Predigt vom 15. Sonntag nach Trinitatis, 29.09.2019

Predigt zum Vorstellungsgottesdienst in St. Laurentius über Lukas 10, 17-20; 15. Sonntag im Kirchenjahr, 29.02.2019, 9.30 Uhr; St. Laurentius, Neuendettelsau

Liebe Gemeinde,

es ist für mich ein besonderes Gefühl, hier oben auf der Kanzel der Laurentiuskirche zu stehen. Ich komme zu Ihnen als neuer Pfarrer nach St. Laurentius. Manche von Ihnen kennen mich bereits, und ich kenne einige von Ihnen. Manche kennen mich seit ein paar Tagen oder Wochen, andere schon sehr lange. Denn ich bin neu bei Ihnen und doch nicht neu. Neu und doch sehr vertraut. Vertraut, weil ich meine Jugend hier in Neuendettelsau verbracht habe. Hier in der Laurentiuskirche wurde ich konfirmiert, dort oben auf der Empore habe ich als Bläser viele Gottesdienste erlebt. Am Laurentius-Gymnasium habe ich mein Abitur abgelegt und anschließend im Diakoniewerk meinen Zivildienst abgeleistet.

Deswegen fühlt es sich an, wie nach Hause zu kommen. Und doch neu, da ich jetzt als Pfarrer an St. Laurentius eine ganz andere Aufgabe habe. Mit meiner halben Pfarrstelle bin ich hauptsächlich für die Konfirmandenarbeit zuständig, und im Förderzentrum St. Martin erteile ich Kindern Religionsunterricht. Daneben wird es bestimmt noch viele Gottesdienste, Andachten und andere Gelegenheiten geben, an denen wir uns begegnen und im Namen Jesu Christi zusammenkommen.

Ich freue mich sehr, hier zu sein, auf die Begegnungen mit Ihnen und auf die Aufgaben, die hier auf mich warten.

Liebe Gemeinde, ich habe Ihnen heute einen Gegenstand mitgebracht, mit dem ich mich in den letzten Wochen, bevor ich hier anfangen konnte, viel beschäftigt habe: einen Umzugskarton!

Ich bin mir sicher, dass Sie alle schon einmal umgezogen sind und das kennen. Alle Dinge, die man hat, in Kartons einpacken, dann werden sie aus der Wohnung getragen, in den LKW geladen, zur neuen Wohnung gefahren, dort ausgeladen, in das neue Zuhause gebracht und dort schließlich ausgepackt. So die kurze Version.

Je länger der Umzug her ist, desto kürzer ist diese Beschreibung. Man vergisst schnell, was das für ein Aufwand ist. Denn man vergisst auch, wie viele Sachen man besitzt, die sich im Laufe der Jahre ansammeln. Aber bei einem Umzug wird einem das sehr intensiv bewusst. Die Anzahl der Kartons nimmt gar kein Ende, und bin ich im Studium noch mit einem kleinen Fiesta vom Schwager umgezogen - da hat damals alles hinein gepasst, so waren es Ende August bei uns nun zwei kleinere LKWs und ein Sprinter gewesen.

Und dann, als wir in der neuen Wohnung angekommen waren, war es zunächst ein frustrierendes Gefühl, vor einem Berg an Kisten zu stehen, bei dem man gar nicht weiß, wo man anfangen soll. Dann aber war es auch ein schönes Gefühl, mit jeder Kiste, die man ausgepackt hat, zu sehen, wie der Berg an Kisten langsam kleiner wird und schrumpft.

Aber wissen Sie, was ich bei jeder Kiste, die ich herumgehoben habe, um sie auszupacken, gedacht habe? Ist die schwer! Und das hat sehr demütig werden lassen. Demütig gegenüber den Männern vom Umzugsunternehmen, die all diese Kisten geschleppt haben. Unsere neue Wohnung ist im zweiten Stockwerk, und mein Arbeitszimmer ist unter dem Dach, also im dritten Stockwerk. Und fast die Hälfte der Kisten, meine Bücher und Arbeitsunterlagen, mussten ins dritte Stockwerk. Wenn die Männer die Kisten trugen, sahen sie gar nicht so schwer aus. Wenn ich sie hingegen herumwuchten musste, fühlte es sich an, als wären sie mit Eisen gefüllt. Und ich habe wieder eine große Hochachtung vor den Männern bekommen, die den ganzen Tag, von morgens bis abends, solche Kisten schleppen. Ich bin froh, dass ich diese Arbeit nicht machen muss.

