Predigt vom Sonntag, 26.05.2019

Predigt über 2. Samuel 22,30/Psalm 18; Sonntag Rogate, 26. Mai 2019, 9.30 Uhr; Reuth, Gottesdienst im Grünen; Pfarrer Dr. Peter Munzert

Kanzelgruß

Liebe Schwestern und Brüder,

es ist eines der schönsten biblischen Motive – „Mit meinem Gott springe ich über Mauern.“

Das sind phantastisch klingende, befreiende Worte. Sie sprechen vom Glauben, der Zuversicht und Kraft verleiht - Kraft, die es uns erlaubt, Mauern zu überwinden.

König David wird dieses Danklied zugeschrieben, nachdem Gott ihn vor seinen Feinden errettet und ihm Siege geschenkt hat. Vielleicht kennen Sie diese Worte auch aus dem 18. Psalm. Denn dort tauchen sie noch einmal auf.

Es gibt wohl keinen unter uns, der nicht schon einmal eine „Mauererfahrung“ in seinem Leben gehabt hat. Die Erfahrung einer großen Mauer, die den Horizont verdunkelt. Dass die Mauer den Durchgang blockiert, dass es auf einmal nicht mehr weitergeht. Es ist wie eine Blockade, nichts geht mehr.

Wir erfahren unsere Grenzen, unsere Ohnmacht, unsere Verzweiflung, dass es nicht mehr weitergeht.

1. Der erste Stein steht für die Mauern, die zwischen weit entfernen Menschen und Völker stehen. – Das Band des Glaubens führt uns nah zusammen.

Es ist schön, dass Sie aus Malaysia, als Vertreter internationaler Kirchen, heute hier sind. Der Glaube verbindet uns und führt uns zusammen. Geographisch sind wir weit voneinander entfernt, doch nicht im Glauben.

Es ist das Band der Liebe Jesu Christi, das uns zusammenhält. Ohne die Verbindung zu Jesus Christus wären wir nicht hier, würden wir nicht hier in Neuendettelsau zusammenkommen. Der Glaube ist für uns wie eine gemeinsame Sprache, die es uns erlaubt, miteinander zu sprechen und zu beten, füreinander da zu sein, auch wenn wir verschiedene Muttersprachen sprechen.

Und so überwinden wir mit Gottes Hilfe Mauern, die uns trennen. Wir dürfen heute gewiss sein, dass wir überall auf der Welt Christinnen und Christen treffen, dass wir das gemeinsame Band des Glaubens haben, dass es auch weitab von der Heimat Menschen gibt, die füreinander da sind, die füreinander beten. Wir erleben in fernen Ländern Gottesdienste, die eine bergende Heimat für uns sein können.

Gottes Wege sind vollkommen, des Herrn Worte sind durchläutert. Er ist ein Schild allen, die ihm vertrauen. (2.Sam. 22,31).

2. Die Mauer des Hasses und der Verfolgung reißt Menschen auseinander – der christliche Glaube steht für Versöhnung, nicht für Hass.

Warum hassen Menschen einander, wenn sie verschiedenen Kulturen angehören? Warum verfolgen Menschen, die verschiedenen Religionen folgen, einander und tun sich gegenseitig Gewalt an? Das ist weder nachvollziehbar noch zu rechtfertigen. Wir haben in den vergangenen Tagen und Wochen in Europa erlebt, wie mit Hass Wahlkampf gemacht wurde. Da werden Mauern zwischen Menschen hochgezogen. Und jede Mauer steht für den Abbruch von Miteinander und Dialog. Mauern an Landesgrenzen grenzen Menschen aus und verstellen ihnen die Fluchtwege in sichere Länder, die sie brauchen.

Unser Mitgefühl gilt auch den vielen Christinnen und Christen auf dieser Welt, die wegen ihres Glaubens selbst Opfer von Verfolgung sind. Krieg darf um Gottes Willen nicht sein.

Der christliche Glaube steht dafür, dass Gottes Liebe allen Menschen auf dieser Welt gilt, auch wenn sie anders denken, glauben oder fühlen wie wir. Wir grenzen nicht aus. Wir wollen, dass sich trennende Schranken öffnen und Menschen verbinden. Versöhnung statt Hass. Dafür stehen wir.

Gott ist mein Hort, auf den ich traue, mein Schild und Horn meines Heils, mein Schutz und meine Zuflucht, mein Heiland, der du mir hilfst vor Gewalt (2. Sam. 22, 3).

3. Die Mauern des Materialismus – Christinnen und Christen stehen für die gerechte Gemeinschaft aller. Sie stehen für das Teilen.

Was zählt im Leben? Was ist wirklich wichtig? Was gibt dem Leben Sinn? Der Materialismus strebt nach Abgrenzung und Absicherung. Jeder will seine Schäfchen ins Trockene bringen. Handelskriege bestimmen den politischen Alltag. Wegen der Gier nach Wirtschaftsressourcen werden Kriege geführt. Die Verteilung der Welt hat längst begonnen. Die großen Mächte sichern sich Rohstoffe und Ressourcen auf der ganzen Welt. Unsere Partnerländer in Afrika, Lateinamerika, Papua-Neuguinea oder Südostasien bekommen dies zu spüren.

