Predigt vom 14. Sonntag nach Trinitatis, 22.09.2019

Ansprache zum 1. Buch Mose, Kapitel 28, 10-19; 14. Sonntag nach Trinitatis, 22. September 2019, 9.30 Uhr; St. Laurentius, Neuendettelsau; Georg Jakobsche

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen

Hören wir zunächst das Wort Gottes aus dem 1. Buch Mose im 28. Kapitel, das heute zur Auslegung ansteht:

10 Aber Jakob zog aus von Beerscheba und machte sich auf den Weg nach Haran

11 und kam an eine Stätte, da blieb er über Nacht, denn die Sonne war untergegangen. Und er nahm einen Stein von der Stätte und legte ihn zu seinen Häupten und legte sich an der Stätte schlafen.

12 Und ihm träumte, und siehe, eine Leiter stand auf Erden, die rührte mit der Spitze an den Himmel, und siehe, die Engel Gottes stiegen daran auf und nieder.

13 Und der Herr stand oben darauf und sprach: Ich bin der Herr, der Gott deines Vaters Abraham, und Isaaks Gott; das Land, darauf du liegst, will ich dir und deinen Nachkommen geben.

14 Und dein Geschlecht soll werden wie der Staub auf Erden, und du sollst ausgebreitet werden gegen Westen und Osten, Norden und Süden, und durch dich und deine Nachkommen sollen alle Geschlechter auf Erden gesegnet werden.

15 Und siehe, ich bin mit dir und will dich behüten, wo du hinziehst, und will dich wieder herbringen in dies Land. Denn ich will dich nicht verlassen, bis ich alles tue, was ich dir zugesagt habe.

16 Als nun Jakob von seinem Schlaf aufwachte, sprach er: Fürwahr, der Herr ist an dieser Stätte, und ich wusste es nicht!

17 Und er fürchtete sich und sprach: Wie heilig ist diese Stätte! Hier ist nichts anderes als Gottes Haus, und hier ist die Pforte des Himmels.

18 Und Jakob stand früh am Morgen auf und nahm den Stein, den er zu seinen Häupten gelegt hatte, und richtete ihn auf zu einem Steinmal und goss Öl oben darauf

19 und nannte die Stätte Bethel

Liebe Gemeinde,

Als ich vor ungefähr zehn Jahren zum ersten Mal in der Evangelischen Fachakademie vorstellig wurde und für das Fach Religionspädagogik vorsprach - der Inhaber der Stelle war akut und längerfristig erkrankt - erzählte mir die damalige Schulleiterin, eine im Glauben fest verwurzelte evangelische Christin, etwa Folgendes: „Als Kind war ich immer neidisch auf meine katholischen Freundinnen, denn die hatten Engel. Engel, die auf sie aufpassten und Engel, die sie Gott näher brachten, und ich fand es immer schade, dass wir evangelischen Kinder keine Engel hatten.“

Liebe Gemeinde, im heutigen Predigttext begegnen uns solche Engel, die Gott näher bringen können, Engel, die, wenn man genau hinschaut, nicht einmal wirklich etwas tun, Engel, die gar keine wirkliche Funktion zu haben scheinen, denn unten an der Leiter liegt Jakob, träumt von diesen Engeln, die auf- und absteigen, die aber doch, und das ist nun ihre Funktion, eine Verbindung herstellen zwischen dem Menschen Jakob, dem Träumer, und Gott, der am oberen Ende der Leiter, da wo sie den Himmel berührt, steht und mit Jakob die Kommunikation aufnimmt.

Ja, liebe Gemeinde, ich finde die Vorstellung der Schulleiterin von damals genauso wie das Bild von der Himmelsleiter, das diese Geschichte von der Erscheinung Gottes geprägt hat, eigentlich naiv, so dass selbst Gott mit seiner großen Verheißungsrede und seinem Gelübde ein wenig hinter diesem Bild zu verschwinden droht.

Ist dieses Bild wirklich naiv oder ist es großartig in dieser Naivität? Ist es großartig, weil es unverstellt und nicht verkopft ist? Ist es vielleicht deshalb so sehr im Gedächtnis sowohl der Juden als auch der Christen fest verwurzelt, weil es bildhaft und daher greifbar ist?

