Predigt vom Karfreitag, 10. April 2020

Predigt zu 2. Korinther 5, 16-20; Karfreitag, 10. April 2020, 9.30 Uhr; St. Laurentius, Neuendettelsau; Pfarrerin Karin Lefèvre

Liebe Gemeinde,

heute am Karfreitag erinnern wir uns in besonderer Weise an das Leiden und Sterben Jesu. So wie wir das an einem jeden Karfreitag tun. Und doch ist es dieses Jahr anders. Viele von Ihnen, die jetzt an den Übertragungsanlagen zuhören, haben die letzten Wochen in großer Einsamkeit verbracht, die Ihnen unsere Regierung auferlegen musste, um zu verhindern, dass die weltweite Seuche, die Pandemie, noch mehr Opfer fordert.

Wenn Jesu Leiden und Sterben auch etwas mit uns hier und heute zu tun hat, dann möchten wir auch wissen, wo und wie dieses Corona-Virus da hineinpasst!

Oder anders herum – so erlebe ich es zur Zeit: Meine Ängste vor dem Virus und das tägliche Erleben, wie sich mein Alltag komplett geändert hat, lässt viele bekannte biblische Texte ganz neu zu mir sprechen. Und das möchte ich gerne mit Ihnen teilen.

Ich lese aus dem 2. Korintherbrief, Kapitel 5:

16 Wir beurteilen niemanden mehr nach menschlichen Maßstäben; und auch wenn wir Christus früher auf solche Weise beurteilt haben, so beurteilen wir ihn doch jetzt anders. 17 Darum: Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Schöpfung; das Alte ist vergangen, siehe, ein Neues ist geworden. 18 Aber das alles kommt von Gott, der uns durch Christus mit sich selbst versöhnt hat und uns das Amt anvertraut hat, das die Versöhnung predigt. 19 Denn Gott versöhnte in Christus die Welt mit sich selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht an und hat unter uns das Wort von der Versöhnung ausgerichtet. 20 So sind wir nun Botschafter an Christi statt, denn Gott ermahnt durch uns. So bitten wir nun an Christi statt: Lasst euch versöhnen mit Gott! Denn er hat den, der ohne Sünde war, für uns zur Sünde gemacht; damit wir in ihm die Gerechtigkeit werden, die vor Gott gilt.

Es geht um ein Dreifaches:

- Erstens hat Paulus einen neuen Maßstab bekommen, der ihm Christus in einem ganz neuen Licht zeigt.

- Zweitens geht damit einher, dass alles, aber auch wirklich alles, vollkommen anders und neu geworden ist. Nichts ist beim Alten geblieben.

- Drittens macht dies Paulus zu einem Botschafter Christi mit der Aufgabe, Versöhnung zu stiften.

Was ist dieses Alte, das für Paulus vergangen ist? Daran schließt sich eine andere wesentliche Frage an: Leben wir noch in diesem Alten? Oder ist es auch für uns neu geworden?

Die Frage darauf führt auf einem kleinen, aber wichtigen Umweg zu Martin Luther. Da er erleben musste, wie allzu eifrige Bilderstürmer unendlich wertvolle Kunstwerke in Kirchen zerstörten, ließ er bei der Formulierung der 10 Gebote im kleinen Katechismus das biblische zweite Gebot aus: Du sollst dir kein Bildnis machen noch irgendein Gleichnis, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden …. Bete sie nicht an und diene ihnen nicht. (2.M.20)

Das Judentum gehört zu den Religionen, die dieses Gebot sehr ernst nehmen. Und schon Paulus war einer der eifrigsten. Und doch – oder vielleicht sogar deshalb - ist ihm das zum Fallstrick geworden. Er hatte, wie alle seine Zeitgenossen, ein sehr genaues inneres Bild davon, wie der kommenden verheißene Messias (griech. Christus) sein würde.

Doch Jesus verstieß so konsequent gegen diese inneren Bilder und Vorstellungen, dass Ablehnung und Hass – natürlich im Namen Gottes und zu seiner Verteidigung – überhandnahmen.

Gott hat uns Menschen nach seinem Bild geschaffen. Doch wir kehren das um und schaffen uns ein Bild von Gott, das fast alle unsere menschlichen Züge trägt.

Wir sind schnell beleidigt und werden zornig und schlagen dann um uns und auf andere ein, mit Worten und mit Taten. Und für viele, für zu viele, ist Gott genauso. Er ist zornig über die böse sündige Menschheit und bestraft sie. Was wiederum dazu führt, dass auch wir uns als seine Ebenbilder dieses Recht nehmen – in der Familie, im Freundeskreis, in der Gesellschaft und in der Politik.

