Predigt vom Sonntag, 25. November 2018

Predigt – Jesaja 65, 16-25

Letzter Sonntag des Kirchenjahres, Ewigkeitssonntag, 25. November 2018, um 9.30 Uhr in Neuendettelsau; Gedenken der im vergangenen Kirchenjahr Verstorbenen; Pfr.in Karin Lefèvre

Liebe Gemeinde,

heute am Ewigkeitssonntag gedenken wir all unserer Verstorbenen. Viele unter uns hier haben in den vergangenen Monaten einen geliebten Menschen zu Grabe getragen. Für sie ist der Schmerz meist noch frisch. Nur selten können wir den Tod als Erlösung – von vielleicht schwerem Leiden – dankbar annehmen. Häufiger kommt er zu früh, macht uns tief traurig oder lässt uns gar fassungslos zurück.

Dies greift unser heutiger Predigtabschnitt auf, wenn er von der Klage verzweifelter Eltern spricht, die ihr nur wenige Tage junges Kind begraben mussten oder von Erwachsenen, die mitten aus dem Leben gerissen wurden. Doch nicht nur diese schmerzhaften Erfahrungen greift Jesaja auf, sondern auch die Ängste vieler Menschen damals wie heute: In welche Zukunft hinein senden wir unsere Kinder? Ganz allgemein: Warum ist das, was wir zum Leben brauchen, so ungerecht verteilt? Warum gibt es so viel Ausbeutung? So viel Gewalt?

Und dann setzt Jesaja – oder vielleicht sind es auch Menschen, die seine Gedanken teilen, sozusagen seiner Glaubensschule entstammen – all diese Fragen in einen größeren Zusammenhang. Ich lese aus dem Buch nach dem Propheten Jesaja im 65. Kapitel:

Gott sagt: Alle Not wird vergessen sein, ich bereite ihr ein Ende. 17 Alles mache ich jetzt neu: einen neuen Himmel schaffe ich und eine neue Erde. Da sehnt sich niemand nach dem zurück, was früher einmal gewesen ist; keiner wird mehr daran denken. 18 Freut euch und jubelt ohne Ende über das, was ich nun schaffe! Ich mache Jerusalem zur Stadt der Freude, und seine Bewohner erfülle ich mit Glück. 19 Ich selbst will an Jerusalem wieder Freude haben und über mein Volk glücklich sein. Niemand wird mehr weinen und klagen. 20 Es gibt keine Kinder mehr, die nur ein paar Tage leben. Und keiner, der erwachsen ist, wird mitten aus dem Leben gerissen. Wenn einer mit hundert Jahren stirbt, wird man sagen: 'Er war noch so jung!' Selbst der Schwächste und Gebrechlichste wird ein so hohes Alter erreichen.21-22 Sie werden sich Häuser bauen und auch darin wohnen können. Sie werden Weinberge pflanzen und selbst den Ertrag genießen. Sie sollen sich nicht lebenslang mühen, nur damit andere den Gewinn davon haben. Alt wie Bäume sollen sie werden, die Menschen in meinem Volk; und den Lohn ihrer Arbeit selbst genießen! 23 Sie werden sich nicht vergeblich abmühen. Die Frauen gebären ihre Kinder nicht länger für eine Zukunft voller Schrecken. Sie sind mein Volk; ich segne sie; darum werden sie mit ihren Kindern leben. 24 Noch ehe sie zu mir um Hilfe rufen, habe ich ihnen schon geholfen. Bevor sie ihre Bitte ausgesprochen haben, habe ich sie schon erfüllt. 25 Wolf und Lamm werden dann gemeinsam weiden; der Löwe frisst Stroh wie das Rind, und die Schlangen nähren sich vom Staub der Erde. Auf dem Zion, meinem heiligen Berg, wird keiner mehr Böses tun und Unheil stiften. Ich, der Herr, sage es.


Ja, liebe Gemeinde, das sind wunderschöne Worte, Versprechen, deren Erfüllung wir gerne erleben würden – auch wenn manches ein wenig irritiert. Von einem neuen Himmel und einer neuen Erde ist da die Rede, die Gott selbst schaffen will und wo alle Not vergessen sein wird. Die Kindersterblichkeit liegt bei Null, und das glückliche Durchschnittsalter bei weit über hundert. Keiner wird mehr ausgebeutet und arbeitet nur, um die Reichen noch reicher zu machen, sondern jede Arbeit schafft die Grundlage für ein volles, schönes und erfülltes Leben. Alle Gewalt gehört der Vergangenheit an – selbst die Tiere werden einander nichts mehr antun, und alle, Mensch und Tier, werden eindeutig vegan leben.

Das klingt doch wirklich himmlisch, wenn da nicht doch noch der Tod im hohen Alter nach einem erfüllten Leben käme! Ist das jetzt der Himmel oder nicht?

