Predigt vom Sonntag, 30. Juni 2019

Predigt zu Jesaja 55, 1-5; 2. Sonntag nach Trinitatis, 30. Juni 2019, 9.30 Uhr; Neuendettelsau, St. Laurentius; Pfarrerin Karin Lefèvre

Gott spricht:

1 Her, wer Durst hat! Hier gibt es Wasser! Auch wer kein Geld hat, kann kommen! Kauft euch zu essen! Es kostet nichts! Kommt, Leute, kauft Wein und Milch! Zahlen braucht ihr nicht!

2 Warum gebt ihr euer Geld aus für Brot, das nichts taugt, und euren sauer verdienten Lohn für Nahrung, die nicht satt macht? Hört doch auf mich, dann habt ihr es gut und könnt euch an den erlesensten Speisen satt essen! 3 Hört doch! Kommt zu mir! Hört auf mich, dann werdet ihr leben!

Ich will mit euch einen unauflöslichen Bund schließen. Die Zusagen, die ich David gegeben habe, sie sind nicht ungültig geworden: An euch werde ich sie erfüllen. 4 Ihn habe ich einst zum Herrscher über viele Völker gemacht, damit sie durch ihn meine Macht erkennen. 5 Auch durch euch sollen jetzt fremde Völker mich kennenlernen: Ihr werdet Völker rufen, die ihr nicht kennt; und Völker, die euch nicht kennen, werden begierig zu euch kommen, wenn sie sehen, was ich an euch tue. Denn ich, der heilige Gott Israels, euer Gott, bringe euch zu hohen Ehren.

Samariter in der Wüste,

Unter dieser Überschrift fand ich in einer christlichen Zeitschrift* einen Artikel, der von einem 36-Jährigen namens Scott Warren erzählt, der am Rande einer der gefährlichsten Migrationsrouten des amerikanischen Kontinents lebt. In der dortigen Sonora-Wüste mit Temperaturen, die tagsüber auf über 50 Grad steigen, wurden die sterblichen Überreste von mehr als 7000 Menschen geborgen. Sie sind bei dem Versuch, Krieg und bitterster Armut zu entkommen, verdurstet. Diese Verdursteten, das sind hauptsächlich Mittelamerikaner.

Zusammen mit anderen Mitgliedern der Vereinigten Unierten Kirche trägt Scott Warren Container mit Wasser, Konservenbüchsen mit Bohnen und Erste-Hilfe-Päckchen in die Wüste. Der Name der Gruppe – No More Deaths (frei ins Deutsche: Dem Sterben ein Ende). Der Name ist ihr Programm: Sie wollen Leben retten. Aber oft kommen sie zu spät. Jedoch nicht im Januar 2018. Da rettete Warren zwei junge Männer. Sie waren dehydriert, hungrig und erschöpft aus der Wüste gekommen. Sie hatten Blasen an den Füßen, einer hustete. Warren holte medizinischen Rat, versorgte die Männer mit dem Nötigsten und erlaubte ihnen, zu bleiben, um zu Kräften zu kommen.

Mehr als ein Jahr später, die beiden Mittelamerikaner sind längst abgeschoben, steht Warren in Tucson vor Gericht. Er ist angeklagt wegen illegaler Beherbergung und Fluchthilfe – Straftaten, die mit bis zu zwanzig Jahren Haft geahndet werden können. Die Vereinten Nationen und amnesty international appellieren, den Prozess einzustellen. Humanitäre Hilfe sei kein Verbrechen. Sie befürchten, dass auch Kirchengemeinden, Zufluchtsorte und Familien ins Visier der Justiz geraten könnten.

Es ist die Jury, die Warren vor dem Gefängnis bewahrt. Acht der zwölf Geschworenen halten ihn für unschuldig. Als er das Gericht verlässt, reagiert Warren so besonnen, wie er als Freiwilliger in der Wüste und als Lehrer an der State University of Arizona bekannt ist. Um klarzumachen, wie nötig humanitäre Hilfe in dieser Region ist, verweist er auf die 88 Paar Schuhe, die vor dem Gericht aufgestellt worden sind: 88 Migranten sind seit seiner Verhaftung in der Sonora-Wüste ums Leben gekommen.

Versuchen Sie noch einmal die Worte Jesajas mit den Ohren der Menschen zu hören, die in der Sonora-Wüste am Verdursten sind:

1 Her, wer Durst hat! Hier gibt es Wasser! Auch wer kein Geld hat, kann kommen! Kauft euch zu essen! Es kostet nichts! Kommt, Leute, kauft Wein und Milch! Zahlen braucht ihr nicht!

