Predigt vom Sonntag, 28.04.2019

Predigt zu 1. Petrus 1, 3-9; Sonntag Quasimodogeniti, 28. April 2019, 9.30 Uhr; St. Laurentius, Neuendettelsau; Georg Jakobsche

Liebe Gemeinde,

kennen sie solche Parolen wie: „Du musst nur an Jesus glauben, dann wird alles gut. Glaub‘ fest an Gott, und alle deine Probleme werden sich in Luft auflösen, oder du wirst alle deine Probleme in den Griff bekommen. Jesus ist die Lösung aller Probleme, schau in die Bibel und glaube die Worte Gottes!“

Ich weiß nicht, wie es Ihnen beim Hören solcher Parolen geht. Ich kann Ihnen nur sagen, wie es mir dabei geht:

Erstens: Ich fühle mich massiv unter Druck gesetzt, weil ich nicht glaube, dass der Glaube an Jesus so einfach alles in Luft auflöst, was schwierig ist in meinem Leben.

Zweitens: Ich fühle, dass mir dabei die Leichtigkeit und die Freiheit abhanden kommt, die ich aus der Botschaft Jesu für mein Leben abgeleitet habe, die Freiheit, mit der Jesus die Sünderin vor der Steinigung rettet, und die Leichtigkeit, mit der er Zachäus in die Gesellschaft aufnimmt und integriert.

Und schließlich drittens: Ich fühle mich bei solchen Botschaften moralisch schlecht, weil ich, ähnlich dem Thomas des heutigen Evangeliums, der reinen Form des Glaubens, die hier impliziert ist, offensichtlich nicht gewachsen bin.

Liebe Gemeinde,

der Abschnitt zur Predigt, der dem ersten Petrusbrief entnommen ist, tut mir gut. Er beruhigt mich in dieser Frage, denn mit seiner Unterstützung möchte ich sagen: Solche Antworten sind einfach, sie sind zu einfach und in gewisser Weise auch gefährlich einfach.

Aber warum, werden sie jetzt vielleicht fragen, warum sind diese Antworten zu einfach, sie erklären sich doch selbst und sind doch eindeutig?

Solche Antworten sind zu einfach, weil sie das Leben nicht ernst nehmen. Auch wenn wir erlöste und befreite Menschen sind, gilt für uns, wie der erste Petrusbrief sagt: Ich bin befreit und wiedergeboren zu einer lebendigen Hoffnung und ich muss mich jetzt bewähren in diesem Leben, das natürlich auch geprägt ist von Last, Mühsal und Trauer über die Verluste, die ich zwangsläufig erleide.

Da kommt beim einen vielleicht die depressive Grundstimmung zum Vorschein, die ererbt wurde oder sich halt durch die Lebensumstände entwickelt hat, und diese ist eben nicht einfach so wegerlöst!

Da kommen vielleicht die zwischenmenschlichen Schwierigkeiten wieder, die ich mit bestimmten Menschen habe und die sich immer wieder aufschaukeln, Erlösung und Ostern hin oder her!

Schon Martin Luther hatte mit solch einfachen Antworten zu kämpfen, die aus der biblischen Botschaft herausgelesen wurden und die doch nicht für das Leben taugten, und er musste sich vorwerfen lassen, dass er nicht gemäß der biblischen Botschaft lehrte und predigte, weil er solche Antworten anprangerte. Und da geht es mir selbst auch wie Luther: Ja, das tut schon weh, wenn man im Letzten des Unglaubens bezichtigt wird, weil man der Versuchung der einfachen Antwort widerstanden hat.

Einfache Antworten haben etwas Bestechendes, und wir können auch in der Politik unserer Tage eine wahrhafte Renaissance solcher einfachen Antworten erleben. „America first“ oder „Geld für die Oma statt für Sinti und Roma“, wie ich es gestern auf einem Wahlplakat gelesen habe, und viele andere mehr. Ich will hier nicht spalten und nicht politisch agieren. Ich will sogar anerkennen, dass hinter all diesen Parolen handfeste Ängste und Erfahrungen stecken, die vielleicht auch nicht ernst genug genommen worden sind, aber die Parolen und die Antworten sind bestechend einfach und gefährlich, weil sie das Leben in seiner Komplexität nicht ernst nehmen, und sie sind gefährlich, weil sie letztendlich schuldzuweisend sind und nicht lösungsorientiert.

Das schrecklichste und gleichzeitig bekannteste Ereignis unserer Zeit, das sich auf einfache Antworten aus dem Glauben in Verbindung mit Manipulation von Menschen stützte und immer noch stützt, ist der sogenannte Islamische Staat. Viele orientierungslose vor allem junge Menschen sind für den IS im Namen Gottes in den Krieg gezogen, wurden und haben sich selbst radikalisiert, haben die schöpferische und Halt gebende Seite des Glaubens aufgegeben bzw. wahrscheinlich auch nie erfahren und sind der Idee des Auslöschens des Bösen verfallen, einer Idee, die auch in unserer christlichen Tradition vorhanden ist und im Laufe der Geschichte immer wieder für viel Unheil gesorgt hat.

