Predigt vom Ostersonntag, 21.04.2019

Predigt zu Johannes 20, 11-18; Ostersonntag, 21.04.2019, 9.30 Uhr; St. Laurentius, Neuendettelsau; Pfr. Dr. Peter Munzert

Kanzelgruß

Johannes 20, 11-18, Maria Magdalena

Maria aber stand draußen vor dem Grab und weinte. Als sie nun weinte, beugte sie sich in das Grab hinein und sah zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, einer saß am Kopfende, der andere am Fußende, wo der Leichnam Jesu gelegen hatte.

Die Engel fragten Maria: „Frau, was weinst du?“ - Sie antwortete ihnen: „Sie haben meinen Herrn fortgebracht, und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben.“

Und als sie das sagte, wandte sie sich um und sah Jesus vor sich stehen, merkte aber nicht, dass es Jesus war.

Jesus fragte sie: „Frau, was weinst du? Wen suchst du?“ - Sie dachte, er sei der Gärtner, und darum antwortete sie ihm: „Herr, wenn du ihn fortgetragen hast, dann sage mir, wo du ihn hingelegt hast? Ich will ihn zurückholen.“

Jesus sagt zu ihr: „Maria!“ - Da erst erkannte sie ihn und sagte auf Hebräisch zu ihm: „Rabbuni!“, das heißt: Meister.

Jesus sagte zu ihr: „Rühre mich nicht an! Denn ich bin noch nicht aufgefahren zum Vater. Geh aber hin zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott.“

Maria Magdalena ging zu den Jüngern. Sie verkündete ihnen: „Ich habe den Herrn gesehen!“. Und sie erzählte, was er zu ihr gesagt hatte.

Herr, gibt uns ein Wort für unser Herz,
und ein Herz für unser Wort.


Liebe Schwestern und Brüder!

„Ich habe den Herrn gesehen!“ - Was heißt das? Für Maria Magdalena war dies sozusagen das Oster-Erlebnis. „Ich habe den Herrn gesehen!“

Sie war am Ostermorgen zum Grab gegangen, um vom Leichnam des verstorbenen Jesus Abschied zu nehmen, so wie dies Trauernde tun. Jesus Christus war nicht tot, sondern stand lebend vor ihr, auch wenn er so verändert war, dass sie ihn zuerst nicht erkannte. Sie hat den Herrn als den Auferstandenen gesehen. Für sie war Jesus ein Gegenüber, nahbar, greifbar.

„Ich habe den Herrn gesehen!“

In einer früheren Gemeinde erzählte mir eine Frau, dass sie im großen Glasfenster der Kirche Jesus lächelnd sehen konnten. Es war ein Gerichtsbild, Jesus als der Weltenrichter war darauf abgebildet. Sie erzählte mir mehrfach, dass sie es sehen konnte, Jesus sei ganz lebendig vor ihr. Als ein lebendiger Gott, der mit ihr in Kontakt tritt, der sie ansieht und lächelt. Ich war im ersten Moment ein wenig verwirrt, weil ich das nicht einordnen und selbst auch nicht sehen konnte, so sehr ich mich auch konzentrierte.

„Ich habe den Herrn gesehen!“

Mir ging es dann aber auch einmal selbst so.

In der christlichen Meditation, im langen Schweigen und Meditieren über die Worte „Jesus Christus, erbarme dich unser“.

Diese Gebetsform, das Herzensgebet, stammt aus der orthodoxen Kirche. Dabei wird der Gottesname vielfach wiederholt. Man sucht sich einen ruhigen und stillen Platz zur Meditation, an dem man ungestört ist. Dann betet man beim Einatmen „Herr, Jesus Christus“, beim Ausatmen, „erbarm dich unser“. Das kann man über eine lange Zeit tun und sich natürlich tief versenken.

Mir ist dann irgendwann das Antlitz Jesu Christi erschienen. Er wurde lebendig und plastisch sichtbar vor mir. Ich habe mein Jesusgebet fortgeführt, Jesus hat geschwiegen. Jesus war lebendig vor mir. Ich konnte ihn sehen, sein Gesicht beinahe greifen. Er war da, als der auferstandene, ewig lebende Gott. Ich spürte, er wollte bei mir sein und mich begleiten.