Nein, als Pfarrer ist meine Aufgabe die Verkündigung des Wortes Gottes. Seines Evangeliums. Nachzudenken, zu reflektieren, was sein Wort heute für unser Leben bedeuten kann. Und so möchte ich heute mit Ihnen über einen Text aus dem Lukas-Evangelium nachdenken:

17 Die Zweiundsiebzig aber kamen zurück voll Freude und sprachen zu Jesus: Herr, auch die Dämonen sind uns untertan in deinem Namen.

18 Jesus sprach aber zu ihnen: Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz.

19 Seht, ich habe euch Macht gegeben, zu treten auf Schlangen und Skorpione, und Macht über alle Gewalt des Feindes; und nichts wird euch schaden.

20 Doch darüber freut euch nicht, dass euch die Geister untertan sind. Freut euch aber, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind.

Liebe Gemeinde, in diesem Kapitel erzählt uns Lukas, wie Jesus 72 Jünger aussendet, um das Evangelium Gottes in die Städte und Orte zu tragen. Und er sagt ihnen: Die Ernte ist groß, der Arbeiter aber sind wenige. Darum bittet den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter aussende in seine Ernte. Er gibt ihnen Anweisungen, wie sie sich zu verhalten haben. Und nun folgt ein zeitlicher Cut, ein Schnitt, und wir hören, wie die 72 Ausgesendeten zurückkommen.

Sie berichten Jesus voll Freude von dem, was sie getan haben. Von der Macht, über die sie verfügen. Das, was sie plötzlich alles vermögen, in seinem Namen. Aber dann passiert, wie ich finde, etwas Merkwürdiges: Jesus lobt sie nicht für ihre Arbeit. Für das, was sie alles in seinem Namen getan haben. Obwohl sie doch Großartiges geleistet haben.

Seine Antwort lautet: Doch darüber freut euch nicht, dass euch die Geister untertan sind!

Sondern: Freut euch aber, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind.

Liebe Gemeinde, ein wenig frustrierend finde ich das schon. Die Jünger sollen sich nicht über ihren Erfolg freuen, über das, was sie geschafft haben, was sie an Gutem bewirkt haben? - Aber ist es nicht auch gnädig, was Jesus zu ihnen sagt? Die Jünger, die 72, die er ausgesendet hat, sollen sich nicht vom Erfolg ihres Tuns abhängig machen. Auch wenn sie diesmal den Erfolg ihres Tuns gleich erlebt haben, wie oft sieht man die Früchte seiner Arbeit nicht, oder zumindest nicht sofort. Ich vermute, das kennen sie genauso gut wie ich.

Doch darüber freut euch nicht, dass euch die Geister untertan sind! Sondern: Freut euch aber, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind. Ich erkenne hier den Unterschied zwischen unseren Zielen, dem Auftrag, dem wir folgen - besten Wissens und Gewissens - und auf der anderen Seite Gottes Plan, seine Ziele für unser Tun.

Ich möchte diese Unterscheidung heute für mich so übersetzen: Ich habe den Auftrag, diese Kiste zu tragen. Was in der Kiste ist, weiß ich nicht - brauche ich auch gar nicht zu wissen. Ich weiß auch nicht, was ich mit dem Transport dieser Kiste bewirke: Mache ich jemanden glücklich, dem ich sie bringe, oder befreie ich jemanden von einer großen Last? Übernehme ich mit meiner Arbeit eine Aufgabe, mit der jemand anderes nicht alleine klar kommt, überfordert wäre?

Wie die Männer des Umzugsunternehmens, die nicht wissen, was sie in meinen Kisten geschleppt haben: Sinnvolle Gegenstände, geistliche Literatur, die Ikone, die mein Mentor mir zur Ordination geschenkt hat, die Hochzeitsbibel meiner Großeltern, oder nur alte Teppiche, von denen ich mich noch nicht trennen konnte. Die Männer konnten nicht ahnen, dass sie daran mitgearbeitet haben, dass ich heute meinen Dienst hier an St. Laurentius antreten darf und als Prediger, als Seelsorger, als Lehrer wirke.

