkende Infektionszahlen, baldige Impfung, wieder mögliche Begegnungen, offene Heime und Kliniken, normales Leben. So schnell werden diese Wünsche wohl nicht in Erfüllung gehen.

Jetzt klingen die Weihnachtsfeiertage schon wieder aus. Ob wir dieses Jahr mehr begriffen haben als sonst, was Weihnachten eigentlich bedeutet? Ob wir diese Sehnsucht nach Heil und Heilung mehr verspürt haben als sonst?

In unserem Bibelwort geht es heute um einen Menschen, der diese Sehnsucht sein Leben lang in sich getragen hat. Simeon heißt er. Wir haben gerade im Evangelium von ihm gehört. Simeon ist ein frommer Jude. Als solcher erwartet er voller Sehnsucht, dass Gott endlich den Messias schicken wird, den Befreier, der tun wird, was der Prophet Jesaja verheißen hat, dass er den Elenden gute Botschaft bringen und zerbrochene Herzen verbinden wird, dass er den Gefangenen die Freiheit verkündigen und die Gebundenen frei machen wird. Simeon wartet schon lange auf den Messias. Vielleicht zweifelt er auch manchmal, ob Gott ihn jemals schicken wird. Bis Maria und Joseph Jesus, ihren erstgeborenen Sohn, in den Tempel bringen, um ihn dort, wie es das Gesetz vorschreibt, Gott zu weihen.

Als Simeon Jesus sieht, weiß er, dass sein Warten auf den Messias ans Ziel gekommen ist. In der Begegnung mit dem Jesuskind erkennt Simeon: Dieses Kind bringt Gottes Heil in die Welt.

Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast; denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen.

Es werden wohl nicht die vielleicht schon sehr schwachen Augen im Gesicht des alten Simeon gewesen sein, die hier erkannt haben. Diese sehen nur einen Säugling, ein kleines Menschenkind wie viele andere auch. Simeon hat mit den inneren Augen des Glaubens den Heiland gesehen, und er spürt auf unerklärliche Weise, dass sich sein Leben nun erfüllt hat.

Wenn es uns doch aus so ginge! Ja, wenn das nur so leicht zu sehen oder zu glauben wäre! Wenn sich das uns auch so intuitiv erschließen würde, wie es sich Simeon erschlossen hat. Wie schön wäre es, diesem Kind so direkt zu begegnen, wie es der alte Mann erlebt hat.

Unsere Fragen lassen sich halt nicht einfach so wegwischen: Wenn Jesus Gottes Heil in die Welt gebracht hat, wo ist dieses Heil dann zu sehen? Dann dürfte doch ein so kleines Virus nicht Menschenleben fordern und die Welt bedrücken. Dann dürften doch keine Kriege mehr sein, sondern Frieden herrschen. Dann müssten wir uns doch keine Sorgen mehr um das Klima machen, und niemand müsste sich mehr darum sorgen, wie er am kommenden Tag etwas zu essen bekommt. Auf unseren Wunschzettel nach Heil würde stehen: Gesundheit, Frieden, Gerechtigkeit, keine Gewalt, kein Hass, keine Ausgrenzung, keine Zerstörung unserer Welt. Doch die Realität unserer Welt scheint nicht so heilvoll zu sein, und wir sind mittendrin in dem Schlamassel. Kann man angesichts dieser unheilvollen Realität sagen: Das Jesuskind hat Gottes Heil in die Welt gebracht?

Doch was ist eigentlich dieses Heil Gottes? Das verstehen wir nur, wenn wir darauf sehen, was damals in der Nacht von Bethlehem geschehen ist. Das Heil besteht aus einem Paradoxon, nämlich, dass der ewigreiche Gott in tiefster Armut in die Welt kommt. In einen Futtertrog wird er gebettet, fern der Heimat in einem Stall, draußen auf dem Feld, angebetet von Hirten, den „outcasts“ der damaligen Gesellschaft.

So kommt Gott zur Welt. In tiefster Armut. Eigentlich mehr als erbärmlich. Aber diese Geburt ist Programm für das, was „Heil“ bedeutet: Nämlich, dass Gott hinabgestiegen ist bis ins tiefste menschliche Dasein. In das Elend dieser Welt hat er sich begeben, um dem Menschen inmitten von Not und Leid nahe zu sein. So wie es in einem Weihnachtslied heißt:

Er äußert sich all seiner G´walt,
wird niedrig und gering,
und nimmt an eines Knechts Gestalt,
der Schöpfer aller Ding. (EG 27,3)

Der Schöpfer aller Ding nimmt Knechtsgestalt an. Gott wollte nicht den Himmel verlassen, um an gedeckten Tischen in prächtigen Palästen mit den Schönen und Reichen der Welt zu speisen. Gott wollte im Elend dieser Welt uns nahe sein. Das ist das Paradoxe, das eigentlich Unbegreifliche dieser Gottesreise.

Ich bin überzeugt, auch Simeons Wunschzettel nach einer heilen Welt hätte Wünsche enthalten, ähnlich den unseren: Wünsche nach Frieden und nach Ende von Leid und Elend. Vielleicht hat auch Simeon in seinem Warten auf den Messias eher auf einen kraftvollen Herrscher gesetzt an der Spitze einer Armee. Aber als er das Jesuskind sieht, werden ihm die Augen geöffnet – auch das ein großes Weihnachtswunder - und er erkennt, dass das Heil Gottes anders kommt, als erwartet.

Simeon segnet schließlich die heilige Familie. Seine Worte weisen schon von Weihnachten auf Karfreitag. Zu Maria sagt er, wie die Hoffnung-für-alle-Bibel übersetzt: „Durch dieses Kind setzt Gott ein Zeichen, gegen das sich viele auflehnen werden. So zeigt er, was in ihrem Innern vor sich geht. Der Schmerz darüber wird dir wie ein Schwert durchs Herz dringen.“

Nicht ein vordergründig machtvolles Heil ist es, das Gott in die Welt bringt, sondern ein Heil, das bis in die Tiefe des Leides, der Not und bis in den Tod vordringt. Das ist das Geheimnis des Kommens Gottes in diese Welt. Der große Gott besiegt Unheil und Tod, indem er sich selbst ganz hineingibt.

Was heißt das nun für uns in unserer unheilvollen Welt? Das heißt jedenfalls eines: Kein Schmerz, kein Leid, keine Sorge, kein Unheil kann so groß sein, dass uns Gott nicht nahe ist. Vielleicht merken wir es in dem Moment nicht. Und doch ist er da.

Das hat auch Simeon erkannt, und er lobt Gott: „Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast; denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen, den du bereitet hast vor allen Völkern, ein Licht, zu erleuchten die Heiden und zum Preis deines Volkes Israel“. Möge es uns am Ende unserer Lebensreise geschenkt sein, so wie Simeon Gott zu loben. Amen.

Neuendettelsau am 27.12.2020 

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