Von Natur aus bin ich eher ein Skeptiker, denke gerne analytisch nach und gehe den Sachen auf den Grund, um dann ein begründetes Urteil zu fällen. In diesem Fall tat ich es nicht. Ich wollte es nicht, ich wollte mir den Eindruck bewahren, diese Erfahrung festhalten, dass mir Jesus begegnet ist. Natürlich weiß ich um die Phänomene von Wunschbildern und Projektionen, aber das hat mich in diesem Moment nicht interessiert und ich lasse das auch jetzt ganz bewusst beiseite.

„Ich habe den Herrn gesehen!“

Was heißt das? Das heißt, Gott ist lebendig. Gott erscheint Menschen in Bildern, in ihren Träumen, in Worten der Heiligen Schrift. Martin Luther hat darauf besonders Wert gelegt, dass wir Gott im Wort haben. Martin Luther hat uns immer geraten, auf das Kreuz zu sehen, den barmherzigen Gott anzusehen, der uns im Wort begegnet, der bei uns ist, der uns hört und mit dem wir auch in Zwiesprache treten können.

Aber es ist nicht nur das Wort, das wir lesen oder hören. Es sind eben auch die Bilder, die wir sehen, die uns vor Augen sind.

Der große Christus im Choraltar ist gegenwärtig sichtbar für uns. Er ist präsent und gewissermaßen mitten unter uns.

Es hat Generationen von Gottesdienstbesuchern und Diakonissen geprägt, viele haben zu ihm aufgeschaut, viele werden gespürt haben, wie er ihren Blick erwidert.

Es ist meine Kinderbibel von Kees de Kort oder das Gottbüchlein meiner Großmutter. Wir leben von Bildern, denn auch in ihnen ist Gott für uns lebendig und gegenwärtig.

„Ich habe den Herrn gesehen!“

Diese Worte aus dem Munde von Maria Magdalena bedeuten allerdings auch, dass sich Jesus nach der Auferstehung nicht mehr so zeigt wie vorher. Maria Magdalena kannte Jesus als Mann, als ein festes Gegenüber, dem sie mit ihren Haaren die Füße salbte.

Jetzt ist es anders. Jesus hat sich verändert, sie weiß, Jesus wird sich der Welt körperlich entziehen und zum Vater in den Himmel auffahren. Danach ist er nur noch in der Erinnerung und im Geist oder in Bildern anwesend.

„Ich habe den Herrn gesehen!“

Maria Magdalena geht anschließend zu den anderen Jüngern und erzählt ihnen von Ihrer Erfahrung. Sie teilt mit ihnen ihr besonderes Erlebnis. Jesus wird noch mehrfach zu den Jüngern reden, mit dem zweifelnden Thomas sprechen und ihnen Frieden verkündigen.

Von nun an kann Maria Magdalena ihre Erfahrung mit anderen teilen, mit anderen darüber sprechen, wie sie Jesus gesehen hat, wie er ihr als Auferstandener begegnet ist. Dafür bietet die Gemeinschaft der Gläubigen den Raum und den Ort. Damit ist die Kirche die Gemeinschaft der Lebendigen, der Menschen, die aus der Liebe und der Kraft Gottes leben.

„Schmeckt und seht, wie freundlich der Herr ist.“

Der Auferstandene ist mitten unter uns präsent. In seinem Wort, im Gebet und vielleicht auch in dem einen oder anderen Bild, das wir hier in der Kirche von ihm haben oder das vor unseren Augen entsteht.

Im Heiligen Abendmahl wird uns Jesus Christus darüber hinaus in Brot und Wein begegnen. Wir sehen ihn nicht nur, sondern schmecken ihn auch. Damit tritt er in unsere Mitte und bindet uns als seine Gemeinschaft zusammen.

Lasst uns nun das Mahl des Herrn miteinander feiern.

Amen.

Kanzelsegen

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