Predigt vom Sonntag, 10.03.2019

Predigt über Hebräer 4, 14-16 (Reihe I neu), Sonntag Invokavit, 10. März 2019, 9.30 Uhr, St. Laurentius, Neuendettelsau, Pfr. Schwarz

Zweimal sehen wir Jesus an diesem Sonntag Invokavit : Einmal in der Wüste, in die er vom Geist Gottes geführt und wo er vom Teufel versucht wird, und zum anderen hier im Hebräerbrief als Hohepriester, wie er den Himmel durchschreitet und für uns vor Gott tritt. Es ist derselbe Jesus: Der Versuchte und der, der für uns zu Gott geht und den Weg zu ihm frei macht.

Durch das Leben mit seinen Versuchungen und Fallen, durch Leid und Tod geht er und durchschreitet dann den Himmel und tritt vor den Thron Gottes. So macht er für uns den Weg frei. In den zwei kurzen Versen aus dem Hebräerbrief ist all das schon zusammengefasst, was wir uns in den Wochen bis Ostern vor Augen halten werden. Jesus und seinen Weg. Das wird neu gegenwärtig, wenn wir die Passionsgeschichten betrachten, wenn wir die Lieder singen und mit ihnen diesen Passionsweg meditieren. Das alles ist nicht eine Reise in die Vergangenheit, sondern ein Weg in die Zukunft: Wir sind eingeladen, dass wir uns aufmachen und freimütig vor Gott treten, damit wir Barmherzigkeit und Gnade finden. Das ist das Ziel, zu dem die 40 Tage bis Ostern führen: Der Weg zu Gott soll für uns frei werden, und wir sollen innerlich frei werden, das wir uns trauen, zu ihm zu gehen, weil wir wissen dürfen: Da erwartet uns Barmherzigkeit und Gnade, und wir werden Hilfe finden, die wir wirklich brauchen.

Am Anfang steht die Wüste. Dorthin, so haben wir es im Evangelium gehört, wird Jesus vom Geist geführt. Diese Wüste ist ein unbarmherziger Ort: Tagsüber glühend heiß, nachts eisig kalt, und tags wie nachts lebensfeindlich. Wüste mag aus der Distanz imposant und faszinierend erscheinen - ein erstrebenswerter Ort ist sie nicht. Hier geht es um das bloße Überleben. Wer durch die Wüste geht, für den geht es um Leben und Tod. Jesus stellt sich diesem Kampf ums Überleben in der Wüste. In drei Szenen spielt sich dieser Kampf ab. Der Kampf ums Brot, der Kampf um den richtigen Weg, der Kampf um das rechte Ziel. Dreimal wird er vom Versucher angegangen, dreimal widersteht er der Versuchung. Dabei kommt zu Vorschein, wovon er leben will und wovon wir leben sollen, nämlich von dem, was von Gott kommt und uns zu ihm führt. Dabei gelten keine billigen Tricks, keine feigen Ausflüchte, keine faulen Kompromisse. Die eigentliche Versuchung ist nicht der Hunger, ist nicht das Fliegen und nicht die Herrschaft über die Welt.

Die eigentliche Versuchung ist der Selbstbetrug. Dass ein Mensch nicht mehr wahrnimmt, dass ohne Gott auch ein satter Magen zuletzt unerfüllt bleibt, dass ohne Gottes Begleitung das Leben abstürzt, mag es auch äußerlich noch so erfolgreich sein, dass ohne die Ehrfurcht vor ihm jeder spirituelle und religiöse Weg sein Ziel verfehlt. Jesus ringt sich dazu durch, „in allen Dingen Gott zu suchen“ (Ignatius von Loyola) und nach seinem Willen zu fragen. Darum kann er dem Versucher widerstehen und lässt sich auch von seinen scheinbar frommen Sprüchen nichts vormachen. Er tut das für sich, und er tut das für uns.