Einfache Antworten aus dem Glauben sind wahrscheinlich auch deshalb so gefährlich, weil sie versuchen, Sicherheit zu vermitteln, sie hinterlassen das Gefühl, auf der Seite der Guten zu stehen, und ermächtigen zum Kampf gegen die anderen, die ja schließlich die Bösen sein müssen, weil sie anders denken und anders sind. Die Christen in Sri Lanka haben an Ostern die Folgen solcher einfachen Antworten blutig zu spüren bekommen.

Wir sind durch den Tod Jesu wiedergeboren zu einer neuen Hoffnung, heißt es in unserem Abschnitt des Petrusbriefes, und das bedeutet für mich: Wir brauchen den Bedrängnissen des Alltags nicht die Absolutheit zuzuweisen, denn sie sind nicht absolut. Eine Krankheit wird nur dann absolut und bestimmend für mein Leben, wenn ich diese als absolut zulasse, sie bleibt vergänglich, so wie mein Körper auch. Dass ich immer die Kraft haben werde, das so zu sehen, wenn es mich betrifft, bleibt ein Wunsch und ist keineswegs gewiss.

Ein Streit wird nur dann lebensbestimmend, wenn ich es zulasse, er ist an sich vergänglich, wie mein Leben auch.

Diesen Prozess des Lebens auf Hoffnung hin nennt der erste Petrusbrief eine Läuterung, eine Läuterung die uns verändert, die unsere Einstellung zum Leben in befreiender Weise verändert. Am Ende des Prozesses, der etwas kostbareres als Gold hervorbringen will, ein Veränderungsprozess, der unser Leben veredeln will.

Die heutige Epistel erinnert mich an ein Erlebnis aus meiner Zeit als Zivildienstleistender vor ziemlich genau 30 Jahren. Ich war bei einer Sozialstation des Caritasverbandes Bamberg im mobilen sozialen Hilfsdienst tätig und hatte dort mit vielen MS-kranken Menschen zu tun. Ich habe von totaler Selbstaufgabe auf der einen Seite bis hin zu einem hochehrenwerten Umgang mit sich, seiner Welt und der Krankheit alles erlebt, was man sich nur vorstellen kann. In Erinnerung blieb mir vor allem eine Frau, die seit weit über 15 Jahren an der Multiplen Sklerose erkrankt, inzwischen fast 70-jährig, ihren Haushalt mit Unterstützung einer Reinemachekraft so stilvoll führte, wie es mir selbst bei vollster Gesundheit nicht möglich ist, und dabei noch ihren zehn Jahre älteren, an Alzheimer erkrankten Mann beaufsichtigte und pflegte. Darüber hinaus hatte sie für mich, der ich zu ihrer Unterstützung zeitweise da war, immer ein offenes Ohr und war nie aufdringlich, aber immer interessiert. Einfache Antworten auf Fragen des Lebens, die wir gemeinsam immer mal wieder diskutierten, hatte sie nie. Sie war eine der beeindruckendsten Frauen, die mir in meinem Leben begegnet sind.

Wenn der erste Petrusbrief sagt: „Dann werdet ihr euch freuen, die ihr jetzt eine kleine Zeit, wenn es sein soll, traurig seid in mancherlei Anfechtungen, auf dass euer Glaube sich bewährt und viel kostbarer befunden werde als vergängliches Gold, das durch Feuer geläutert wird, zu Lob, Preis und Ehre, wenn offenbar wird Jesus Christus“, dann muss ich an diese Frau denken, die heute sicher nicht mehr lebt und die das erreicht hat, was unser Predigttext als Ziel verheißt: unaussprechliche Freude, der Seelen Seligkeit.

Liebe Gemeinde, wir sind neugeboren auf Hoffnung, das Alte wird uns weiter plagen, doch es ist vergänglich und es zählt das, was unvergänglich ist. Diese Antwort ist nicht einfach und sie muss auch ausgehalten werden, weil sie eben nicht den Himmel jetzt und sofort verheißt, sondern Läuterung, das Leben als einen Prozess der Läuterung, bei dem es hoffentlich gelingt, ein bisschen von dem zu erlangen, was kostbarer ist als Gold.

Manchmal ist dieser Prozess der Läuterung sehr hart und erscheint uns sinnlos, wenn nicht sogar brutal. Dies muss dem Verfasser des ersten Petrusbriefes klar gewesen sein, denn er spricht von Anfechtungen, die es zu bestehen gilt, und Anfechtungen verheißen nichts Gutes.

Das ist die Spannung, die der erste Petrusbrief aufmacht und klar benennt: Wir sind wie neu geboren, quasimodogeniti, auf Hoffung geboren, nicht der Hoffnungslosigkeit ausgeliefert und doch dem Leben und seinen Gesetzmäßigkeiten unterworfen.

Nein, das ist keine einfache Antwort, kein Slogan, mit dem sich Massen gewinnen und inspirieren lassen, aber sie nimmt das Leben ernst, meines und Ihres, und sie sagt mir zu, dass ich wie neugeboren bin durch Ostern. Neugeboren, aber auf Hoffnung hin.

Amen 

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