Die Todesangst und die Qualen, die Jesus ertragen musste, die haben seitdem Abermillionen von Menschen auch immer wieder erlitten. Und nicht selten haben „Christen“ ihnen das zugefügt. Im Zweiten Weltkrieg wurden durch direkte Kriegseinwirkung ca. 60-65 Mio. Menschen getötet. Werden die, die an den Kriegsfolgen starben, mit eingerechnet, dann waren es gut 80 Mio.

Und der Krieg ging vom Land der Reformation aus – kaum eine christliche Stimme erhob sich dagegen.

GOTT WILL DAS! - Dieser Satz zieht sich durch die gesamte Kirchengeschichte bis in die heutige Zeit hinein. Gott will das! Diese Behauptung wird dabei auf die abscheulichsten Verbrechen bezogen. Aber dafür mit tiefster Überzeugung hervorgebracht und in der Meinung, Gott damit einen Dienst zu erweisen.

Wenn wir allzu schnell dabei sind, alles Schlimme auf den Willen Gottes zurückzuführen – und sei es als Strafe für die böse und sündige Welt – dann, ja dann müssten wir wohl auch in der gegenwärtigen Pandemie ein göttliches Strafwalten sehen.

Gnade uns Gott, im tiefsten Sinn, wenn sich das durchsetzen sollte. Zurecht werden sich dann viele enttäuscht von uns als Kirche abwenden. Lasst euch versöhnen mit Gott! Denn das Neue kommt von Gott, der uns durch Christus mit sich selbst versöhnt hat.

Was ist das Neue? Es ist das, was im griechischen Neuen Testament „Metanoia“ genannt wird: nämlich ein totales Umkrempeln von allem, was verdreht und falsch ist.

Nicht Gott zürnt uns, wir zürnen Gott.

Wir zürnen Gott, wenn nicht alles nach unseren Vorstellungen verläuft.

Wir zürnen Gott, wenn Schmerzen und Leiden unser Leben niederdrücken.

Wir zürnen Gott, weil er nicht alles gut macht, was wir aus Neid, Gier, Gedankenlosigkeit und Hass verbocken und zerstören.

Wir sind die großen Verdreherinnen und Verdreher der Wahrheit! Wir produzieren und verkaufen z.B. Waffen, obwohl Jesus befohlen hat, das Schwert einzustecken und unsere Feinde zu lieben. Er, der Legionen von Engeln zu seiner Verteidigung hätte rufen können, lässt sich ohne Widerstand festnehmen. Ja, er heilt auch noch das Ohr eines Soldaten, der ihn festnehmen will.

Lasst euch versöhnen mit Gott!

Christus ist gekommen und hat Kranke geheilt.

Christus ist gekommen und hat Ausgestoßene zurück in die Gemeinschaft geführt.

Christus ist gekommen und hat sein Sterben als ein Zeichen der Liebe verstanden und erklärt: Keiner hat größere Liebe als der, der sein Leben gibt für seine Freunde. Ihr seid meine Freunde und Freundinnen.

Das ist die vollkommene Erneuerung von allem! Und wir sollen da mit hineingenommen werden. Wir sollen ein Teil dieser neuen Schöpfung sein.

Am Karfreitag hat Gott alle unsere Vorstellungen von sich selbst durchkreuzt. Und auch das ist ein Zeichen der Liebe Gottes, dass dies nicht unvorbereitet und aus heiterem Himmel heraus geschah, sondern schon lange vor der Zeit Jesu von den Propheten angekündigt worden war: Unser altes, kaltes Herz soll von Gott gegen ein warmes, mitfühlendes und liebendes Herz ausgetauscht werden. So hatten es bereits Jeremia und Hesekiel angekündigt.

Erlauben wir also Gott an diesem besonderen Karfreitag, dass er unsere Herzen erschüttert darüber, wozu wir Menschen fähig sind. Erlauben wir es ihm, uns ein neues Herz zu geben, damit wir die Botschaft der Versöhnung zuerst selbst leben und so auch andere berühren können.

Gott will uns verwandeln. Wir sollen neue veränderte Maßstäbe bekommen. Wir sollen heil werden und als mit Gott und der Welt Versöhnte Liebe und Versöhnung in die Welt tragen – mit dem neuen Maßstab der Liebe. Der Liebe, die stärker ist als jedes Virus, ja stärker als der Tod selbst, und die nichts und niemanden erschüttern kann, wenn wir es Gott erlauben, sie fest in unsere Herzen einzupflanzen. Getragen von so einer Liebe, mit der Gott uns innerlich verwandelt, können wir in diesen Tagen andere Menschen ermutigen, trösten, können teilen, füreinander sorgen und so selbst zu Botschafterinnen und Botschaftern der Liebe Gottes werden.

Amen

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alles, was unsere Vernunft denken und sagen kann, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

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