Wir sollen die Kraft finden, festzuhalten am Bekenntnis - so sagt es der Hebräerbrief. Bekenntnis - damit ist nicht das Credo gemeint, das wir im Gottesdienst sprechen. Es ist nicht der Inhalt unseres Glaubens, sondern seine Ausdrucksform, eine Ausdrucksform. Es ist wichtig und richtig - doch für unseren Weg, für unsere Suche nach Gott ist viel entscheidender, dass wir nicht aufgeben, sondern auf dem Weg bleiben, auch wenn uns Antworten fehlen oder schwer fallen. Festhalten am Bekenntnis, das meint: Ich halte mich fest an der Hand dessen, der für uns den Weg zu Gott gegangen ist. Seine Hand führt mich, wo meine Schritte zaghaft sind. Seine Hand gibt Halt, wo der Boden unter den Füßen wegsackt.

Sein Gebet geht weiter, auch da, wo mir die Worte fehlen. Jesus ist der Versuchung ausgesetzt, aber er widersteht ihr und bleibt ohne Sünde. Geht das überhaupt, ohne Sünde leben? Kann ein Mensch denn alles richtig machen? Bei Christus, dem Sohn Gottes, können wir uns das vorstellen, aber bei uns? Darum ist es nicht verkehrt, wenn wir am Anfang der Fastenzeit fragen: Was eigentlich ist „Sünde“? Sind es die unzähligen kleinen, mittleren und großen Fehler, die ein Mensch im Lauf seines Lebens macht? Damit laden wir immer wieder Schuld auf uns - doch Sünde ist etwas anderes. Sünde kommt von „sondern“, sich von einem Menschen oder von Gott abwenden und dauerhaft trennen.

Wenn ein Mensch sich dauerhaft absondert von den anderen, dann läuft er hinein in die Sünde. Wenn einer Gemeinde, einer Kirche, einem Werk der Blick auf die Menschen verloren geht und sie den Kontakt zu ihnen verlieren, dann lauert die Sünde vor der Tür. Wir erleben es in diesen Tagen schmerzhaft, wie das dann ist, wenn solche Sünde ans Licht kommt. Die Botschaft des Evangeliums wird verdunkelt und das Engagement derer, die aufrichtig und mit Hingabe ihre Arbeit tun, wird infrage gestellt.

Wo wir den ehrlichen Blick auf uns selbst, auf unsere Mitmenschen verlieren, da lauert die Sünde. Derzeit will es scheinen, als wolle es kein Ende nehmen mit den Skandalen und Unehrlichkeiten, gleich ob wir in die Automobilbranche, den Leistungssport oder in den Bereich der Religion schauen. Und allenthalben die Versuchung und Versuche, zu beschönigen, zu beschwichtigen, zu vertuschen. Wo doch allein Wahrhaftigkeit frei machen und vor neuer Sünde bewahren würde.

Wahrhaftigkeit, das ist vielleicht ein moderneres Wort für „Freimütigkeit“. Dann klingt das wie ein Befreiungsschlag: „(...) lasst uns freimütig / wahrhaftig hinzutreten zu dem Thron der Gnade, auf dass wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden und so Hilfe erfahren zur rechten Zeit.“ So ein Befreiungsschlag lässt sich nicht anordnen und vorschreiben. Zur Wahrhaftigkeit führt keine Vorschrift, zu ihr kann nur eingeladen werden. Genauso verhält es sich mit der Barmherzigkeit und mit der Gnade. Zur Wahrhaftigkeit untereinander, zur Barmherzigkeit und Gnade Gottes können wir uns nur einladen lassen. Dorthin umzukehren, dass ist der Weg, der wegführt von der Sünde und hinein ins Leben.

Weil Jesus Christus, unser Hohepriester, diesen Weg für uns gegangen ist, ist der Weg für uns frei. Der Weg zu Gott ist frei, das steht über diesem Sonntag, das steht in diesem Raum, das wird anschaulich am Altar, wo wir die Versöhnung feiern, wo wir Barmherzigkeit und Gnade empfangen und die Hilfe, die wir heute brauchen.

Pfr. Peter Schwarz

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