Predigt vom Altjahresabend, 31.12.2019

Predigt zu Hebräer 13, 8-9b; Altjahresabend, 31.12.2019, 17.30 Uhr; St. Laurentius, Neuendettelsau; Pfarrer Oliver Georg Hartmann

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Lasst uns in der Stille um den Segen aus Gottes Wort bitten. Amen.

So steht geschrieben im Brief an die Hebräer im 13. Kapitel:

Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit. Lasst euch nicht durch mancherlei und fremde Lehren umtreiben, denn es ist ein köstlich Ding, dass das Herz fest werde, welches geschieht durch Gnade, nicht durch Speisegebote, von denen keinen Nutzen haben, die danach leben.

Der Herr segne sein Wort an uns allen. Amen.

Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder,

wie halten Sie es mit dem Silvesterabend? Gibt es da bestimmte Traditionen und Bräuche? Zinngießerei? Ein kräftiger Rausch? Ein großes Feuerwerk?

Ich muss gestehen, ich liebe das Feuerwerk und die sogenannte Böllerei.

Und kein Hinweis kann man mich davon abbringen. Der kleine Junge in mir braucht das. Lausbubenhaft einmal im Jahr richtig Krach machen und sich an den bunten Fontänen am schwarzdunklen Himmel erfreuen. - Ja, so begehe ich gern den Altjahresabend – oder, dem römischen Heiligenkalender entsprechend, eben: den Silvester.

Nun kann man bekanntlich so und so feiern. Und wir alle wissen, wo Chancen und Grenzen einer ordentlichen Feier gerade an Silvester liegen. Und doch scheint es, als würde am Jahresende noch einmal besonders über allerlei Sinn und Zweck des Lebens in seiner ganzen Breite debattiert und eben darum auch besonders begangen. Jahresrückblicke überall: Was ist letztes Jahr passiert? Gab es Krankheiten und Naturkatastrophen? Wer wurde geboren? Wer ist von uns gegangen? – Und damit verbunden die guten Vorsätze für das neue Jahr: Was muss anders werden? Was soll ich nun tun?

Das Bedenken des Jahreskreises kann dabei merkwürdige Früchte tragen.

Mancher ertränkt seine Ängste, Sorgen und Wünsche in der Bowle, ein anderer muss sie akustisch überspielen. Wieder andere gehören zur der Fraktion, die gleich den ganzen Tag negieren, das Feuerwerk verteufeln und wenigstens einmal im Jahr sehr früh zu Bette gehen.

Der Altjahresabend scheint herauszufordern. Irgendwie muss er begangen werden. Dabei ist der Altjahresabend ein ganz normaler Abend im Reigen des Jahres. Und trotzdem haftet an diesem Datum etwas, was zuweilen zu kurz kommt: Das Leben selbst. Und dieses, unser Leben, ist ausgespannt zwischen gestern und morgen, zwischen Erinnerung und Erwartung.

Und während der Zeiger unserer Uhr unaufhaltsam weiterrückt, fragen wir vielleicht: Was wird werden? Was wird bleiben? Wird sich ändern, was uns belastet? Wer weiß?

Lasst euch nicht durch mancherlei und fremde Lehren umtreiben, denn es ist ein köstlich Ding, dass das Herz fest werde, welches geschieht durch Gnade, nicht durch Speisegebote, von denen keinen Nutzen haben, die danach leben.

Dieses Wort gibt uns der Hebräerbrief an die Hand und steht heute über unserem Jahreswechsel: Lasst euch nicht durch mancherlei und fremde Lehren umtreiben.

Der Verfasser unseres Predigttextes hatte sicherlich die vielen Speisegebote und Tabus im Sinn, die auf bestimmte Nahrungsmittel und deren Genuss abzielten. Die Antike war voll von asketischen Bräuchen.

Aber nur die Antike?

Der Mensch ist seit jeher anfällig und sucht immer wieder in religiösen und pseudoreligiösen Vorschriften Schutz. Ganze Regale unserer Buchhandlungen werden mit Beratungsliteratur gefüllt. Was gibt mir Halt? Wie kann ich Fehler vermeiden? Was tut meinem Körper gut? Wie sieht ein besserer Lebenswandel aus?

Wie immer, wenn Menschen mit mancherlei Vorschriften und Ideen solcher Art konfrontiert werden, beginnen sie, sich „umtreiben“ zu lassen. Die Freiheit des christlichen Glaubens wird an dieser Stelle skeptisch. Die Freiheit des christlichen Glaubens bedeutet: Verabschiedet euch von der Illusion, als brauche es nur die richtige Strategie, um das Leben in den Griff zu bekommen.

Misstraut den einfachen Parolen, sei es „Ausländer raus!“ oder „Es ist alternativlos. So werden wir den Wandel in den Griff bekommen!“

Lasst euch nicht durch mancherlei und fremde Lehren umtreiben. Das gilt auch im Blick auf Profil und Konzentration, wo das Kino dem Kirchraum vorgezogen und ständig neue Gottesdienste gefeiert und ethische Programme installiert werden. Grüner Gockel und fairer Kirchenkaffee werden mit dem Evangelium verwechselt. Und das gilt ebenso für die Religion und den persönlichen Glauben, wo all das nur zur leicht zur Droge wird.