Sollte man es vielleicht besser ignorieren, um zum Kern - der Zusage Gottes an Jakob - zu kommen?

Ich persönlich denke, man muss es würdigen: Die Engel, die eine Verbindung zwischen Jakob und mir als Menschen herstellen, die Engel, die Gott gewissermaßen sichtbar und greifbar machen, wenn auch nur für einen Moment, sie haben einen Wert für sich, eben weil sie Gott erfahrbar machen, sichtbar, erreichbar, wenn auch nur für die Länge eines Traumes.

Ja, liebe Gemeinde, wenn ich ehrlich bin, dann sehne ich mich auch nach einem Gott, der greifbar ist, wenn auch nur für einen Moment.

Ja, ich sehne mich nach einem Gott, der Gestalt annimmt, und auch nach einem Menschen, der mir begegnet, der zum Engel wird, weil er mich an das Geheimnis Gottes in meinem Leben erinnert.

Ja, ich sehne mich nach einem Engel, und kann dabei die Schulleiterin von damals gut verstehen, ich sehne mich nach einem Engel, der mir die Leiter zeigt, auf der Gott auf mich wartet.

Ja, es ist naiv - und es tut doch gut, und irgendwie scheint das immer auch so gewesen zu sein, denn die Geschichte hat als „Himmelsleiter“ oder „Jakobs Traum von der Himmelsleiter“ in den Herzen der Menschen Einzug gehalten und nicht etwa als die Erscheinung Gottes bei Bethel, was doch den eigentlichen Kern der Geschichte ausmacht.

Glaube hängt offensichtlich eben nicht nur an logisch nachvollziehbaren Glaubenssätzen, Glaube muss das Herz eines Menschen erreichen, erst dann wird der Inhalt des Glaubens relevant, existentiell relevant.

Erst dann, wenn mein Herz offen ist, bin ich in der Lage, die Zusage Gottes an mich aufzunehmen und anzunehmen. Erst dann, wenn mein Herz offen ist, werde ich die Bedeutung der Zusage Gottes an mich wirklich ermessen und in mein Leben integrieren können.

Doch schauen wir endlich auf das Zentrum dieser Geschichte, die Erscheinung Gottes in Betel. Gott spricht zu Jakob: „Ich bin der Herr, der Gott deines Vaters Abraham und Isaaks Gott; das Land, darauf du liegst, will ich dir und deinen Nachkommen geben. Und dein Geschlecht soll werden wie der Staub der Erden, und du sollst ausgebreitet werden gegen Westen und Osten, Norden und Süden.“

Liebe Gemeinde, hier erneuert Gott seinen Bund mit Jakob, den Bund, den er einst mit seinem Großvater Abraham geschlossen hatte. Er erneuert ihn, vielleicht deshalb, weil Jakobs Anspruch auf den Familienvorstand etwas anrüchig ist. Erschlichen hat er sich den Segen des Vaters im letzten mit einer List, und nun ist er auf der Flucht, hat Angst um sein Leben und wahrscheinlich auch Schuldgefühle, aber Gott hält zu ihm, er erneuert seinen Segen trotz der Schuld, die Jakob auf sich geladen hat, trotz der Gemeinheit, die er an seinem Bruder Esau begangen hat.

Natürlich rebelliert mein Gerechtigkeitssinn an dieser Stelle, aber es ist wie so oft in biblischen Geschichten. Hier wird Jakobs Geschichte erzählt, und wie jede Geschichte eines Lebens ist diese Geschichte eine Geschichte voller Licht und Schatten. Aber Gott bleibt dabei, er hält treu zu Jakob in all seiner Schuld, so wie er auch zu mir treu halten will, egal in welcher Lebenslage ich mich befinde, egal wie viel oder wenig ich in Schuld verstrickt bin. Jakob befindet sich gerade auf der Flucht, er fürchtet um sein Leben, und all dies ist im letzten selbst verschuldet. Gott aber hält trotzdem zu Jakob, er fragt nicht, ob Jakob ohne eigene Schuld in die Notlage gekommen ist. Er hält einfach zu ihm, und die Frage nach der persönlichen Schuld bleibt unbeantwortet, auch das mag meinen Gerechtigkeitssinn deutlich auf die Probe stellen, ich muss es einfach aushalten.