Ja, unser heutiger Bibelabschnitt ist ein großartiger Werbetext, in dem Gott selbst wirbt. Aber nicht, um uns teure Produkte zu verkaufen, sondern, um uns einzuladen und um uns zu verwöhnen. Gott, der aus der Fülle schöpft, möchte, dass wir an dieser Fülle teilhaben. Was ich jedoch besonders bemerkenswert finde, ist die Tatsache, dass sich Gott dabei nicht an die wendet, die – wie wir es gerne ausdrücken - treu in seiner Nachfolge stehen. Sondern er wendet sich an Menschen, die ihn vergessen haben, für die er keine Rolle spielt. Er wendet sich an die Menschen, die nach einem Sinn suchen und dabei viel Geld für das Falsche ausgeben. Er wendet sich an Menschen, die hoffen, dass sie glücklicher sind, wenn sie etwas erreicht haben werden, wenn sie im Lotto gewinnen und sich vieles leisten können. Er wendet sich an Menschen, die wirklich bereit sind, sich anzustrengen und einen hohen Preis dafür zu zahlen, dass sie etwas gelten und es zu was bringen, weil sie sich davon Glück und Sinn im Leben erwarten – und die es doch trotz aller Anstrengungen und bei allem Einsatz nicht finden.

Gott begegnet all diesen Versuchen weder mit harscher Kritik noch gar mit Verdammnis, sondern mit einer Einladung. Laut und klar ruft er uns zu: Versucht es doch mal ganz anders.

Scott Warren hat diese Einladung gehört und angenommen. Als Lehrer an einer Universität verdient er gewiss nicht wenig. Und Respekt und Anerkennung dürfte ihm auch zuteilwerden. Es gibt bestimmt viele Menschen, die von einem Leben, wie er es führt, träumen. Und die sich ausmalen, was sie dann alles damit anfangen würden.

Doch Scott Warren sagt: Mein Glaube zwingt mich, Menschen in Not zu helfen!“

Darum nimmt er sein Geld und kauft dafür Wasser und Nahrungsmittel und Erste-Hilfe-Päckchen und geht schwer bepackt in die glühend heiße Wüste auf der Suche nach hilflosen Migranten, die vor Hunger, Armut und Gewalt geflohen sind, und die jetzt in dieser Wüste am Verdursten sind.

2 Warum gebt ihr euer Geld aus für Brot, das nichts taugt und euren sauer verdienten Lohn für Nahrung, die nicht satt macht? Hört doch auf mich, dann habt ihr es gut und könnt euch an den erlesensten Speisen satt essen! 3 Hört doch! Kommt zu mir! Hört auf mich, dann werdet ihr leben!

Liebe Gemeinde, ich finde das im tiefsten Sinn des Wortes verrückt! Würde dieser junge Mann sein Geld verwenden, um wilde Partys zu organisieren, würde er von vielen beneidet und bewundert werden. Doch weil er Migranten in Not rettet, wird er vor Gericht gezerrt und mit bis zu 20 Jahren Gefängnis bedroht. Doch dabei bleibt er ganz ruhig und klar und antwortet still und leise mit einer kleinen Tat, die mehr sagt als tausend Worte und lauter spricht als wütende und hasserfüllte Hetze: Er lässt 88 Paar Schuhe vor das Gericht stellen – für die 88 Migranten, die seit seiner Verhaftung in der Wüste ums Leben gekommen sind.

Woher nimmt er die innere Ruhe und Kraft dafür? - Er bezieht sie aus seiner Gemeinde, der er sich angeschlossen hat. Dort haben sich Menschen zusammengefunden, die es Gott erlaubt haben, ihrem Leben eine neue Richtung und einen neuen Sinn zu geben. Sie haben sich mit hineinnehmen lassen in den Bund, den Gott bereits vor 3000 Jahren mit König David, einem Vorfahren Jesu, geschlossen hat. Und sie leben im Vertrauen auf das Versprechen, das Gott dabei gegeben hat:

5 Auch durch euch sollen fremde Völker mich jetzt kennenlernen: Ihr werdet Völker rufen, die ihr nicht kennt; und Völker, die euch nicht kennen, werden begierig zu euch kommen, wenn sie sehen, was ich an euch tue.

Scott Warren lebt in einem Land, das sich selbst gerne „God’s own Country“ nennt. Auf Deutsch: Gottes eigenes Land. Doch wenn Gott dann sein Versprechen wahr macht und Fremde kommen, möchten viele dort einen meterhohen Zaun bauen, um sie draußen zu halten.

Das ist bei uns nicht viel anders. Auch bei uns sind Hass und Gewalt eine reale traurige Gefahr für die, die sich für Minderheiten, für Verfolgte und für Flüchtlinge einsetzen.

Als Einzelne haben wir dem kaum etwas entgegenzusetzen. Doch als Gemeinschaft, in der wir einander immer wieder an Gottes Zusagen erinnern und uns ermutigen, aus der Kraft zu leben, die Gott uns schenken will, können wir Zeichen setzen. Ja, in dieser Welt haben wir Angst, aber Gott hat bereits deren Ursache überwunden. Gott verspricht: “3 Hört doch! Kommt zu mir! Hört auf mich, dann werdet ihr leben! … Ihr werdet aus der Fülle schöpfen, weil Gott die Fülle ist.“

Ich wünsche mir, dass wir einander ermutigen und auch andere dazu einladen und willkommen heißen.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist, als alles, was unsere Vernunft denken und sagen kann, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen

*entnommen aus: Publik Forum, Nummer 12, 21. Juni 2019, S. 9

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