Glaube nur richtig, heißt es da; oder: Handle nur richtig, dann wird es schon.

Diese Sichtweisen haben keinen Anhalt an unserem heutigen Predigttext.

Kaum zu glauben und scheinbar höchst unzeitgemäß steht hier geschrieben: Unser persönliches Leben und das Überleben unseres Planeten hängen ausgerechnet daran, dass wir eben nicht alles im Griff haben oder im Griff haben können.

Die scheinbar so sinnvollen Regeln sind und bleiben ein Leerlauf, selbst wenn man immer wieder versucht, diesen Weg einzuschlagen. Das aber widerspricht der Absicht Gottes, die das Gnadengeschehen in den Mittelpunkt stellt. Das gilt für das persönliche Leben ebenso, wie für die Gesellschaft und gar unsere Kirche. Was wirklich im Leben zählt, ist das, was ich geschenkt bekomme und wie ich von diesem Geschenk lebe.

In aller Schärfe von solchem „Umhertreibenlassen“ durch mancherlei und fremde Lehren hebt sich der Blick auf Jesus Christus ab, von dem es heißt: Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit. Hier klingt das reine und pure Evangelium. Unser aller Geschenk. Hierin steckt die ewige Hoffnung, derer ich bedarf, um in den Stürmen des Lebens zu bestehen.

Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit. Wie der Gottesname bei Mose im Dornenbusch, Gott bleibt derselbe. In allem Wechsel der Generationen, trotz allen Sterbens der Mütter und Väter im Glauben, steht der Inhalt der Lehre und der Verkündigung fest.

Und dieser Christus schenkt sich auch heute. Er selbst nimmt mit seiner Gemeinde in der Heiligen Schrift und in den Sakramenten Verbindung auf. Er sucht mit uns das Gespräch; er redet mit uns und wartet auf eine Antwort.

Christus liegt in der Krippe und ich kann mich nicht satt sehen.

Bei ihm sind alle meine Erinnerungen und Hoffnungen gut aufgehoben. Ich darf sie vor der Krippe niederlegen. All die Verluste und Enttäuschungen ebenso wie die Bilder und Erfahrungen des Glücks.

Christus hängt am Kreuz und ich will hier bei dir stehen.

Bei ihm sind alle meine Fehler und Versäumnisse gut anvertraut. Gott ist auch dem Leiden nicht fern: Den Geschichten, die uns im Gestern festhalten. Die offensichtlichen, die uns andere zu Recht zum Vorwurf machen und auch die, von denen nur wir selbst etwas wissen.

Christus sitzt im ewigen Himmel und durch ihn [ist] der Himmel unser.

In Christus ist einer, der unsere Wünsche, Träume und Sehnsüchte kennt. In Christus sind aufgehoben unsere Gedanken und Irrtümer, angefangen bei denen, die wir für unser eigenes Leben haben, bis hin zu den großen Hoffnungen, die das Zusammenleben der Menschen und die Zukunft unseres Planeten betreffen.

Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit. Wir gehören Gott, der uns seine Treue fest versprochen hat.

Das will uns Hoffnung schenken. Hoffnung am Abend dieses Jahres und für das kommende Jahr. Denn mit Christus im Herzen kann ich richtig feiern und sogar mal einen über den Durst trinken, ohne ein schlechtes Gewissen zu bekommen.

Mit Christus im Herzen kann ich getrost über die Lausbubenstreiche der Nachbarskinder hinwegsehen. Mit Christus im Herzen kann ich freudig loslassen und zugleich das neue Jahr kräftig anpacken. Mit Christus im Herzen ist mir die Welt wichtig und nicht egal, wie unser Zusammenleben funktioniert.

Denn es ist ein köstlich Ding, dass das Herz fest werde, welches geschieht durch Gnade. Möge Gott uns allen immer wieder das Herz festmachen.

P Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

G Amen.

Verwandte und zitierte Literatur:

· Braun, Herbert: An die Hebräer (HNT 14), Tübingen 1984.

· Michel, Otto: Der Brief an die Hebräer (KEK 13), Göttingen 61966.

· Grässer, Erich: An die Hebräer (EKK XVII/3), Neukirchen-Vluyn 1997.

· Fechtner, Kristian: Silvester. The same procedure as every year, in: Valentin, Halloween & Co. Zivilreligiöse Feste in der Gemeindepraxis, hg. von Thomas Klie, Leipzig 2006, 224-245.

· Horn, Friedrich W.: Das feste Herz. Hebräer 13,8-9b, in: PSt(S) 2019/20 I, 80-83.

· Koeppen, Wolfhart: Ein festes Herz. Hebräer 13,8-9b, in: Homiletische Monatshefte 95 (2019), 89-97.

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