An einem Satz des erneuerten Bundesversprechens bleibe ich dann aber doch hängen, wenn es ganz zum Schluss heißt: „(…) durch dich und deine Nachkommen sollen alle Geschlechter auf Erden gesegnet werden.“ Hier steht nicht: „Alle Geschlechter der Erde sollen Juden werden" oder „Alle Geschlechter der Erde sollen evangelisch oder katholisch sein“. Nein, hier steht nicht einmal: „Alle Geschlechter der Erde sollen gläubig werden". Hier steht: „Durch dich und deine Nachkommen sollen alle Geschlechter gesegnet werden“.

Liebe Gemeinde, dieser Satz geht mir hinunter wie Öl, ist er doch aus einem Geiste, aus dem auch Jesus Christus immer wieder handelt und spricht, so auch im heutigen Evangelium, wenn er zwischen Jerusalem und Samarien Menschen von unreinen Geistern heilt, ohne Unterschied, ohne zu beurteilen, ob sie aus Jerusalem oder dem ungeliebten Samarien kommen, ohne zu klären, ob die Lage selbstverschuldet ist oder nicht. Ja, ich mag mir immer wieder ein Beispiel nehmen an dieser Haltung, die nicht verurteilt, sondern zum Segen verhelfen will, gerade auch heute in einer Zeit, in der mir in meinen Arbeitsfeldern in der Diakonie Menschen unterschiedlichster Herkunft und unterschiedlichster Werdegänge begegnen. Ich finde diese Haltung einfach nur großartig, und ich sehe es für mich als Auftrag, etwas von dieser Haltung, etwas von diesem Segen umzusetzen, da, wo ich gerade bin, sei es in der Kita, sei es im Studentenwohnheim, sei es im Privatleben oder wo immer ich unterwegs bin, wissend, dass ich selbst wie Jakob nie frei von Schuld bin. Ja, ich sehe es als einen Auftrag, etwas von diesem Segen Gottes greifbar zu machen, möglichst ohne Vorbehalte, egal, wer da vor mir steht.

Liebe Gemeinde, gestatten Sie mir einen letzten Gedanken zum heutigen Wort Gottes: Jakob ist auf der Flucht und findet dabei einen heiligen Ort. Heilige Orte im Leben können lokal sein, an Steine gebunden, auf die man, wie Jakob, sein Haupt legt. Heilige Orte sind Kraftorte, die aber auch dort sein können, wo Menschen sich wirklich begegnen, nicht oberflächlich im Stil von „good friends“, nein dort, wo sich Menschen wirklich begegnen, dort, wo Leben und Leid, schwer aushaltbare Fragen ebenso geteilt werden wie Freude und Glück.

Heilige Orte finden sich im Alltag, da, wo ich gestresst bin und unter der Last des Alltags stöhne. Heilige Orte finden sich in den misslichsten Situationen, sogar auf der Flucht.

Heilige Orte zu finden aber bedarf es einer gewissen Sensibilität. Ich muss erspüren können, wo Gott auf mich warten könnte, und ich muss es auch wagen, mich darauf einzulassen. Auch hier ist wieder Offenheit von mir gefordert. Vielleicht muss ich manchmal auch Träume zulassen wie Jakob. Träume können Türen öffnen, wenn wir es zulassen.

Träume können eine Türe des Herzens zu Gott sein. Träume kommen aus unseren tieferen Schichten, Träume können Leitern in den Himmel wachsen lassen, Träume können zulassen, dass Engel uns einen Weg zu Gott ebnen. Träume können zulassen, dass wir Gott begreifen, für einen Moment, für einen kurzen Augenblick.

Die Zusage Gottes an uns, liebe Gemeinde, gilt unverbrüchlich, lassen Sie uns offen sein im Herzen, die Wege zu sehen und zu beschreiten, die Gott uns anbietet, seien es Träume, seien es Menschen, in denen Gott in unserem Leben konkret greifbar werden will, oder sei es etwas, das wir uns heute noch gar nicht vorstellen können.

Und der Friede, der höher ist als jede Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

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