Der Materialismus wehrt sich gegen Sozialität. Der christliche Glaube ruft uns in Erinnerung, dass in den Augen Gottes jeder Mensch gleich viel wert ist und jeder Mensch ein Anrecht auf die Ressourcen hat, die er oder sie zu einem guten Leben benötigt.

Menschen überwinden diese Mauern, indem sie mit anderen teilen. Das ist gut so. Sie wehren sich gegen die Privatisierung von Allgemeingut wie z.B. die Wasserversorgung oder den freien Zugang zur Natur. Ohne die Unterstützung von vielen Spenderinnen und Spendern könnten wir als Kirche viele soziale Projekte nicht verfolgen.

Zu den Heiligen bist du heilig, zu den Treuen bist du treu, zu den Reinen bist du rein… Denn du hilfst dem elenden Volk … (2. Sam. 22,26-28).

Die ersten Mauersteine waren etwas politscher, jetzt wird es persönlicher.

4. Menschen erleben Mauern des Scheiterns – doch der Glaube hilft uns auf zu einem Neubeginn

Niemand kommt durchs Leben, ohne dass er oder sie nicht einmal ordentlich scheitert. Das können persönliche Enttäuschungen sein, Trennungen von Partnerschaften oder Freunden, berufliche Mauern, die sich auftun, finanzielle Probleme, in die man hineingeraten ist oder andere Probleme, die einen bedrücken.

Es mag einem wirklich so vorkommen, als wäre man gegen eine Wand gelaufen und sei am Ende des Weges angekommen.

Und doch glaube ich, dass Gott uns immer wieder Türen öffnet oder - um im Bild der Mauer zu bleiben - auch hilft, diese widrigen Mauern zu überspringen. Jesus Christus lädt uns ein, zu ihm zu kommen. Wir sind nie ohne Fehler und Versagen. Wir laden Schuld auf uns. Und doch können wir durch die Liebe und die Vergebung Gottes immer wieder neu anfangen.

Er streckte seine Hand aus von der Höhe und fasste mich und zog mich aus großen Wassern (2. Sam. 22,17):

5. Krankheit und Leid lassen uns oft ohnmächtig werden und führen uns an die Grenzen unseres Lebens. – Aus dem Glauben kann ein Licht der Hoffnung erwachsen.

Schwere Krankheiten lasten schwer, besonders dann, wenn jemand mit dem Tod ringt oder gar viel zu früh verstirbt. Das raubt uns die Kraft und nimmt uns die Luft zum Atmen. Das gilt für Menschen, die selbst erkrankt sind, aber auch für die Partner, die Familie, die Freunde. Besonders schlimm wird’s meist dann, wenn man mitten im Leben oder gar in jungen Jahren mit einer schweren Erkrankung kämpfen muss und man einen langen Leidensweg vor sich hat.

Oftmals kennen wir keinen Grund für Krankheiten, auch nicht für den Tod. Wir finden keine Ursache oder eigene Schuld. Wir laufen mit unseren Fragen wie gegen eine Wand, weil wir keine befriedigende Antwort kriegen. Wir erfahren Ohnmacht, Frustration und viel Schmerz.

Der christliche Glaube wischt das nicht weg. Der Schmerz bleibt. Aber Gott zündet ein Licht in uns an und hilft uns, im Dunkeln zu sehen, Antworten zu suchen und weiterzugehen, wo der Weg vor uns verborgen ist.

Ja, du, Herr, bist meine Leuchte; der Herr macht meine Finsternis licht (2. Sam. 22, 29).

6. Der Tod kommt wie eine Ende - und doch ist er neuer Anfang.

Die letzte Station in unserer Lebensreise ist der Tod. Er begrenzt unser irdisches Leben. Manchmal mag es uns vorkommen, als wäre der Tod eine unüberwindliche Mauer. Eine Mauer, die das irdische Leben einengt und alle unsere lieben Verstorbenen aus unserer Mitte reißt.

Es ist unsere christliche Zuversicht, dass mit dem Tod eben nicht alles zu Ende ist. Gott hält uns und bewahrt uns bergend in seiner Hand. Wir sind im Glauben fest mit allen verbunden, die vor uns verstorben sind oder nach uns sterben werden.

Dieser Mauerstein steht für den Tod, den wir erleben, für das Ende allen irdischen Lebens. Aber gleichzeitig ist er doch nicht das Ende, sondern ein neuer Anfang. Er steht für das ewige Leben. Für die Unendlichkeit bei Gott. Für die Geborgenheit, die er uns schenkt.

Des Totenreichs Bande umfingen mich, und des Todes Stricke überwältigten mich. Als mir angst war, rief ich den Herrn an und schrie zu meinem Gott. Da erhörte er meine Stimme von seinem Tempel, und mein Schreien kam vor ihn zu seinen Ohren (2. Sam. 22,6+7).

Der Glaube ist eine ungeahnte Kraft. Er vermag uns wirklich auf eine gute Flughöhe zu bringen, damit wir mit seiner Kraft Hindernisse im Leben durchleben und überschreiten können.

Hass, Scheitern, Materialismus, Krankheit, Leid, Tod – das steht uns oft im Weg. Aber es kann uns von der Liebe Gottes nicht wirklich trennen.

Amen.

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