Und manchmal erlebe ich das in meinem Dienst ähnlich: Manche Aufgabe, die zu stemmen ist, mancher Dienst, der einen fordert. Und nicht immer erfährt man, was man damit erreicht hat: Das man einen Menschen begleitet hat, eine schwierige Schulklasse unterrichtet hat, oder Jugendliche zur Konfirmation geführt hat.

Und ich muss dabei an unser Diakoniewerk denken. An die vielen Arbeitsbereiche, die Diakoneo anbietet. Die Arbeit mit Menschen mit Behinderung, in den Alten- und Pflegeheimen, den Krankenhäusern, den Schulen, der Akademie, den Betrieben und allen anderen Aufgabenbereichen. Viele von Ihnen leben und arbeiten hier. Vielleicht gerade jetzt hören sie diese Worte im Krankenhaus, während sie einem Patienten sein Medikament geben oder während sie im Haus Bezzelwiese eine Bewohnerin pflegen. Unsere Aufgaben, die wir uns suchen, Ziele, die wir verfolgen, die wir sehen, und auf der anderen Seite Gottes Plan für unser Tun, sein Blick auf unser Leben.

Ich habe ihnen eine alte Legende mitgebracht, die meine Gedanken wunderbar in Bildern vor Augen führt:

Sie handelt von einem großen und starken Mann – ja, fast einem Riesen. Vor langer Zeit lebte er in einem Land jenseits des Meeres. Obwohl er so groß und stark war, wollte er nur einem Herrn dienen, der größer und stärker war als er selber. So machte er sich auf den Weg, den mächtigsten Mann der Welt zu suchen.

Nach drei Tagen kam er in eine große Stadt. Er fragte die Leute, denen er begegnete: „Wer ist der Herr über diese Stadt?“ – „Die Stadt gehört dem mächtigen König“, antworteten ihm die Leute. „Wenn er der mächtigste ist, so will ich ihm dienen“, sagte er bei sich. Und so blieb er und arbeitete für den König.

Eines Abends kam ein weitgereister Spielmann und sang vor dem König. In einem Lied sang er vom Teufel. Der König bekam Angst, duckte sich und machte das Kreuzeszeichen. Der Starke dachte sich: „Wenn der mächtige König sich vor dem Teufel duckt und ihn fürchtet, dann muss der Teufel wohl größer und stärker sein als er. Ich will gehen und den Teufel suchen und ihn fragen, ob ich ihm dienen darf.“ So wanderte er wieder viele Monate, bis er an den Rand der Wildnis kam.

Da kam ihm eine seltsame Gestalt entgegen, finster und furchterregend. „Wo willst Du hin?“, fragte die Gestalt. „Ich suche den Teufel“, antwortete er. „Er soll mächtiger sein, als alle Könige auf der Welt. Wenn ich ihn gefunden habe, will ich ihm dienen.“ „So komm mit mir, ich bin der Teufel!“, erwiderte die Gestalt. So gingen sie miteinander. Sie kamen an eine Gebirgskette. Auf einem Hügel stand oben ein Kreuz. Der Teufel erschrak. Er bedeckte sein Gesicht. „Hier können wir nicht vorbei“, murmelte er, „komm, wir müssen umkehren!“ „Warum hast du so eine große Angst?“, wollte er wissen. „Das Kreuz ist ein Zeichen von Jesus Christus“, sagte der Teufel und zitterte. Da sprach sein Gegenüber: „Wenn Jesus Christus stärker ist als du, dann gehe ich. Ich will Jesus Christus suchen und ihm dienen.“ So wanderte er Monat für Monat durch die Wüste, bis er an die Hütte eines Einsiedlers kam. „Was weißt du über Jesus Christus?“, fragte er den Mann. „Er ist der Sohn Gottes“, wurde ihm geantwortet, „er ist wahrhaftig der König der Welt!“ „Ja, den suche ich, den König der Welt!“, sagte er. „Sag mir doch, wo ich ihn finde.“