Ja, von diesen Worten können wir vieles lernen. Da wird von einem 'neuen Himmel und einer neuen Erde’ gesprochen bzw. geschrieben, die Gott schaffen will. Und schon dieses hebräische Wort für “schaffen“ hat es in sich. “Bara“ = „schaffen” wird nur für das göttliche Schaffen benutzt. Kein Mensch, kein anderer Gott oder Götze, kann “bara” – nur Gott allein. Und zwar deshalb, weil Gott als absolut Einziger dafür nichts braucht, also keinerlei materiellen Stoff. Und auch der neue Himmel und die neue Erde werden demnach nicht aus der jetzigen Erde und dem jetzigen Himmel geschaffen, sondern sie werden eine völlig neue Schöpfung sein, gleichsam aus dem Nichts heraus.

Das kann uns unglaublich entlasten – in dem Sinne, dass wir nicht das Unmögliche möglich machen müssen. Gott schafft das, im Sinne von 'bara'. Aber wir dürfen das auf keinen Fall als Freibrief verstehen, der uns tun und machen lässt, was wir wollen. Denn Gottes Wille ist mehr als deutlich ausgedrückt: Jedes Lebewesen hat ein Recht auf Leben im guten und vollsten Sinn. Ausbeutung und gieriges Raffen auf Kosten irgendeines Lebewesens lassen sich mit Gottes Willen nicht in Einklang bringen! Gibt es dafür schönere Bilder als die von Wolf und Lamm, die von Stroh leben und sich friedlich nebeneinander damit begnügen! Und die Menschen leben in schönen Häusern, die ihnen gehören und jede und jeder hat einen eigenen Weinberg, ein Bild für Lebensfreude und Leichtigkeit.

Aber warum müssen wir in dieser schönen neuen und so friedlichen Welt, in der es keine Gewalt und keine Gemeinheiten mehr gibt, dann am Ende doch noch sterben? Ist es also noch gar nicht das „Paradies”? - Ja und nein.

Wir wissen, dass der Prophet Jesaja im achten vorchristlichen Jahrhundert gelebt hat. Also vor fast 3000 Jahren. Damals herrschte die Vorstellung, dass die Verstorbenen in einem 'Schattenreich', der 'Scheol', weiterleben. Allerdings ist das Wort “leben“ dafür eigentlich schon zu viel; denn es handelt sich um eine eher schattenhafte Existenz in Schwäche und Unwissenheit. Doch richtig zufrieden stellen konnte diese Überzeugung die Menschen damals nicht – und so begann, aufgrund der gelebten Gotteserfahrung, sich eine neue Überzeugung durchzusetzen, nämlich dass Gott die Toten aus dem Reich des Todes, der Scheol, herausrufen kann.

Es scheint jedoch, als hätten es gerade besonders gläubige Menschen schwer, neue Gedanken und Erfahrungen in ihr Denken aufzunehmen. Noch zu Lebzeiten Jesu gab es heftige Auseinandersetzungen, ob es eine leibhaftige Auferstehung der Toten gebe oder nicht. Jesus hat da absolut eindeutig positiv Stellung bezogen und später geht Paulus so weit, dass er schreibt:

Wir wollen euch aber, Brüder und Schwestern, nicht im Ungewissen lassen über die Verstorbenen, damit ihr nicht traurig seid wie die anderen, die keine Hoffnung haben. Denn wenn wir glauben, dass Jesus gestorben und auferstanden ist, so wird Gott auch die, die entschlafen sind, durch Jesus mit ihm führen. … Die Toten werden in Christus auferstehen. (1. Thess. 4)

Was wir lernen können und sollen: Unsere Gedanken über Tod und Leben und darüber, wie es weitergeht, sind abhängig davon, was unsere Umwelt denkt, weiß und glaubt. Bilder und Vorstellungen können sich wandeln – in der Zeitgeschichte und in der individuellen Lebensgeschichte. Doch das muss uns nicht bekümmern, denn Gott lässt uns gerne die individuelle und persönliche Freiheit, uns auszumalen, wie es einmal nach dem Tod weitergeht. Vor Gott zählt nicht, ob wir die richtigen Lehrsätze geglaubt und verteidigt haben. Er ist stattdessen daran interessiert, dass wir uns im Vertrauen für seine Nähe und Gegenwart öffnen. Bei Gott geht es immer um Beziehung, um Vertrauen und Gemeinschaft. Und da kennen wir uns ja wohl gut genug aus, um zu wissen, dass da Verschiedenheit erst den Reichtum ausmacht.

Wer mag und wen es tröstet, kann auch bei Paulus Anleihen machen und sehr abstrakt von dem reden, was nach dem Tod kommt. (z.B. 1. Kor. 15, 42ff)

Ich persönlich liebe das Bild des Jesaja von Wolf und Lamm, die einträchtig beieinander liegen. Es ist mir Trost und Ansporn zugleich, mich hoffend in Gott und einer Zukunft geborgen zu fühlen, die Frieden und Glück verheißt, für mich und für alle meine Lieben.

Amen

Und der Friede Gottes, welcher höher ist, als alles, was unsere Vernunft denken und sagen kann, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

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