Predigt vom 1. Advent, 1. Dezember 2019

Liedpredigt zu EG 1, „Macht hoch die Tür“; 1. Advent, 1. Dezember 2019, 9.30 Uhr; St. Laurentius, Neuendettelsau; Pfarrer Dr. Peter Munzert

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserm Vater, und unserm Herrn, Jesus Christus!

Lasst uns in der Stille um den Segen des Wortes Gottes beten!

Gott segne unser Reden und Hören. Amen.

Am 1. Advent 1994, also vor 25 Jahren, wurde das neue Gesangbuch, das vom Evangelischen Sonntagsblatt mit „Dick und Bunt“ betitelt wurde, eingeführt. Es ist ein Gesangbuch geworden für Gottesdienst, Gebet, Glaube und Leben, umfangreicher als das alte evangelische Kirchengesangbuch von 1957 und eben auch größer. In Oberfranken witzelte ein Gemeindeglied, es sei ein guter Anlass, sich für den sonntäglichen Gang in die Kirche eine neue, eben größere Handtasche zu kaufen. Das Gesangbuch sei schließlich fast doppelt so dick.

Gesangbücher sind Zeugen ihrer Zeit. Im neuen EG wurden neben vielen Bibelversen, poetischen Texten und Bildern auch neue und modernere Lieder eingefügt, ohne aber die alten Klassiker von Martin Luther oder Paul Gerhard zu vernachlässigen. Es gibt einen bayerischen und thüringischen Stammteil mit 535 Liedern sowie etwa 100 ökumenische Lieder, die auch im Gotteslob stehen. 2011 schließlich kam das Ergänzungsliederheft „Kommt, atmet auf“ hinzu.

Längst gibt es in den Kirchengemeinden eine Vielzahl neuer und moderner Lieder, die neben den alten Klassikern gesungen werden, während einige Lieder aus dem EG kaum bekannt sind und ein Schattendasein fristen. Wann es eine nächste Auflage gibt, ist noch unklar. Das EG und das KAA werden uns die nächsten Jahre sicher noch begleiten.

Aus diesem Anlass möchte ich gerne über das 1. Lied in unserem EG predigen. Macht hoch die Tür, die Tor macht weit. - Dieses Adventslied ist sozusagen auch das Tor zu unserem Gesangbuch. Das erste Lied, nicht nur das Präludium, der Vorspann, sondern gleich ein Lied über den kommenden Christus, auf den wir uns in diesen Adventstagen vorbereiten. Gott sendet seinen Sohn in diese Welt hinein, uns entgegen.

 EG1,1

„Macht hoch die Tür, die Tor macht weit; Es kommt der Herr der Herrlichkeit!“

Wie sieht er aus, der „Herr der Herrlichkeit“? Herren und Herrinnen kennen wir diese Tage viele: in Washington und Moskau, in Berlin oder Paris. Herren und Herrinnen sind das sicher. Aber kommen sie in „Herrlichkeit“? Prunk gibt es und viel lauten Tamtam. Mit Glanz und Gloria kommt die Macht oft daher. Aber „herrlich“ ist das meist nicht.

Und Gottes Herrlichkeit? - Sie bringt Heil und Leben mit sich. Gottes Heiland kommt in die Welt, damit sie lebt, gut leben kann. Das Kennzeichen für Gottes Herrschaft ist die Liebe zum Leben und zugleich die Schöpferkraft, die neues Leben schafft. Das ist Gottes Herrlichkeit.

Bitte lassen Sie uns die zweite Strophe singen:

 EG1,2

Im zweiten Vers hören wir viel Trost. Gott kommt mit „Sanftmütigkeit“ und mit „Barmherzigkeit“. Er bringt die Not zu einem Ende.

Statt mit Gewalt kommt Gott nun mit „Sanftmütigkeit“. 

Es ist wunderbares Wort. Nicht zornig, nicht überbordend von Gewalt und Macht. Sondern leise, auf leisen Sohlen, wie ein Hauch, der streichelt und liebkost.

Das sagt auch das zweite freundliche Wort: „Barmherzigkeit“.

„Barmherzigkeit“ ist eigentlich ein ganz radikales Wort. Im ursprünglichen Sinn bedeutet es: Das Herz arm machen. Gott macht sich arm. Gott wird Mensch unter Menschen. In wenigen Tagen feiern wir das an Heilig Abend. Gott ist da. Gott ist hier. Gott lässt es sich angehen, was uns in Not bringt. Gott macht sich verletzlich, wie wir verletzlich sind.

Georg Weißel dichtete unser Lied 1623, fünf Jahre nach Beginn des Dreißigjährigen Krieges für seine Gemeinde in Königsberg. So zumindest rankt sich die Geschichte um dieses Lied. Sie klingt ein wenig legendenhaft, soll aber wahr sein.