Der Einsiedler sprach: „Am Ende der Wüste ist ein großer, reißender Fluss. Manche sind schon ertrunken, als sie versuchten, ihn zu überqueren. Dort wird ein Fährmann gebraucht. Mache dich auf und gehe dorthin. Du bist groß und stark wie ein Riese. Bring die Menschen, die ans andere Ufer wollen, über den Fluss. Ich bin mir sicher, dort wirst du Jesus Christus begegnen.“ Da ging er zum Fluss und baute sich eine Hütte. Viele Leute trug er über den Fluss auf seinen starken Schultern. Er lebte dort und die Menschen vertrauten ihm.

Eines Nachts, er lag im Bett und schlief, hörte er eine Kinderstimme: „Komm, Fährmann, trage mich hinüber!“ Er stand auf, schaute hinaus und sah das Kind stehen, das ihn rief. „Fährmann“, sagte das Kind, „bringe mich über den Fluss!“ Ein bisschen wunderte sich der starke Mann, dann nahm er das Kind auf die Schultern und ging in den Fluss. Die Strömung im Fluss nahm zu. Das Wasser stieg. Ein Sturm kam auf. Der Fluss wurde immer reißender. Es wurde mühsam für ihn. Das Kind schien schwerer und schwerer zu werden. Der starke Mann bekam Angst. Er hatte Angst um das kleine Kind und um sich. Das Wasser stieg ihm bis an die Lippen. Das Kind wurde zentnerschwer. Stunde um Stunde verging. Dann wurde es Tag. Endlich erreichten sie das Ufer. Er setzte das Kind unverletzt ans Ufer. „Kind, ich habe große Angst gehabt!“, sagte der riesengroße und starke Mann, „du wurdest mir so schwer, dass ich glaubte, ich hätte die ganze Welt auf den Schultern.“ Da sprach das Kind: „Du hast nicht nur die Welt getragen, sondern auch den Sohn Gottes. Ich bin der, den du überall gesucht hast: Jesus Christus. An diesem Fluss dienst du mir, du trägst die Schwachen sicher über den Fluss. Darum sollst du ab jetzt ‚Christophorus‘ heißen, das bedeutet: der Christusträger. Geh heim und stecke deinen Stab in die Erde neben deiner Hütte. Morgen wirst du sehen, wie er Blüten und Früchte trägt.“

Soweit die Legende von Christophorus. Ich vermute, viele von ihnen kennen sie, allein schon durch die Namensgebung unseres Christophorusheimes. Martin Luther hat in einer Predigt 1529 über diese Legende einmal folgendes gesagt: "Du sollst wissen, dass Christoph nicht eine Person ist, sondern ein Ebenbild aller Christen. Die Geschichte will nicht eine Historie sein, sondern will das christliche Leben vor Augen malen." - Besser kann man die Botschaft nicht zusammenfassen.

Liebe Gemeinde, ich wünsche uns allen die Gewissheit und manchmal auch den Trost, dass wir mit unseren alltäglichen Aufgaben in der Berufung Jesu Christi stehen. Dass wir in einer der Kisten, die uns aufgetragen sind zu schleppen, Christus erkennen können, ihm begegnen. Mit unserem Dienst in der Diakonie haben wir uns dafür entschieden, uns von Christus berufen zu lassen und damit in den Dienst an den Menschen, die unserer Hilfe bedürfen. Wir haben uns dafür entschieden, uns von Christus berufen zu lassen, Christusträger zu sein. Ganz gleich, an welcher Stelle, ganz gleich mit welcher Aufgabe. Sei es als Pfarrer oder als Pfleger, sei es als Diakonisse oder als Mitarbeiterin im Kindergarten, sei es als Lehrer oder sonst irgendwo in unserem Werk, hauptamtlich oder ehrenamtlich.

Liebe Gemeinde, Gott hat uns berufen, Christusträger zu sein, und so dürfen wir hoffen, dass auch unser Stab, den wir pflanzen, blüht und ausschlägt, und wir dürfen darauf vertrauen, dass auch unsere Namen im Himmel geschrieben sind.

Amen

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