Predigt vom 11. Sonntag nach Trinitatis, 1. September 2019

Predigt zu Hiob, 1-17 (Reihe I); 11. Sonntag nach Trinitatis, 1. September 2019, 9.30 Uhr; St. Laurentius, Neuendettelsau; Pfarrer Peter Schwarz

Es ist heute gerade 80 Jahre her, dass der Zweite Weltkrieg begonnen hat. Sechs Jahre lang tobte er und kostete Millionen Menschen das Leben. Millionenfach stiegen in diesen Jahren auch die Fragen zum Himmel: Warum all diese Not und die Qualen, die wir und andere erleiden. Aus Lagern und Luftschutzkellern, aus den Flüchtlingstrecks und den Schützengräben riefen Menschen ihre Not und Verzweiflung in den Himmel. Es ist die Fortsetzung ins Unendliche der verzweifelten Fragen, mit denen Hiob gerungen hat. Wir hören im 23. Kapitel des Hiobs-Buches in das Gespräch Hiobs mit seinem Freund Elifas von Teman hinein. Der hat auf seine Fragen und Klagen keine bessere Antwort gewusst als diesen Ratschlag: „Kehre doch um zum Allmächtigen, so wird es dir gut ergehen“ (vgl. Hiob 22). Kehre um zum Allmächtigen, so wird es dir gut ergehen - diese Worte treffen Hiob wie Ohrfeigen, ringt er in Wahrheit doch nicht mit diesem Freund, sondern mit Gott; bei IHM sucht Hiob Antwort auf seine brennenden Fragen.

Das ist das Erste und Wichtigste, das wir von Hiob wissen müssen: Er ist einer, der mit Gott ringt, weil ihn das Unglück im Übermaß getroffen hat. Die Hiobsbotschaften, die ihm eine Katastrophe nach der anderen verkündet haben, sind inzwischen bei uns sprichwörtlich geworden. Das Hiob-Buch zeigt ihn uns, wie er nun da sitzt in seiner Not und sich mit einer Tonscherbe den Aussatz von seiner Haut abschabt. Wie könnte er umkehren zu einem Gott, der in ihm nichts als Erschrecken hervorruft, weil er so tief verwundet und verletzt ist. Verwundet und verletzt an Seele und Leib, wie Hiob ist, wird der Ratschlag „Kehre um zum Allmächtigen, so wird es dir gut ergehen“ zu einem Schlag ins Gesicht. Ratschläge, und mögen sie noch so gut gemeint sein, können wirkliche Schläge sein - sie treffen und reißen neue Wunden. Daran erinnert uns Hiob, und das will uns vorsichtig werden lassen mit unseren Ratschlägen, wenn uns fremde Not begegnet.

Doch der verletzte und verwundete Hiob hält an Gott fest, ja er verteidigt ihn beinahe. „Er selbst würde schon Acht haben auf mich“ - Gott würde Acht haben auf mich, wenn ich ihn denn finden könnte. Hier bricht die ganze Sehnsucht heraus, die Hiob hat: Wenn ich nur Gott finden würde, dann könnte ich ihm sagen, wie‘s mir geht, was mich quält und wo ich mich unrecht behandelt und gestraft fühle. Dann würde sich alles klären und ich käme zu meinem Recht.

Das ist die starke Seite Hiobs: Er hört nicht auf, Gott zu suchen und nach ihm zu fragen. Seine Sehnsucht macht sich in immer neuen Klagen und Fragen Luft. Solange er atmet, muss er fragen und klagen und suchen. Und so bricht das Gespräch mit Gott und den Mitmenschen nicht ab. Fragen und Klagen und Suchen, darin zeigt sich eine Lebendigkeit, die vor dem Unverständlichen und Schrecklichen nicht einfach kapituliert. Er braucht es nicht, dass ihm jemand sein Leid erklärt. Er sucht ein Gegenüber.

Wie hilflos sind wir doch oft, wenn wir Menschen begegnen, die klagen und fragen und suchen. Wie Antworten geben, wenn in uns selbst doch nur Fragen sind? Nicht selten fühlen wir uns dabei selbst angegriffen, infrage gestellt in unserem Glauben. Da ist es gut, wenn wir einfach nur zuhören und dabei wissen: Die Klage und Anklage gilt nicht mir, sondern ist an Gott selbst gerichtet. Manchmal ist es Hilfe genug, wenn wir einfach zuhören, wenn wir die Klagen aushalten und nicht davonlaufen. Zuhören, aushalten, dass wir keine Antwort kennen. Zuhören und in Liebe beieinander bleiben, an der Seite des Anderen bleiben und miteinander das Leid aushalten, das ist Barmherzigkeit. Eine solche Barmherzigkeit kennt nicht immer die Antwort, sie verzichtet bewusst darauf, Gott in die Karten zu schauen und ihn zu erklären. Barmherzigkeit hält sich an den Mitmenschen – sie hält seine Klagen und Fragen einfach aus und trägt sie mit zu Gott im Gebet.

Ich mache einen Sprung hin zum Ende des Hiob-Buches: Da steht der erstaunliche Satz: „Ich kannte dich bisher nur vom Hörensagen, jetzt aber bin ich dir begegnet.“ Das sagt Hiob am Ende zu seinem Schöpfer: „Ich kannte dich bisher nur vom Hörensagen, jetzt aber bin ich dir begegnet.“ Nicht, dass seine Fragen beantwortet wären, nicht, dass das vergangene Leid ungeschehen und der erlittene Schmerz vergessen wäre. Aber: Ich bin dir, Gott, begegnet.

Was ist geschehen, dass es zu so einem Umschwung kommt? Hiob hat weiter geklagt, und seine Freunde haben keine Antwort gewusst. Hätten sie es gehalten wie am Anfang, als sie bei ihm gesessen sind und ihm einfach zugehört haben - sie wären klug geblieben. So aber sind sie zu hilflosen Helfern geworden.

Doch dann hat Gott selbst mit Hiob geredet. Sein Ringen mit Gott hat Hiob zu Gott geführt und hat ihn seine Stimme hören lassen. Niemand hat ihm sein Leid erklärt und das Rätsel der Ungerechtigkeit in dieser Welt gelöst. Aber sein Gott ist ihm begegnet. Ein Rätsel für uns.

Der amerikanische Mystiker Thomas Merton hat einen bemerkenswerten Satz über das Geheimnis des Leidens gesagt: „Nachdem das Leid gegen den Willen Gottes in die Welt gekommen war, hat er es zu einem Weg gemacht, ihm zu begegnen." - Das Leid wird zum Weg, auf dem Gott uns begegnet. Kein Rätsel, sondern ein Geheimnis: Gott begegnet im Leid. Ich kann nur staunend weitergeben, was Menschen erzählt haben, denen Gott im Leid begegnet ist. Im Luftschutzkeller oder auf der Flucht, im Lager oder Schützengraben. Kein Rätsel, sondern ein Geheimnis. Ja, in der Tat: DAS Geheimnis des Glaubens, denn Christus, der Gekreuzigte und Auferstandene, steht dafür ein. Er ist den Weg des Leidens gegangen und darin Gott begegnet. Er lädt uns ein, dass wir zu ihm kommen, mit unseren Fragen, unserem Klagen, unserem Suchen. Zu ihm dürfen wir kommen mit der eigenen Sehnsucht nach Antworten oder an der Seite von Fragenden, Klagenden und Suchenden - und jetzt an seinen Tisch. Er will uns begegnen.

Pfarrer Peter Schwarz

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