Erstmals gesungen wurde das Lied nicht in einer Kirche, sondern vor dem Gartentor des Geschäftsmannes Sturgis. Dieser wollte die BewohnerInnen des Armen- und Siechenheims nicht durch sein Grundstück auf dem direkten Weg zur Kirche lassen. Er baute einen Zaun um seinen Garten und verschloss ihn mit einem großen Tor. Den langen Umweg zur Kirche konnten die meisten der kranken und alten Leute nicht bewältigen. Da nahm Georg Weißel die Leute am 4. Advent mit und zog mit ihnen vor das Tor des hartherzigen Sturgis. Weißel hielt eine kurze Ansprache und schloss mit den Worten: „Und heute, lieber Herr Sturgis, steht der König der Könige vor eurem verriegelten Tor. Ich rate euch, ich flehe euch an bei eurer Seele Seligkeit: Öffnet ihm nicht nur dieses sichtbare Tor, sondern auch das Tor eures Herzens und lasst ihn demütig mit Freuden ein...“ Und schon fing der Chor, bestehend aus Alten, Armen und Kranken, an zu singen: "Macht hoch die Tür, die Tor macht weit! Es kommt der Herr der Herrlichkeit!“  Sturgis öffnete die Tür für die Menschen aus dem Armen- und Siechenhaus – und schloss sie nie wieder ab.

 EG 1,3

„O wohl dem Land, o wohl der Stadt … wohl allen Herzen insgemein“

Darum soll ich mich also öffnen: Weil es mir guttut! - Stimmt das denn? Geht es mir gut, wenn Gott bei mir einzieht? Der eine oder die andere hat da ja auch andere Erfahrungen:

- Bei manchen hat sich Gott als kritische Stimme des schlechten Gewissens eingenistet. Die mir ständig sagt, was ich nicht kann, wo ich - wieder mal – total versagt habe.

- Bei anderen ist er die Stimme, die ständig drängelt und treibt: „Nun mach schon, nun tu schon – rette die Welt!“

In unserem Lied wird Gott anders beschrieben: „Freudensonn“, „Freud und Wonn“ bringt Gott. Denn Gott will – „o wohl dem Land, o wohl der Stadt“ - Gott will, dass es uns wohlergeht.

- Wenn Gott in uns lacht, dann lernen wir das Lachen, das andere befreit.

- Wenn Gott in uns still ist, dann werden wir still und aufmerksam für das, was unsere Nächsten beunruhigt.

- Wenn Gott einzieht und sich niederlässt und unser Herz öffnet, dann werden wir frei und können uns recken und strecken.

Das ist doch eine Freude! Das tut wohl!

„Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“

Singen wir die 4. Strophe:

 EG 1,4

„So kommt der König auch zu euch!“

Noch mal die Frage: Wie geht das, die Türe hoch und die Tore weit? - Unser Lied beschreibt es mit altertümlichen Worten, aber in einem schönen Bild: „Das Zweiglein der Gottseligkeit steckt auf mit Andacht, Lust und Freud!“ Die GärtnerInnen unter uns kennen das: Die Kunst des Pfropfens. Dabei wird tatsächlich ein Zweig auf einen anderen Baum gesteckt. Er verbindet sich dann mit Ast, Stamm und Wurzel. Wir sollen uns verbinden mit dem Baum „Gott“, der uns Kraft und Leben zufließen lässt. Sich an Gott binden, sich einwurzeln bei Gott, das ist das Geheimnis. Ein „Zweiglein“ werden am Gottesbaum, an Gott teilhaben, das geschieht mit „Andacht, Lust und Freud“:

- Durch „Andacht“: Aufmerksam sein für die Sanftmütigkeit Gottes.

- Durch „Lust“: Mit Lebenslust dem Leben zuwenden, das Gott uns schenkt. Der Sehnsucht nach dem Glück und der Nähe zu Gott nachgehen.

- Durch „Freud“: Von Gott etwas freudig-aufgeregt erwarten.

Ihm zutrauen, dass er hält, was er uns verspricht: „Ich bin dir nahe. Ich schenke dir eine Zukunft.“ Jetzt weiß ich es also:

- Der Herrliche, der einzieht, ist ein Sanftmütiger. Er ist ein leiser, liebender Gott.

- Es tut mir gut, es wird mir wohlergehen, wenn ich mich für Gott öffne – ihm „Tür und Tor“ öffne.

- Und es kostet mich nichts außer „Andacht, Lust und Freud“.

So bleibt mir eigentlich nur noch eins: Die Türe hoch, die Tore weit zu machen, mein Herz zu öffnen, die Sinne, die Seele - und Gott - einzuladen. Tun wir das: „Komm, o mein Heiland Jesu Christ“.

Singen wir die fünfte Strophe – zum guten Ende. Amen.

 EG 1,5

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. 

Amen

Aus der Diakonie Neuendettelsau und dem Diak wurde Diakoneo
Diakoneo gewinnt German Brand Award

Für die Positionierung der neuen Marke erhält Diakoneo den German Brand Award 2020. Dabei handelt es sich um einen Branchenpreis für Markenführung, der von der Stiftung Rat für Formgebung jährlich vergeben wird. Die Guten Botschafter – Agentur für sinnstiftende Markenführung, haben das Evangelisch…

Weiterlesen

Diesen Artikel teilen

Haben Sie Fragen? Wir helfen Ihnen gerne.

Wenn Sie sich näher über unser Angebot informieren möchten, können Sie gerne Ihre
bevorzugte Kontaktmöglichkeit hinterlassen.

Oder rufen Sie uns an unter unserer Service-Nummer:

+49 180 2823456 (6 Cent pro Gespräch)